Organisation

Katholischer Familienverband Kärnten

Nicht durch die Hand, sondern an der Hand

Der Familienverband spricht sich für die Beibehaltung des Verbots von aktiver Sterbehilfe in Österreich aus

In Deutschland hat ein Sterbehilfeverein erstmals in einem Pflegeheim einem 90-jährigen Bewohner bei der Selbsttötung geholfen. Der Verein fordert, dass alle Alten- und Pflegeheime ihre Hausordnung dahingehend ergänzen, dass für die Bewohner klar ist, dass das seit 26. Februar 2020 erlaubte „Grundrecht auf Suizid und auf Suizidhilfe“ jederzeit ausgeübt werden kann.

Was im Nachbarland möglich, ist in Österreich (noch) verboten. Aber der Verfassungsgerichtshof berät in diesen Tagen darüber. Es verwundert, dass dies gänzlich ohne öffentlich geführte Debatte geschieht. Keine Diskussion, kein Aufschrei.

Die Kernfrage lautet: Gehört zum Recht auf das Leben auch ein Recht getötet zu werden oder zu töten? Die Beschwerdeführer fordern letzteres beim VfGH mit bewegenden Beispielen ein. Aber ist das tatsächlich human?
Ein Faktencheck legt nahe, dass aus dem vermeintlichen „Recht zu sterben“ rasch eine „Pflicht“ werden kann.

So beträgt der Anteil derer, die in den Niederlanden durch Beihilfe zum Selbstmord starben, inzwischen 4,5 % (!). Im Jahr 2017 waren es 6.500 Personen. Seit der Einführung im Jahr 2002 haben mehr als 60.000 Menschen die Beilhilfe zur Selbsttötung in Anspruch genommen. Nicht alle ganz freiwillig, wie der erschütternde Fall einer 74-jährigen aus Den Haag beweist. Sie hatte vor ihrer Erkrankung verfügt, das sie im Falle eines unerträglichen Leidens getötet werden wolle: „Wenn ich denke, dass die Zeit dafür reif ist.“ Nachdem die Demenz stark voranschritt, entschieden andere darüber, wann die Zeit reif war.

Fakt ist, in allen Ländern, in denen die Hilfe zur Selbsttötung erlaubt ist, steigt die Rate massiv an. Diese Tendenz lässt sich weltweit beobachten. Aus der Ausnahme wird die Norm. Angebot erzeugt Nachfrage. Aber Suizid braucht keine Unterstützung. Suizid braucht Vorbeugung.

Die meisten Menschen wollen weder ihren Angehörigen, noch der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem zur Last fallen. Wir helfen ihnen nicht, wenn wir ihnen suggerieren, ihr Leben sei nichts wert.

Ziel einer menschlichen Gesellschaft kann nur sein, das zum Leben dazugehörige Sterben gut zu begleiten, schmerzfrei und geborgen, unnötiges Leiden vermeidend.
Nach dem Slogan: nicht durch die Hand, sondern an der Hand!

Gudrun Kattnig
Veröffentlicht in der Kleinen Zeitung am 29. Juni 2020