Pfarre

Wolfsberg

Liebe, die nichts befleckt

Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (Meditation, 2020)

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Das Geheimnis unseres Glaubens, welches wir am heutigen Fest zu betrachten versuchen, lässt sich schwer in Worten fassen. Jede Erklärung scheint zu arm oder zu weltlich zu sein und so verliert die uns heute geschenkte Botschaft ihren Glanz. Man braucht viel Demut, um dieses Thema zu berühren, ohne es zu deformieren.

- Kampf zwischen Bösen und Guten.

- Geschaffen als Kinder, mit Würde und Identität.

- Zurückgeholt in das Paradies, das wir ursprünglich verlassen hatten.

- Neu geboren. In Christus neu geschaffen. Dank Derjenigen, durch Deren schwaches „Ja“ der Welt ihre Schönheit zurückgeschenkt wurde. Unserer Mutter.

Ja, das alles können die Hauptthemen des heutigen Tages sein, und sind es. Aber vielmehr, und das entdeckte ich vor Kurzem neu in Texten des Karol Wojtylas („Promieniowanie Ojcostwa“, 1964), es geht heute um eine Liebe, die größer ist als Maria selbst. Liebe, derer sie gedient hat. Liebe, die nichts befleckt.

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Diese Impulse schenkt uns die Wortgottesliturgie: Unsere Wege führen vom Pol der Einsamkeit bis zum Pol der Liebe. Vom Pol der Nacktheit bis zum Pol der Würde. Maria ist mit uns unterwegs. Sie begleitet uns auf diesem Weg, von einem zu anderem Pol. Ja, ihr haben wir es zu verdanken: Es ist möglich, die Einsamkeit in fruchtbare Liebe verwandeln zu lassen. Ja, es gibt in ihr, in Maria, eine Liebe, die stärker als Einsamkeit ist. Diese Liebe stammt nicht aus ihr selbst.

Ich bin kein Licht, - sagt sie - das Menschen erleuchtet. (Ich bin eher wie ein Schatten, in dem sie ausruhen können. Mutter soll ein Schatten für ihre Kinder sein.) Aber ich gebäre immer wieder neu das Licht, das deine innere Verwandlung ermöglicht.

Und sie, das junge Mädchen aus Nazareth, durch das Geheimnis seiner Empfängnis, macht es deutlich: Der Glaube ist auch das Wissen, aber in seinem sensibelsten Punkt ist er kein Wissen mehr, sondern das Erwarten. Der Glaube ist das Warten. Und das ist die einzige Klarheit, die die Jungfrau, ohne Sünde empfangen, den Menschen schenken kann.

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Die heutigen Lesungen, vor allem die Frage Gottes voll Schmerz und Sehnsucht: „Wo bist du, Adam?“, motivieren uns, nach dem Adel unseres Geistes zu fragen. Wieso wählt Adam ständig die Einsamkeit, die innere Nacktheit. Dann bleibt nur mehr Scham. Er ist von Innen her nackt. Aber das Licht der einzig lebendigen Liebe kann ihn - kann jeden von uns - wieder die Würde zurückgeben. Nur das Licht dieser Liebe kann unsere Nacktheit wieder in Würde anziehen. Das weiß auch Maria. Sie kennt nur diese Liebe, die Einsamkeit ist ihr dadurch fremd. Deshalb hilft sie uns (so kraftvoll!) die Schönheit des Menschseins wiederherzustellen. Diese Liebe kann manchmal überfordern, aber sie lässt dich nie im Stich. Diese Liebe feiern wir heute.

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Vielleicht klingt die heutige Predigt etwa wie eine Meditation. Aber auch das zeigt uns, das unsere Sprache zu schwach ist, wenn man von dieser Schönheit etwas sagen will. In Maria hat Gott seine Sehnsucht nach den Menschen offenbart. Du bist nicht allein! Egal, was in deinem Leben passiert. Egal, bewusst oder unbewusst, von der Würde des „Kind-Seins“ beraubt, dank Maria hast du immer noch eine Zukunft. Die Rückkehr ist nicht nur immer möglich, sie ist dir garantiert.

Halte Maria fest und du wirst vom Licht der Liebe, die sie der Welt geboren hat, durchgedrungen, umarmt und befreit. Dann wirst du selbst ein Teil dieser Liebe. In Liebe verwandelt. Nie mehr allein.

Hab keine Angst vor dieser Begegnung. Und hab keine Angst, etwas zu riskieren. Auch, wenn das etwas kostet. Auch im Schmerz lässt sie dich nicht fallen.

Du hast eine Mutter. „Mutter der neugeschaffenen Welt“ (Papst Franziskus, 8.12.2015).

Christoph Kranicki