Gedanken zum Fest der Heiligen Familie
Gedanken der Katholischen Männerbwegung der Diözese Linz zum Weihnachtsfest.

Die Familie hat wohl bei den meisten Männern einen sehr hohen Stellenwert. Viele Männer fühlen sich bisweilen "aufgerieben" zwischen Ideal und Wirklichkeit bezüglich ihrer Aufgabe und Rolle als Vater oder als Ehemann. Da kann die Botschaft durchaus tröstlich sein, dass uns Gott gerade auch in unserer Unvollkommenheit und auch in unserem Scheitern sehr nahe ist ...
Ein Kind verändert die Menschen und verändert die Welt:
Wir alle haben wohl schon einmal miterlebt, wie in eine Familie hinein Nachwuchs geboren wird, entweder aus eigener Erfahrung oder im Familien-, Verwandten- oder Freundeskreis. Besonders für Paare, die das erste Kind bekommen, bedeutet das einen ganz entscheidenden Einschnitt in ihr bisheriges Leben.
Denn da ändert sich sehr vieles im alltäglichen Leben und Erleben: der Tages- und vor allem der Nachtrhythmus ist geprägt vom Kind und orientiert sich an ihm. Man wird ganz feinfühlig und sensibel für die Bedürfnisse des Kindes, das ganze Leben wird irgendwie leiser – trotz des gelegentlichen Geschreies des Kindes. Man horcht und betrachtet es – am liebsten stundenlang. Man tastet, fühlt, riecht – und man staunt ehrfürchtig über dieses wunderbare Geschöpf.
Und ein ganz überwältigendes Grundgefühl stellt sich ein, wenn die Geburt gut verlaufen und das Kind gesund ist, ein Gefühl von großer Freude und Dankbarkeit. Um wie viel reicher wird doch das Leben der Eltern durch das Neugeborene, wir sprechen nicht zufällig vom „Kindersegen“.
Es soll hier aber nicht nur harmonisiert werden, denn für ein Kind verantwortlich zu sein bedeutet immer auch, Ängste und Sorgen zu haben, Anstrengung und Verzicht. Viel Umstellung und Anpassung wird abverlangt, Möglichkeiten und Freiheiten schwinden, zumindest vorübergehend.
Ein neugeborenes Kind verändert die Menschen und verändert die Welt. Das ist auch das große Thema von Weihnachten, dem wir uns auch auf dieser Ebene unserer menschlichen Erfahrung nähern können. Es ist daher wohl kein Zufall, dass das Fest der Heiligen Familie im Weihnachtsfestkreis einen wichtigen Platz einnimmt.
Die Wirklichkeit der Heiligen Familie:
In der Geschichte der Theologie und in der Frömmigkeit der Menschen wurde die heilige Familie häufig sehr stark idealisiert. Bilder von einer allzu harmonischen Idylle wurden da gezeichnet, zum Beispiel in den Bildern des sogen. Nazarenerstils: Josef steht an der Hobelbank, das Jesuskind hilft ihm bei der Arbeit. Etwas im Hintergrund Maria am Spinnrad. Da schwingt die Vorstellung einer heilen Familie mit, die keine Spannungen kannte.
Wenn wir uns aber in der Bibel umschauen, wird uns nirgendwo eine solche Szene überliefert. Im Gegenteil: die Startbedingungen für diese Familie sind alles andere als harmonisch: eine offensichtlich nicht geplante Schwangerschaft, der mühsame Weg nach Bethlehem trotz bevorstehender Niederkunft, keine Herberge, eine armselige Geburt in einem Stall, eine durch äußere Bedrohung notwendig gewordene beschwerliche Flucht nach Ägypten. Wie nahe sind uns doch diese Bilder besonders heuer angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise!
Doch die Familiengeschichte ist nicht nur am Beginn dramatisch, sondern es geht dann auch spannungsreich weiter: wir hören vom Sohn, der sich bei einer Wallfahrt, einfach selbständig macht.
Da ist der Sohn, der seiner Bestimmung folgt, eine Bestimmung, die oft ganz und gar nicht „gesellschaftsfähig“ ist. Von den Verwandten wird er sogar für verrückt erklärt. Der Sohn, der bei einer Hochzeit, die eigene Mutter mit ihren Ansprüchen schroff zurückweist. Schließlich musste Maria auch noch die Schmach und Schande ertragen, die Mutter eines Hingerichteten zu sein.
Der Vater, Josef, verschwindet auf einmal aus der Erzählung. Wir wissen es nicht, was mit ihm geschehen ist, wo er letztlich geblieben ist in dieser Familiengeschichte.
Wenn man die Geschichte der Heiligen Familie von diesen Aspekten her betrachtet, müsste man wohl eher von einer unheil(ig)en Familie sprechen.
Familie in der Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit:
Ein Blick auf die Heilige Familie kann viel von der Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit nehmen. Für alle Familien, die manchmal das Unbegreifliche begreifen und das Unerträgliche ertragen müssen, geht aus dieser biblischen Erzählung etwas sehr Trostvolles aus. Gott begibt sich ganz in die Welt, in die „Niederungen“ von unseren menschlichen und ganz konkreten Lebenswirklichkeiten. Wir können das sehen und lesen als ein deutliches Zeichen der Solidarität mit allen Familien, die ihre Sehnsucht nach einem geglückten Miteinander und ihre Lebenswirklichkeit auf einen Nenner bringen möchten und die allzu häufig auch daran leiden, dass sie damit bisweilen nicht zurande kommen.
Umso hoffnungsvoller darf uns stimmen, dass uns die Bibel und unser Glaube von einem Gott berichten, der sich genau auf diese menschliche Realität einlässt. Und genau in den Unebenheiten und Gebrochenheiten strahlt das menschenfreundliche Wirken Gottes hervor, das die Menschen zum Leben und zur Lebendigkeit führen will.
Wilhelm Bruners, Priester und Dichter, nähert sich dem Thema folgendermaßen an:
Meditation über die Heilige Familie:
die mutter / der vater / das kind / die heile familie /
vergiss / was du über sie gehört hast / denn sie war eine ganz und gar normale familie /
wenn du etwas über sie wissen willst / informiere dich nicht bei denen / die nicht zulassen / dass sie eine ganz und gar normale familie war /
wenn du etwas über sie wissen willst / schau in deine eigene familie / und denke darüber nach / was du dort erlebst /
verstehen / enttäuschung / zuneigung / ablehnung / trennung / umarmung / zorn / liebe /
vergleiche dich ruhig mit ihr und halte dich nicht für schlechter /
vergiss / was du über sie gehört hast /
sie war eine ganz und gar normale familie /
gerade deshalb halte sie heilig.
Mag. Wolfgang Bögl, 16.12.2015