Pfarre

Molzbichl

Ostermontag: Einmal Emmaus und retour

Ein Lied habe ich mit Jugendlichen immer besonders gern gesungen, das Lied, das zum Ostermontag passt, ein richtiges Emmauslied: „Zwei Jünger gingen, voll Not und Zweifel, traurig war ihr Gesicht, doch da kam Jesus, und sprach mit ihnen und plötzlich wurde es Licht“. Das ist die kurze Zusammenfassung der für mich persönlich schönsten und berührendsten Ostergeschichte der Bibel. Da kann man sich so richtig hineinfühlen: davonlaufen in Resignation und Hoffnungslosigkeit, alles liegen und stehenlassen, ihr könnt mich gern haben, macht euern Kram selber- wer von uns hätte denn nicht oft so gehandelt oder gesprochen oder wenigstens gedacht. Wie kleine Kinder handeln wir manchmal, die trotzig die Tür zuwerfen und schreien: Ich geh fort, ganz weit fort, ich brauche euch nicht. Auch in der Kirche: Ich hab genug von diesem Bischof, von diesem Papst, von diesem Pfarrer, von diesen Gemeindemitgliedern, von diesen Skandalen, Schluss! Ich trete aus!

Und dann doch das Gute hören, die Frohe Botschaft vor Augen haben, aber alles für Geschwätz halten, nur seinen eigenen Augen und Ohren trauen, sich in sein Mißtrauen, in seine eigene Schwarzseherei verkriechen und einigeln, das alles ist ja so bekannt, nicht wahr?

Nur geht es bei uns halt nicht immer gut aus, der Weg in die Sackgasse fällt uns oft leichter als der Ausweg aus der Sackgasse.

Miteinander im Gespräch bleiben

Von diesen beiden verzagten Jesusfreunden können wir auf jeden Fall das eine schon lernen, dass wir miteinander im Gespräch bleiben sollen, einander mitteilen, was uns bedrückt. In diesen Zeiten, wo wir mehr als sonst aufeinander angewiesen sind, haben wir noch mehr Gelegenheit dazu. Frauen tun sich da oft leichter, sagt man, und reden sich bald einmal die Dunkelheit von der Seele. Die Männer nennen das oft leichthin „Ratschen“ oder „Tratschen“. Dabei haben doch die Frauen als erstes die Osterbotschaft begriffen, und Maria aus Magdala muss den Aposteln erst mühsam die Auferstehung erklären. Die Apostolin der Apostel hat man sie dafür genannt. Für mich ist das jedenfalls ein entscheidender Beweis für die Echtheit der Auferstehung Jesu. Hätte man sie erfunden, dann wäre Jesus wohl als erstes dem Petrus erschienen, oder dem Pilatus, oder dem Hohenpriester in Jerusalem, und hätte ihnen die Verwerflichkeit ihres falschen Todesurteils vor Augen geführt. So aber erscheint er ausgerechnet Frauen, die nicht einmal als Zeugen bei Gericht zugelassen sind, deren Wort nichts gilt, die in der ehrenwerten Männergesellschaft zu schweigen haben. Die beiden Emmausjünger glauben den Frauen ja auch nicht und halten alles für Weibergewäsch.

Aber sie zeigen uns jedenfalls, dass es auch für Männer und für jeden Menschen wichtig ist, jemanden zu haben, mit dem man über alles reden kann. Und was die beiden eben am meisten bewegt, das ist die tiefe Hoffnungslosigkeit, ja Verstörung nach dem schrecklichen Tod Jesu: wir haben geglaubt, wir haben erwartet, wir haben gemeint, wir haben uns schon so gefreut, und jetzt? So drehen sich ihre Gedanken im Kreis.

Durchblick durch die Wand der Verzweiflung

Bis einer plötzlich mitgeht und diesen Kreis aufbricht. Ganz unspektakulär tritt er auf, der Auferstandene, sie merken es gar nicht, dass er auf einmal mitgeht, ja, sie erkennen ihn gar nicht. Und er zeigt ihnen, dass hinter allem ein Plan steht. Anhand der Schriften des Alten Testamentes erkennen sie: das musste alles so geschehen. Den vor Trauer und Hoffnungslosigkeit Blinden gehen auf einmal die Augen auf. Nun haben sie plötzlich einen Durchblick durch die Wand der Verzweiflung.

