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Dekanat Villach-Stadt

Nostra aetate

Kirche und nichtchristliche Religionen

Der lange Weg dieser Erklärung
Am 28.10. 1965 kam in der Konzilsaula ein Dokument zur Abstimmung, an dem 5 Jahre mit unermüdlichem Eifer gearbeitet wurde. Seine Textgeschichte liest sich zeitweise wie ein spannenderKrimi: Die Erklärung  über das Verhältnis der Kirche  zu den nichtchristlichen Religionen. Johannes XXIII. selbst hatte für das Konzil eine Neuregelung der Beziehung zwischen Judentum und kath. Kirche gewünscht. Er hat Kardinal Bea, einen charismatischen Jesuiten, mit der Leitung des neuen Einheitssekretariates betraut und beauftragt, den jüdischen Problemkreis aufzubereiten. Dieser hatte viele Jahre das päpstliche Bibelinstitut geleitet und auch Orientalistik studiert – war also für diese   heikle Aufgabe gut vorbereitet. Kardinal Bea konnte den rein religiösen Charakter einer kirchlichen  Stellungnahme  nicht genug betonen.  Drei Gruppen stellten sich mit großer Vehemenz gegen eine positive Erklärung zum Judentum: Für Sprecher der arabischen Staaten führte eine Würdigung des Judentums logisch zur Anerkennung des Staates Israel, deshalb wollten sie eine solche um jeden Preis verhindern. Orientalische Patriarchen fürchteten eine massive Verschlechterung für die Christen in islamischen Staaten. Manche Konzilsväter wollten den Status Quo der Beziehungen unbedingt belassen. Sie ließen nichts unversucht, um das zu erreichen.

So extreme Schwierigkeiten führten zu intensiven theologischen Auseinandersetzungen über Religion überhaupt. Die vielen Eingaben zu diesem Dokument haben in den meisten Konzilsvätern ein viel tieferes Verständnis der Stellung Israels in der gesamten Heilsgeschichte erwirkt. Auch ein Dokument zur Religionsfreiheit erwuchs aus diesen intensiven Gesprächen. Über eine reine Judenerklärung,  einem später geplanten Anhang zum Dekret über die Ökumene erwuchsen also zwei Dokumente, die erst in der letzten Sitzungsperiode zur Abstimmung kamen. 

Einen wichtigen Beitrag für das Gelingen der Erklärung leistete Papst Paul VI. durch seine  Reise nach Jerusalem mit einem beeindruckenden Schuldbekenntnis in der Grabeskirche am 4.1.1964  und mit jener Fahrt zum Eucharistischen Weltkongress nach Bombay (heute Mumbay) durch  Worte großer Wertschätzung für die religiösen Traditionen Indiens. Die mühevolle Geschichte des Dokumentes wirkt bis in unsere Zeit weiter; es ist katholischen Gemeinden vielfach unbekannt.

Prophetische Worte

Die Erklärung hat angesichts der Entwicklung unserer Weltgesellschaft eindeutig prophetischen Charakter. Im Kontext der fortschreitenden Globalisierung wird sie mit Recht von vielen Autoren als das am meisten vorwärts weisende Dokument in das 21. Jahrhundert gesehen. Die Neuorientierung durch Nostra Aetate war auch Richtung weisend für andere Kirchen.   Nostra Aetate sieht die Frage nach dem letzten und unsagbaren Geheimnis menschlicher Existenz als Thema aller Religionen. Erstmals in der Geschichte der Kirche erfahren andere Religionen als solche eine theologische Würdigung. Damit hat sich die Kirche wirksam zur Weltkirche entwickelt. Sie hat gelernt, sich selbst von anderen Religionsgemeinschaften her zum Thema zu machen. Sie hat dabei die starken Seiten der Anderen schätzen  und würdigen gelernt. Nach Jahrhunderten des

Mauerns hat sie wieder erkannt, dass Wahrheitsfindung ein dialogischer Prozess sein muss und sich dazu verpflichtet. So wurde die Kirche mit Nostra Aetate fähig, gemeinsam mit anderen Religionen Menschen in der Welt von heute in ihren vielfachen Nöten eine mögliche Antwort auf ihre tiefsten Fragen zu geben.
Das Dokument über die Religionsfreiheit  regelt das Verhältnis der Kirche zum weltanschaulichen Pluralismus der Gegenwart. Glaube wird als freier Akt des freien Menschen gesehen und aus der  unbedingten Würde des Einzelnen heraus als Grundrecht gefordert. Es macht das unermüdliche Einfordern von Religionsfreiheit der Kirche weltweit glaubwürdig. 

Würdigung des Judentums

Eine spezielle Würdigung nach Jahrhunderten christlicher Judenfeindlichkeit in Theologie und Verkündigung erhält das Judentum. Das Konzil erinnert an das gemeinsame Band, wodurch das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams verbunden ist und an die bleibende Auserwählung des Volkes, die nie zurückgenommen wurde. Ebenso wird die Offenbarung des  Alten Testamentes als  gemeinsames Erbe und als verbindendes Element bezeichnet. Mit den Juden erhoffen Christen die endzeitliche Vereinigung mit Israel, weil Gott am Ende der Zeiten alle, die sich zu ihm bekennen, zur Gemeinschaft mit ihm rufen wird. Biblische und theologische Studien
sollen zu mehr gegenseitiger Kenntnis und Achtung führen. Vor allem beklagt die Kirche zutiefst alle Formen des Antisemitismus im Lauf der Geschichte. Den größten Widerstand erfuhr das letztlich doch erfolgreiche Bestreben, den Vorwurf des Gottesmords endlich zu verbannen. Die Sünden aller Menschen haben Jesus an das Kreuz gebracht.
Es ist für uns heute kaum vorstellbar, wie sich Zeitungen und Rundfunk in arabischen Ländern mit dieser Frage beschäftigten, wie sehr diese Frage die Weltöffentlichkeit bewegte.

