Organisation

Referat für Menschen mit Behinderungen

Darm in Flammen

Wenn Morbus Crohn das Leben verändert

Langsam kommen Wehwehchen des Alters hinzu, ich kann es kaum glauben! 47 Jahre – und wow, ich bin immer noch da. Entgegen allen Prognosen. Gottgeschenkt.
Im 10. Lebensjahr plötzlich auftretende krampfartige Bauchschmerzen und Durchfälle, wochen-, monatelang – ratlose Ärzte, überforderte Eltern. Gewichtsverlust, Blut im Stuhl. Fisteln und arge Schmerzen: „Darm in Flammen“. Gefühlte Monate auf der familiären sowie der Toilette des Gymnasiums zugebracht. Über die Probleme der Krankheit zu sprechen war schwierig – Ausscheidungen, ihre Organe und deren Krankheiten scheiden schambesetzt aus dem „normalen“ Themenbereich mitmenschlicher Kommunikation aus, Selbsthilfegruppen zum Erfahrungsaustausch gab es damals nicht.
Jahre zu spät wird der Morbus Crohn erkannt – wertvolle Behandlungszeit verloren, medikamentöse Behandlungen wirkungslos, lebensbedrohliche Operationen die Folge. Dann OPs zur Behebung der Folgen der OPs. Neue Schübe. Die körperlichen Grenzen Jahr um Jahr spürbar enger, Intensivstationen vertrauter als der Heimatort. Die Liebe der Angehörigen, die selbstlose Pflege der Mutter, gute Ärzte, das Gebet vieler – das trägt.
Seit Ausbruch der Erkrankung gab es auch einige gute Jahre. Dankbarkeit für Zeiten des Nachholen-Dürfens, zu studieren beginnen, Zukunft schien greifbar im Gestalten der Gegenwart. Geschenkte Freundschaften, Beziehung. Kunstschaffen entwickelt sich. Dennoch: Einzige Kontinuität im Leben bleiben Brüche und Abbrüche. Im Nachhinein betrachtet haben sich manche als Aufbruch erwiesen.
Mithaltenkönnen in der Leistungsgesellschaft unmöglich: Vom Darm ist nicht mehr viel vorhanden, der Crohn hat auch die Lunge befallen, und das Immunsystem schnappt ohne meine Erlaubnis jeden Infekt auf. Rollstuhlfahrer habe ich oft beneidet um ihr sichtbares Stigma, von vornherein als „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ gesehen zu werden. Mir sieht man es nicht an, aber Alltag zu leben und das Atmen ist schwerer geworden – dankbar bin ich für jede liebevolle Unterstützung, mein JA wieder neu ins Leben malen zu dürfen.  


Bernadette G.