“Eure Alten werde Träume haben” (Joel 3,1)
II. Internationaler Kongress zur Altenpastoral, Rom
„Das Konzil hat uns eingeladen, die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums zu lesen. Die Verlängerung des Lebens kann als eines dieser »Zeichen« betrachtet werden, die den »Zeitenwechsel« kennzeichnen, den wir gerade erleben, und den die Kirche mit einem »prophetischen« Geist und mit »Augen der Hoffnung« lesen soll, wozu uns das Jubiläum einlädt.
Während also viele das Phänomen der Zunahme älterer Menschen mit Sorge betrachten, als ob es eine Belastung für die Gesellschaft wäre, erkennen wir als Kirche die Langlebigkeit als ein Geschenk Gottes an. Dies ist kein Notfall, den es zu bewältigen gilt, sondern eine neue Chance. Im Licht des Glaubens ist eine größere Zahl von Lebensjahren als eine Zeit der Gnade zu betrachten, in der man sich mit Begeisterung für die Verkündigung des Evangeliums öffnet, und als Bereicherung für die ganze Gemeinschaft.“
So die Grußworte von Kardinal Kevin Farrell, Präfekt des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben an die die 150 Teilnehmenden aus aller Welt am Kongress.
Drei Tage lang beschäftigten sich 13 Bischöfe, 35 Priester und rund 100 Ordensleute und Laien aus 55 Bischofskonferenzen mit der Zukunft der Altenpastoral.
Gemeinsam mit meiner Kollegin Beatrix Auer, Vorsitzende der ARGE Altenpastoral und Leiterin der Seniorenpastoral Wien, durfte ich vom 2. bis 4. Oktober 2025 an diesem Kongress teilnehmen.
Die Zahl der älteren Menschen nimmt überall zu. In Europa ist mehr als ein Fünftel der Bevölkerung über 65 Jahre alt und in Ländern wie Japan, Italien und Deutschland macht diese Gruppe bereits ein Viertel der Bürger*innen aus. Selbst in Afrika, einem jungen Kontinent, wächst die Gesamtzahl der älteren Menschen. Die Langlebigkeit ist sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung für die pastorale Arbeit.
Die Vortragenden gingen auf die demographische Entwicklung, die Spiritualität der Älteren und die pastoralen Möglichkeiten ein. Besonders wertvoll war der Austausch zwischen den Teilnehmenden, um die Realitäten in anderen Ländern kennenzulernen. Bei aller Unterschiedlichkeit kamen wir immer wieder auf die gleichen Themen:
- Alte Menschen werden zur größten Bevölkerungsgruppe der Welt. Sie sind ein Zeichen der Hoffnung und ein Geschenk für alle, doch müssen auch die Herausforderungen dieses Lebensabschnitts gesehen werden.
- Ältere Menschen sind die Gegenwart und die Zukunft der Kirche. Sie sind nicht „zu beseelsorgende“ Objekte, sondern aktive Gestalter*innen der konkreten Pastoral, d.h. Pastoral soll mit den älteren Menschen gemeinsam geschehen und nicht über sie gestülpt werden.
- Vor allem Großeltern sind eine wertvolle Ressource.
- Der intergenerationelle Dialog ist ein Schatz, den wir gemeinsam heben und bewahren sollen.
- Demenz und assistierter Suizid sind gesellschaftliche Herausforderungen, denen wir in der Gemeinschaft der Kirche begegnen müssen.
- Die pastorale Arbeit für ältere Menschen muss weltweit ausgebaut werden. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Bildung des Klerus und aller haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zu legen.
Die Papstaudienz betonte die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Seniorenpastoral. „So seltsam es auch klingen mag, das Alter wird leider immer öfter zu etwas, zu dem wir plötzlich kommen und das uns unvorbereitet trifft.“ Auch Papst Leo ermutigte uns, uns rechtzeitig mit unserem Älterwerden zu beschäftigen, denn niemanden trifft das Alter und die damit oft verbundenen Herausforderungen plötzlich.
Die Aufgabe der Altenpastoral ist es, Angebote, Bildungsformate, Diskussionsanregungen zu geben, damit die Begegnung mit der Freude und der Hoffnung unseres Glaubens für alle alten Menschen möglich wird und sich niemand nutz- und wertlos fühlt.
Wir sollten nicht vergessen, wie Prof. Josephine Lombardi in ihrem Vortrag betont:
Alter betrifft uns alle: today you – tomorrow me.
Und so fuhren wir am Samstag ganz beseelt von den vielen Vorträgen, Eindrücken und Erlebnissen wieder in unsere Diözesen - nicht aber, ohne vorher unsere Träume festzuhalten:
Wir träumen davon, dass …
- das Alter als bunte, vielfältige und gestaltbare Zeit gesehen wird.
- sich Menschen rechtzeitig mit ihrem Altern auseinandersetzen, um ihre eigene Zukunft zu planen.
- sich die demographische Realität der Bevölkerungsentwicklung in der Zukunft der Kirche widerspiegelt.
- Priester, Diakone, PastoralassistenInnen, haupt – und ehrenamtliche MitarbeiterInnen in ihrer Ausbildung Grundlagen des Alterns verpflichtend in Theorie und Praxis lernen.
- Jung und Alt sich nicht als Konkurrenten, sondern als gegenseitige Bereicherung erleben.
- ältere Menschen nicht als Objekt der Betreuung gesehen werden, sondern in ihrem Person Sein wahrgenommen und in ihrer Eigenständigkeit begleitet werden.
- Wohlwollen und Wertschätzung in der Kommunikation mit und über ältere Menschen selbstverständlich ist.
- es selbstverständlich ist, Menschen mit Demenz in ihrer Spiritualität zu begleiten.
- wir alle im Altern unserer Vollendung entgegen gehen.
- ältere Menschen als Geschenk und Segen gesehen und erfahren werden.
Wir träumen davon, dass Gott uns in unserem Alter Menschen zu Seite stellt, die in all unserer Fragilität unsere Kraft und unseren Mut, in jedem Tag einen neuen Anfang zu sehen, erkennen. In der Hoffnung auf ein gutes Ende trauen wir uns und allen Menschen zu, die Herausforderungen des Alterns anzunehmen.
Judith Höhndorf und Beatrix Auer