Der Islam

Nostra Aetate unterstreicht zuerst die gemeinsamen und einander verwandten Punkte, verweist aber auch auf den wesentlichen Unterschied,  unseren Glauben an die Gottheit Jesu. Nach Aussage des Konzils richtet sich der Glaube im Islam nicht an einen vom menschlichen Verstand erfundenen Gott, sondern an den transzendenten Gott, der sein Wort der Menschheit, den Propheten, anvertraut hat.Der Text ergibt eine Basis, auf der beide, Christen und Muslime, zur Zusammenarbeit im Dienst an den drängendsten Nöten der Menschheit verpflichtet sind. Auch dem Hinduismus und dem Buddhismus gilt Wertschätzung, so wie Anerkennung und Förderung ihrer geistlichen und sittlichen Güter.

Herausforderung zu groß?

Die Päpste haben diesen  Auftrag sehr ernst genommen.Die Ausführungen Papst Pauls VI. in seiner Enzyklika Ecclesiam Suam über den Dialog weisen die Richtung. Unermüdlich hat Papst Johannes Paul II. diese drängende Aufgabe der nachkonziliaren Kirche eingemahnt. Er konnte beim  großartigen Ereignis der Begegnung der Weltreligionen im Jahr 1986 in Assisi guten Gewissens darauf hinweisen, wie sehr die Kirchen, die kirchlichen Gemeinschaften und Weltreligionen um das Wohl der Menschheit bemüht sind. Als 2004 an  Papst Johannes Paul II. „Der Außerordentliche Karlspreis zu Aachen“ verliehen wurde, war sein unermüdlicher Beitrag für den interreligiösen Dialog als Frieden förderndes Medium besonders betont worden.Viele Mitglieder unserer Kirche fürchten eine Verwässerung der eigenen Glaubenssubstanz. Dagegen hat Kardinal König  immer wieder betont, wie sehr der ehrliche religiöse Dialog den eigenen Glauben vertiefen und festigen kann. Wir müssen uns wohl einer weiterführenden Heilsordnung Gottes öffnen, die uns zugemutet und aufgetragen ist. Kirche ist nicht  Selbstzweck, sie ist Werkzeug des allumfassenden Heilswillens Gottes. Sie nimmt diesen Dienst am Reich Gottes wahr im Gehorsam gegenüber dem Auftrag Jesu, die Zeichen der Zeit zu erkennen und entsprechend zu handeln. Ein unübersehbares Zeichen unserer Zeit ist die Entdeckung der Religionen mit ihrer verborgenen spirituellen Kraft.

Die Situation in Villach

Der Tag des Judentums am 17. Jänner wird seit vielen Jahren gefeiert.Es gab gute Bildungsangebote zu Islam und Buddhismus, das Interesse war mäßig.Es gab zwei Mal das „Interreligiöse Gebet für die Stadt“. Mich hat es zutiefst bewegt, als am Rathausplatz ein türkischer Iman Gottes Lob in der Sprache des Korans gesungen hat und diese Gruppe uns vollen Respekt zollte, als wir ChristInnen das Vaterunser beteten. Bei der Erarbeitung eines Integrationsleitbildes der Stadt Villach war eine
Zusammenarbeit der VertreterInnen der verschiedenen religiösen Traditionen selbstverständlich.

Einzelne Christinnen und Christen engagieren sich in der Nachmittagsbetreuung von Migrantenkindern, die Pfarre St. Nikolai stellt großzügig Räumlichkeiten zur Verfügung und  nimmt regen Anteil an gemeinsamen Veranstaltungen. In Völkendorf  gibt es Kontakte zwischen kath. und muslimischen Jugendlichen.Für eine interreligiöse Plattform  sehe ich als größtes Hindernis den spärlichen  Zusammenhalt sowohl zwischen den muslimischen als auch zwischen den verschiedenen buddhistischen Gruppen.

Ausblick

Erzbischof Kothgasser hat bei der Schiffsprozession gesagt: „Im interreligiösen Gespräch wird das Christsein im neuen Jahrtausend sich bewähren müssen.“ Davon bin ich auch überzeugt. Ich träume davon, dass Pfarren Asylantenheime auf ihrem Gebiet als Grundauftrag vom Evangelium her  erkennen und entsprechend handeln. Eine interreligiöse Feier an Schulen ist für junge Menschen ein Lehrstück für den Beitrag der Religionen zu Frieden und Versöhnung.Wenige Pfarren wagen es bislang, ihre Mitglieder auf diesen Auftrag des Konzils hinzuweisen. Viele Ängste blockieren unsere Bereitschaft, miteinander anstatt nebeneinander  zu leben.

Uns Christinnen und Christen wurde geoffenbart, dass Gottes Liebe und Güte sich ausnahmslos auf alle Menschen bezieht. Warum fürchten wir jene, mit denen uns wichtige Glaubensinhalte verbinden?Mehr Miteinander würde die Glaubwürdigkeit der Religionen nur stärken. Lassen wir uns doch von dem  Vertrauen in Gottes Führung anstecken, das Johannes XXIII. erfüllt hat!

Sr. Mag. Andreas-Maria Weißbacher