Das ist ja das Erstaunliche an Ostern: dass total am Boden zerstörte, geschockte Menschen, ganz plan- und orientierungslose Jesusanhänger plötzlich Zusammenhänge entdecken. Und das ist auch die tiefe Sehnsucht aller Menschen in all ihren Schicksalsschlägen. Wenn sie ihnen schon nicht ausweichen können, dann möchten sie doch wissen: warum? Und wozu? Welcher Plan steckt hinter dieser Krise, hinter der Krankheit, hinter diesem sinnlosen Todesfall, hinter dieser Naturkatastrophe? Hinter diesem Flugzeugabsturz? Hinter diesem Bombenanschlag? Und jetzt: hinter dieser Coronakrise? Meistens bekommen wir keine Antwort darauf. Der Trost des Auferstandenen an die beiden Emmausjünger lässt uns hoffen: musste denn nicht alle so kommen? So sagt er. Wir dürfen hoffen, dass er auch uns einmal Einblick gibt in die Zusammenhänge, die unseren Augen jetzt noch verborgen sind. So leistet Jesus das, was wir in jedem Fall auch tun müssen, wenn wir schon nicht alle Fragen beantworten können: er leistet Trauerbegleitung. Er macht eine heilsame Krisenintervention. Er geht den Weg mit durchs Trauertal, durchs Jammertal. Wir gehen oft trauernden Menschen aus dem Weg aus Angst vor unserer Hilflosigkeit und Wortlosigkeit. Jesus aber geht mit. Heute sind wir seine Füße, die mitgehen müssen, dort, wo Menschen keine Wege in die Zukunft mehr sehen. Wo Menschen einander begleiten, da vergeht die Zeit wie im Flug, und auch die beiden Freunde kommen schnell mit ihrem unbekannten Weggenossen ans Ziel.

Bleibe bei uns Herr!

Am Ziel dann sagen sie jenen bekannten Satz, der zum Refrain vieler Lieder, auch des eingangs zitierten geworden ist: Bleibe bei uns, weil es Abend wird. Bleibe bei uns oh Herr. Jesus ist vornehm und zurückhaltend, er will weitergehen, er will sich nicht aufdrängen, er will gebeten werden. Aber dann geht er auf diese Bitte ein, und er zeigt ihnen und uns für alle Zukunft, wie er bei uns bleibt: in seinem Wort, im Brechen des Brotes, in der Feier der Eucharistie, das ist für alle Zukunft der bevorzugte Ort seiner Gegenwart. Das ist sein Erkennungszeichen. Auf viele Arten und viele Weisen ist er bei uns, dort aber auf jeden Fall, wo wir seinen Tod und seine Auferstehung feiern und das letzte Abendmahl wieder neu gegenwärtig setzen.

Auf einmal ist dann die Verzweiflung der beiden wie weggeblasen, das Herz brennt ihnen, so sagen sie und sie kehren zurück an den Ort der Trauer, zurück zu den Tatsachen, vor denen sie gerade davon gelaufen sind. Wo das Herz brennt, da gibt es kein burn out. Sie verkünden die Osterbotschaft und merken, dass sie in ihrer Freude ja nicht allein sind.

Verwandelt zurückkehren an die Orte des Alltags

Auch wir kehren nach unseren Gottesdiensten immer zurück zu den Orten des Alltags, zurück in die Küche, an die Werkbank, in die Schulklasse, in eine ungeliebte Verwandtschaft, ins Büro, in die Fabrikshalle oder auf den Bau, in den Stall und aufs Feld, aber wir kehren immer ein bisschen als Verwandelte zurück, als Menschen, denen zwar nicht immer das Herz brennt, in denen aber doch irgendwo ein kleiner Funke wieder zum Leuchten gebracht worden ist, als Menschen, die wieder ein bisschen mehr Hoffnung und Zuversicht haben. Wir sind dort zwar nicht so überzeugende Auferstehungsboten, wie die beiden Emmausjünger, aber ein frohes Gesicht kann auch schon anstecken und ein offenes Ohr, ein warmer Händedruck und ein bisschen weniger Griesgram können auch schon viel Gutes anrichten.

Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)
Dechant Pfarrer Ernst Windbichler (Foto: Pressestelle / Eggenberger)

Mögen wir diesen kleinen Funken in uns schätzen, mögen wir verhindern, dass er uns ausgeblasen wird und mögen wir ihn immer wieder neu entfachen, diesen heilsamen Funkenflug, jetzt ganz besonders.

Mit allen Segenswünschen

Pfr. Ernst Windbichler