Organisation

Referat für Menschen mit Behinderungen

Die Sakramente – für alle?

Erstkommunion- und Firmvorbereitung für Menschen mit Behinderungen

 (© Foto: W. Kurz)
(© Foto: W. Kurz)

Erstkommunion- und Firmvorbereitung beginnen.

Für Eltern von Kindern mit Behinderung manchmal eine schwere Zeit: Nicht alle sind sicher, dass sie zur Sakramentenvorbereitung in der Pfarre willkommen sind. Manche Pfarren machen aus verschiedenen Gründen gerne einen Bogen darum. Das kann für Eltern wie Kinder sehr verletzend sein.

Andere Eltern wiederum sind sich nicht sicher, ob sie ihre Tochter/ihren Sohn in der Pfarre oder doch lieber in der Sonderschule zur Firmung anmelden. Wo ist die beste Vorbereitung möglich? Wo ist ihr Kind am besten aufgehoben?

Seitens der Pfarren taucht manchmal die Frage auf, ob man ein Kind mit geistiger Beeinträchtigung zur Erstkommunion zulassen dürfe oder einen Jugendlichen zur Firmung. Die Antwort ist vom Kirchenrecht vorgegeben: Niemand darf von den Grundsakramenten ausgeschlossen werden, nur die Vorbereitung auf die Sakramente muss in angemessener Form geschehen. Dafür gibt es sogar Unterstützung von höchster Stelle: Papst Franziskus hat sich im Sommer höchstpersönlich und mit klaren Worten auf die Seite der Menschen mit Behinderung gestellt. Er tröstet und ermutigt alle, die sich ausgeschlossen fühlen, und zeigt ihnen ihren Platz im Herzen der kirchlichen Gemeinschaft:

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich empfange euch anlässlich des 25. Jahrestags der Errichtung der »Abteilung für die Katechese bei Menschen mit Behinderung« des nationalen katechetischen Amtes in Italien. Dieser Jahrestag ist ein Ansporn, sich erneut um die vollständige Integrierung von Menschen mit Behinderung in die Pfarrgemeinden, Verbände und kirchlichen Bewegungen zu bemühen. Ich danke euch für die Fragen, die ihr an mich gerichtet habt und die eure Leidenschaft für diesen Bereich der Seelsorge zeigen. Er erfordert zweifache Aufmerksamkeit: das Bewusstsein um die Möglichkeit der Glaubenserziehung von Menschen mit – auch schwerer und schwerster – Behinderung; und den Willen, ihn als aktives Subjekt in der Gemeinschaft, in der er lebt, zu betrachten.

Diese Brüder und Schwestern sind – wie auch diese Tagung zeigt – nicht nur in der Lage, eine echte Erfahrung der Begegnung mit Christus zu leben, sondern sie können ihn auch den anderen bezeugen. In der Behindertenseelsorge ist viel getan worden. Wir müssen vorangehen, indem wir zum Beispiel ihre apostolische und missionarische Fähigkeit besser anerkennen, vor allem aber den Wert ihrer »Präsenz« als Personen, als lebendige Glieder des kirchlichen Leibes. In der Schwachheit und in der Gebrechlichkeit sind Schätze verborgen, die unsere christlichen Gemeinden erneuern können.

Gottlob sind in der Kirche eine weit verbreitete Aufmerksamkeit gegenüber der Behinderung in ihrer physischen, mentalen und sensorischen Form sowie eine allgemeine Annahmebereitschaft vorhanden. Dennoch tun sich unsere Gemeinden immer noch schwer, eine wahre Inklusion durchzuführen: eine volle Einbeziehung, die endlich gewöhnlich, normal wird. Und dazu bedarf es nicht nur besonderer Techniken und Programme, sondern vor allem der Anerkennung und Annahme der Gesichter, der beharrlichen und geduldigen Gewissheit, dass jeder Mensch einzigartig und unwiederholbar ist und jedes Gesicht, das ausgeschlossen wird, die Gemeinschaft ärmer werden lässt.

Unsere christlichen Gemeinden müssen »Häuser« sein, in denen jedes Leiden Mit-Leiden findet, in dem jede Familie mit ihrer Last an Schmerz und Mühe sich verstanden und und in ihrer Würde geachtet fühlen kann.

