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Referat für Seniorenpastoral

Frauen gestalten - Frauengestalten

Ein Interview mit Hermine Wiegele

Hermine Wiegele, geboren 1939 in Nötsch im Gailtal, arbeitet und leitet heute das Wiegelehaus, zu dem eine Bäckerei, die Mühle und das Museum des Nötscher Kreises gehören. Seit 62 Jahren steht sie jeden Tag in der Bäckerei, in der sie auch ihren Mann kennenlernte und so „zur Lösung meines Lebens kam“.

Hermine Wiegele, Foto:Georg Aichhorn
Hermine Wiegele, Foto: Georg Aichhorn

Was habe ich mir als junges Mädchen für mein Leben erträumt?

Ich habe mir immer gewünscht, Kindergärtnerin oder Köchin zu werden. Beide Wünsche sind mir erfüllt worden, denn ich habe fünf Kinder und ich koche immer noch gerne.

Wer/Was hat mich geprägt/beeinflusst, mich kirchlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch zu engagieren?

Nach dem Abschluss der Handelsschule Weiß in Wien ging ich für ein Jahr nach Salzburg, um als Au-Pair-Mädchen im Privathaus Welz zu arbeiten. Das war für mich ein sehr prägendes Jahr. Da die Familie aufgrund ihrer Galerie sehr angesehen war, kam ich mit Leuten in Kontakt, mit denen damals wenige zu tun hatten.
Zu dieser Zeit war die „Schule des Sehens“ noch auf der Festung – Oskar Kokoschka, Ustad Mansur, Fritz Wotruba, Prof. Konrad Wachsmann - diese Persönlichkeiten waren am Abend bei der Familie Welz zu Besuch. Ich bemerkte schnell, wie wohl man Unterschiede zwischen den „großen Meistern“ und einem jungen Künstler, der mit einer Mappe an die Tür klopfte, machte. Dieser wurde abgewiesen, ohne dass man in die Mappe hineingeschaut hatte, denn man hat damals mit jenen zusammengearbeitet, an denen man verdienen konnte. Das hat mich sehr beschäftigt und zum Nachdenken gebracht.
Damals sagte ich mir, wenn ich einmal im Leben einen Raum zur Verfügung stellen kann, dann gehört der zeitgenössischen Künstlern. Es wurde der Geburtsraum von Franz Wiegele, dem Bruder meines Schwiegervaters, der jetzt zeitgenössischen Künstlern gehört. Alles, was in diesem Raum verkauft wird, gehört zur Gänze den Künstlern. Das ist mein Kulturbeitrag.


Wie hat sich das Leben von Frauen in meiner Lebenszeit verändert?

Enorm viel. Ich bin als Kriegskind in ganz großer Bescheidenheit aufgewachsen und habe alle Güter, ob Apfel, Kartoffel oder Birne, sehr geschätzt, mit Ehrfurcht betrachtet und nie verschwendet. Diese Wertigkeiten möchte ich auch den Schulkindern, die unsere Bäckerei besuchen, mitgeben.

Mein Vater ist erst 1947 vom Krieg nach Hause gekommen. Meine Mutter zog uns drei Kinder alleine groß und betreute die Landwirtschaft. Die Frauen haben damals alles gemanagt – vom Anziehen bis hin zum Essen und zum Fahrrad.
Männer waren im Gailtal ja großteils Fuhrwerker gewesen. Mit dem Holzschlag im Winter konnten sie zu Bargeld kommen. Sonst gab es nichts.
Ich seh heute noch meine Tante nach Bleiberg gehen, mit einem Weidenkorb auf dem Kopf und rechts und links eine Tasche mit Eiern und Topfen. Abends kam sie mit dem Geld heim.

Als Frau in einer Bäckerei wurde ich zu Beginn überhaupt nicht akzeptiert. Es war eine Männerdomäne und meine Position musste ich mir sehr hart erarbeiten. Sie haben mir weder das Wissen weiter gegeben noch besondere Fertigkeiten. Nur über meinen Mann habe ich dann das Handwerk richtig erlernt.
Wir arbeiten mit naturbelassenen Produkten und da ist das Fachwissen besonders erforderlich. Man braucht aber auch sehr viel Feingefühl.
Meine innere Zufriedenheit ist, dass ich dem gewachsen bin und ich ständig an Veränderungen wachsen kann. Das ist die Herausforderung. Und dieses Wissen möchte ich weitergeben. Dass Rezepte nicht weitergegeben werden, gibt’s bei mir nicht.

Was wünsche ich mir für mein weiteres Leben? Habe ich Träume, die wahr werden sollen? Was ist mein Vermächtnis?

Mein Wunsch wäre, in meiner Seligkeit zu Hause einschlafen zu können. Ich habe bis heute 11 Menschen hinüber begleitet und dies war mir niemals zu viel Mühe.
Bevor sich das Museum entwickelt hatte, war mein Gedanke, fünf ältere Frauen aufzunehmen, ein großes Badezimmer einzurichten, einmal in der Woche eine Krankenschwester kommen zu lassen und diese Frauen in den Alltag zu integrieren.
Ich habe nämlich selbst so mein Leben verbracht. Ich hatte eine Tante, die Ärztin in Wien war. Sie kam im Alter zu uns und hat 19 Jahre lang mitgeholfen. Sie ist in meinen Händen gestorben.
Vielleicht ist meine Lebenseinstellung ein wenig zu hart, weil ich ja ein hart geprägtes Kind bin, aber ich würde den Kindern von heute gerne die Sorgfalt für Dinge mitgeben, die Dankbarkeit für jede Kleinigkeit und die Überzeugung, dass man Arbeiten nicht scheuen, sondern angehen muss.

Wofür bin ich dankbar?
Für alles eigentlich. Besonders, dass mir der Hergott so viel Kraft und Energie gegeben hat. Was mir geschenkt wurde, kann man gar nicht beschreiben. Wie viel Energie ich gehabt habe, kann man gar nicht auf zwei Leben aufteilen.

Das Interview können Sie auch in der Zeitschrift "Wachsen ein Leben lang" nachlesen.