Organisation

Referat für Menschen mit Behinderungen

Umdenken

Ein Fasten, das Gott gefällt

 (© Foto: Haab)
(© Foto: Haab)

"Das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen" (Jes 58,6a). Diesem Ruf des Propheten Jesaja entsprechend lädt uns die Fastenzeit in mehrfacher Hinsicht ein, Unrecht sensibler als sonst wahrzunehmen und Fesseln zu lösen.

Immer wieder machen Schadenersatzklagen Schlagzeilen: Eltern klagen auf Schadenersatz, um sich finanzielle Unterstützung für ihr behindertes Kind zu fordern. Ein verzweifelter Hilfeschrei. Im Hintergrund steht unsere Gesellschaft, die auch heute noch Eltern mit behinderten Kindern über weite Strecken alleine lässt. Diese müssen sich oft – zu allem Schweren, das sie schon tragen – finanzielle, therapeutische und andere Unterstützung mühsam erstreiten.

Zeitschrift Schatten & Licht

Die Beiträge in der neuen Ausgabe von "Schatten&Licht" (Zeitschrift der Kontaktstelle für Behindertenpastoral der Diözese) führen vor Augen, dass nicht Geld die Lösung des Problems ist, sondern die menschliche Geste, die sich zum Beispiel in einem Besuch und einem Gastgeschenk ausdrücken kann. Eine Geste, die sagt: Wir stehen zu dir, zu Euch, wir gehören zusammen – und die manchmal eine ganze Lawine an Gutem auslöst.
Wie bereichernd ist solch ein Umdenken, das Leben in seiner Vielfalt bejaht und Schicksale solidarisch zu tragen bereit ist! Es gibt viele Aufbrüche, viele Initiativen, viele engagierte Menschen, die einzeln oder gemeinsam an einer lebensbejahenden Welt arbeiten. In den Medien stehen sie oft hinter negativen Tagesmeldungen zurück.
Wir möchten in diesem Heft dem „Umdenken“ Raum geben: Was erleben Betroffene? Welches Umdenken erhoffen sie von der Gesellschaft? Und wir möchten aufzeigen, auf wie vielfältige Art darauf geantwortet werden kann.

Kirche als Beispiel für "inklusives Denken und Handeln"

„Inklusion“ ist der Fachbegriff, der das Umdenken in Weiterführung der „Integration“ auf gesellschaftlicher Ebene beschreibt. In diesem Sinne unterstreicht die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, dass diesen Menschen die vollen Menschenrechte zustehen – was selbstverständlich ist – und erläutert diese für die verschiedenen Bereiche des Lebens. So soll sichergestellt werden, dass sie vollen Anteil am gesellschaftlichen Leben haben können und weder wegen ihrer Intelligenz, ihrer Beweglichkeit oder Sinneseinschränkungen ausgeschlossen werden. Österreich hat diese UN-Konvention 2008 ratifiziert. Gesetze sollen nun veranlassen, dass bis 31. 12. 2015 alle öffentlichen Gebäude barrierefrei zugänglich sind.
Allein: Es sind nicht nur die Barrieren an Gebäuden abzubauen. Erst wenn wir Menschen mit Beeinträchtigungen von Herzen annehmen, können auch unsere Gebäude ausstrahlen, dass das so ist. Vielleicht stehen wir uns auch selber im Weg: Mit unseren Schwächen und unseren eigenen, uneingestandenen kleinen und großen Beeinträchtigungen, die wir uns und unseren Mitmenschen nicht eingestehen können.
Gläubige haben in Jesus ein großes Vorbild: Er hat die Ausgegrenzten seiner Zeit aufgesucht, mit ihnen Mahl gehalten, ihnen Name und Ansehen wieder gegeben. Die Kirche sollte nach seinem Beispiel Vorbild für Inklusion sein, sollte entsprechend dem Aufruf des Propheten Jesaja Fesseln lösen und Barrieren abbauen – in den Gebäuden wie in den Herzen.

Georg Haab