Pfarre

Molzbichl

Liebe Österlinge,

so darf ich uns heute insgesamt nennen!

Liebe Österlinge - so darf ich uns heute insgesamt nennen!

Der Dichter Franz Kafka erzählt in einer Fabel von einer kleinen Maus: Ach, sagte die Maus, die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte. Ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Maurern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe. – Du musst nur die Laufrichtung ändern- sagte die Katze und fraß sie.

Geht es nicht vielen Menschen ähnlich, wie dieser Maus, gerade jetzt in diesen Tagen? - Oder besser gesagt: Fühlen sie nicht ähnlich? Das Leben, zuerst voller unbegrenzter Möglichkeiten. Aber mit der Zeit kommen die Einschränkungen, die Mauern werden sichtbar, das Leben wird immer enger. Das Alter, die Krankheiten, die Vergesslichkeit, und jetzt dieser verflixte Virus, dieser heimtückische und unsichtbare Lebensfeind...Und am Ende der Mauern, da steht die Todesfalle. Und hinter uns schleicht die Katze und packt uns, wenn wir dieser Falle entkommen wollen. Wie wir uns auch drehen und wenden in dieser Zwickmühle: das Ergebnis ist immer das gleiche. Es ist aus mit uns. Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen. So fühlen auch jene Frauen, die am ersten Ostersonntag der Weltgeschichte in aller Frühe das Grab Jesu besuchen wollen. Sie machen keinen harmlosen Osterspaziergang in die frühlingshaft erwachende Natur, es ist eher ein hilfloser, ohnmächtiger Trauermarsch, den sie da antreten. Sie haben zwar duftende Salben mit und Kräuter, um damit den Geruch des Todes zu bannen, nur das eine Kraut, das Kraut gegen den Tod, das haben auch sie nicht. Aber dann, siehe da: die Todesfalle, die erbarmungslos zugeschnappt hat, sie ist offen, die Zwickmühle überwunden, der Stein weggerollt, das Grab leer. Der Tod selber sitzt jetzt in der Todesfalle, er ist in die Ecke getrieben. Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, so heißt es. Der Tod gräbt für jeden von uns die Grube, immer schon hat er das gemacht. Zwei Meter lang, zwei Meter tief. Aber jetzt ist er selbst in die Grube gefallen. In einem alten Osterhymnus heißt es: Tod und Leben die kämpften, ein wunderbarer Zweikampf. Der Anführer des Lebens, ist tot. Das sagt uns das Evangelium, das sagt uns dieses Lied: Jesus hat seinen Tod nicht gespielt. Dieser Kampf auf Leben und Tod, dieser letzte Streit hat nicht zu einem happy end geführt, wie in einem billigen Heimatroman von Rosamunde Pilcher oder sonst wem. Der Tod ist ihm nicht erspart geblieben. Und was für ein furchtbarer Tod! Aber dann heißt es weiter im Evangelium und in diesem Lied: Der Anführer des Lebens- tot und er lebt. Jesus ist nicht am Tod vorbeigegangen, sondern durch ihn hindurch und aus ihm heraus. Und hinein in ein neues Leben. Kein happy end, ein glückliches Ende, sondern ein glücklicher Anfang.

So eröffnet er uns eine neue Dimension, eine neue Blickrichtung. Unser Leben wird reicher und tiefer.