Auch in diesem Bereich ist die Einbindung der Familien entscheidend, die nicht nur angenommen, sondern auch angespornt und ermutigt werden wollen. Unsere christlichen Gemeinden müssen »Häuser« sein, in denen jedes Leiden Mit-Leiden findet, in dem jede Familie mit ihrer Last an Schmerz und Mühe sich verstanden und und in ihrer Würde geachtet fühlen kann. Im Apostolischen Schreiben Amoris laetitia habe ich gesagt, dass »die Aufmerksamkeit, die sowohl den Migranten als auch den Menschen mit Behinderungen geschenkt wird, ein Zeichen des Heiligen Geistes ist. Denn beide Situationen dienen gleichsam als Muster: In ihnen steht in besonderer Weise auf dem Spiel, wie heute die Logik der barmherzigen Aufnahme und der Integration der Schwachen gelebt wird« (Nr. 47).

Auf dem Weg zur Inklusion behinderter Menschen nimmt ihre Zulassung zu den Sakramenten natürlich einen entscheidenden Platz ein. Wenn wir die Besonderheit und die Schönheit ihrer Erfahrung von Christus und der Kirche anerkennen, dann müssen wir folglich in aller Deutlichkeit sagen, dass sie zur Fülle des sakramentalen Lebens berufen sind, auch bei Vorhandensein schwerer psychischer Störungen. Es ist traurig festzustellen, dass in manchen Fällen immer noch Zweifel, Widerstände und sogar Ablehnung vorhanden sind. Oft rechtfertigt man eine Ablehnung, indem man sagt: »Er versteht es ja doch nicht.« Oder: »Er braucht es nicht.« In Wirklichkeit zeigt man durch eine solche Haltung, dass man den Sinn der Sakramente nicht wirklich verstanden hat, und verweigert den behinderten Menschen in der Tat die Ausübung ihrer Gotteskindschaft und die volle Teilhabe an der kirchlichen Gemeinschaft.

Das Sakrament ist ein Geschenk, und die Liturgie ist Leben: Noch bevor sie rational verstanden wird, muss sie in der Besonderheit der persönlichen und kirchlichen Erfahrung gelebt werden. In diesem Sinne ist die christliche Gemeinschaft aufgerufen, sich dafür einzusetzen, dass jeder Getaufte Christus in den Sakramenten erfahren kann. Daher muss die Gemeinde wirklich dafür sorgen, dass die behinderten Menschen erfahren können, dass Gott unser Vater ist und dass er uns liebt, dass er die Armen und die Kleinen besonders liebt durch die einfachen alltäglichen Liebesgesten, deren Empfänger sie sind. Im Allgemeinen Direktorium für die Katechese heißt es: »Die Liebe des Vaters zu diesen schwächsten Kindern und die ständige Gegenwart Jesu durch seinen Geist geben die Zuversicht, dass jeder Mensch, wie behindert er auch sein mag, an Heiligkeit zu wachsen vermag« (Nr. 189). Es ist wichtig, auch auf die Eingliederung und Einbeziehung behinderter Menschen in die liturgischen Versammlungen zu achten: In der Gemeinde zu sein und einen eigenen Beitrag zum liturgischen Handeln zu leisten durch Gesang und bedeutsame Gesten, trägt dazu bei, das Zugehörigkeitsgefühl eines jeden zu unterstützen.

Es geht darum, eine Denkweise und einen Stil wachsen zu lassen, der vor Vorurteilen, Ausschließung und Ausgrenzung schützt und eine echte Brüderlichkeit fördert, unter Achtung der Vielfalt, die als Wert geschätzt wird. Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für alles, was ihr in den 25 Jahren eurer Tätigkeit getan habt, im Dienst von Gemeinden, die immer annahmebereiter und aufmerksamer gegenüber den Letzten sind. Geht beharrlich voran, mit Hilfe der allerseligsten Jungfrau Maria, unserer Mutter. Ich bete für euch und segne euch von Herzen.

Und ich bitte auch euch, für mich zu beten.

Papst Franziskus, Ansprache die Teilnehmer einer Tagung zur Katechese für Menschen mit Behinderung, Aula Paolo VI, 11. Juni 2016.
Vollständige Fassung mit Fotos der Veranstaltung finden Sie hier.

 

Kontakt und Info:

Für weitere Fragen und Unterstützung steht Ihnen die Kontaktstelle "Seelsorge für Menschen mit Behinderung" gerne zur Verfügung!
Seelsorge für Menschen mit Behinderung, Tarviser Straße 30, 9020 Klagenfurt
Mail: georg.haab@kath-kirche-kaernten.at
Tel.: 0463/5877 2128