Wenn man sieht, was Menschen heute alles tun und alles ausgeben, um ihr Leben zu verlängern und zu verbreitern, dann könnte man sich doch auch einmal fragen: könnten wir nicht einen Bruchteil davon tun, um unser Leben zu vertiefen? Vielleicht gelingt es der Medizin mit Hilfe der Genforschung, dass irgendwann einmal das Durchschnittsalter bei 130 Jahren liegt. Trotzdem: ein verlängertes Leben ist nicht schon ein vertieftes Leben. Ein tiefes und reiches Leben hat nur der, der dem Tod nicht davonläuft, sondern auf ihn zugehen kann, wie der Anführer des Lebens es getan hat. Wir können uns zwar immer noch nicht um den Tod herumdrücken, leider, aber wir brauchen bei dieser traurigen Station nicht stehen zu bleiben. Durch den Tod hindurch zur Auferstehung. Das ist die Richtung, in die der Zug unseres Lebens nun fährt: vom Tod zur Auferstehung, und niemals mehr umgekehrt. Mag zwar manchmal und leider viel zu oft unser Leben einem Tunnel gleichen, dann gilt doch auch: im Tunnel ist nicht die Endstation. Der Hauptbahnhof des Lebens ist auf der anderen Seite, dort, wo das Licht ist. Wie ein himmlischer Bahnhofsvorstand schiebt Gott den Zug unseres Lebens auf andere Geleise. Und in der Auferstehung Jesu, da hat dieser Zug die

entscheidende Weiche passiert, auch wenn es vorerst noch so aussieht, als wenn es immer noch der Todesfalle entgegengeht: vor uns die Falle und hinter uns die Katze. Aber über uns der lebensspendende Gott. Deshalb singen wir ja auch in einem unserer frohen Osterlieder: Das ist der Tag, den Gott gemacht.

Es gibt Tage, die haben wir gemacht: Muttertag und Vatertag, Staatsfeiertag, 1. Mai, Faschingsdienstag, Valentinstag, Silvester. Aber den Ostersonntag, den hat Gott gemacht, und jeder Sonntag ist eine Erinnerung an diese Weichenstellung des lebendigen und Leben spendenden Gottes. Da soll man etwas davon merken, dass wir einen Lebenden verehren.

Gottesdienst ist nicht Mumiendienst, die Kirche keine Aufbahrungshalle, sondern ein Lebenshaus. Wir feiern den anwesenden und quicklebendigen Herrn. Immer wieder müssen wir uns auch heute die Frage des Engels gefallen lassen: Was sucht ihr den, der lebt, bei den Toten?

Wir behandeln Jesus oft wie eine Leiche: wir balsamieren ihn ein mit schönen Reden und beweihräuchern ihn mit unseren Gebeten. Wir bewahren ihm ein frommes Andenken, und meißeln die Eckdaten seines Lebens golden glänzend ein in Bücher und Gehirne. Im Übrigen aber muss das Leben weitergehen. Aber will das ein Lebender? Ein Lebender will nicht in erster Linie, dass man über ihn redet, sondern mit ihm, er will nicht dazu dienen, unser Leben ein bisschen feierlicher zu gestalten, will nicht als Aufputz herhalten, sondern er will sein Leben mit uns teilen, und wir sollen unser Leben mit ihm teilen. Freude und Leid. Angst und Trauer und Hoffnung. Und wenn wir an diesen lebendigen Herrn glauben, der auch jetzt in einer ganz neuen Dimension bei uns ist, dann müssen wir ihm auch etwas zutrauen, dann müssen wir ihn auch wie einen Lebenden handeln lassen. Dann brauchen wir nicht alles selber zu machen. Das kann sehr entlastend sein. Deshalb heißt es ja: Gott hat diesen Tag gemacht, der Freud in alle Welt gebracht. Er ist der, der handelt, auch heute noch. Auch wenn wir es nicht sehen oder verstehen. Manchmal vergessen wir das auch in der Kirche und suchen den, der lebt, bei den Toten, und verlassen uns auf Institutionen, Lehrsätze und festgefügte Strukturen, meinen, wir seien selber die Herren der Kirche, die alles retten müssen. Damals wie heute steht der Satz des Engels im Grab: Er ist nicht hier, nicht hier bei den Toten. Er geht euch voraus. Gott ist uns immer schon einen Schritt voraus. Er ist viel lebendiger als wir. Und er wartet darauf, dass wir mit ihm gehen, jetzt schon, in diesem Leben und erst recht jenseits der Todesfalle.

Frohe Ostern!!! - Pfr. Ernst Windbichler