Pfarre

Molzbichl

KARFREITAG

Karfreitagspredigt

Liebe Pfarrgemeinde und alle, die wir uns in diesen Tagen gegenseitig halten und stützen!

Die Leidensgeschichte nach Johannes steht im Mittelpunkt der Karfreitagsliturgie. Das letzte Abendmahl, Verrat, die nächtlichen Stunden des Gebetes am Ölberg. Wie er im Garten seinen Tod kommen sieht. Seine Freunde schlafen. Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?- fragt er. Oder heute: könnt ihr nicht eine Schweigeminute am Karfreitag um drei aushalten? Wo ihr doch am Beginn der Sommerzeit, murrend zwar, aber doch, auf eine ganze Stunde kostbaren Schlaf verzichtet? Könnt ihr nicht ein Eishockeyspiel verschieben? Könnt ihr nicht einen Abend lang auf die Disco verzichten? Heuer verzichten wir, wenn auch nicht freiwillig und wir merken: es lässt sich aushalten. Auch Er hat ausgehalten. Freiwillig.

Seine Freunde schlafen und hoffen, dass alles nur ein böser Traum war, wenn sie aufwachen. Aber nein:

Verhaftung, Verrat, Verleugnung, Angst, Feigheit, Mutlosigkeit, hektische Flucht, Verzweiflung. Nur er bewahrt die Ruhe. Selbst sein Schrei am Kreuz: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“, ist noch ein Glaubensbekenntnis. Sich von Gott verlassen glauben und dennoch zu ihm rufen und an ihm festhalten. Sein Schweigen aushalten. Die ewige Warum-Frage stellen und keine Antwort bekommen und doch die Antwort des Ostermorgens erhoffen.

In der Kirche wird nach der Passion das Kreuz nach vorne getragen, enthüllt und verehrt. Eine heilsame Demaskierung. Irgendwann werden auch wir wieder unsere Gesichtsmasken ablegen und einander befreit zulächeln können. Er ist nicht befreit, jetzt noch nicht. Leicht sind ihm die Nägel durch das Fleisch gefahren ohne nennenswerten Widerstand und haben sich im Holz verankert. Einen für die linke Hand, die vom Herzen kommt, einen für die rechte Hand, die zupacken kann, einen für beide Füße, die ihn durchs Leben tragen, hin zu den Kleinen. Drei Nägel nur. Die Römer waren sparsam, bei ihren Festen und Gebäuden nicht so sehr, aber bei Hinrichtungen schon. Zumindest, was den Materialaufwand betrifft, nicht bei der Anzahl der Opfer. Nun ist der angenagelt und festgenagelt, er, der allen die Freiheit verkündet hat, die Freiheit von ihrer Angst, die Freiheit sogar vom Tod. Der Anführer des Lebens, nun hängt er fest, nun ist er fixiert. Aufs Kreuz gelegt.

Und doch zeigt er gerade hier seine höchste Freiheit: dass er auch dann zu seinem Programm steht, wenn es auf solches Missverständnis, auf solche Ablehnung stößt. Kein Fluch, keine Verwünschung, kein Racheschwur verlässt seine Lippen. Eine Vergebungsbitte stattdessen.

Angenagelt mit Händen und Füßen, das heißt: was er sagt, hat Hand und Fuß, darauf lässt er sich festnageln, davon lässt er sich nicht abbringen. Mit Hand und Fuß, mit Haut und Haaren ist er da für uns, er lässt sich von seinen Menschen aufs Kreuz legen, das Kreuz, das ist im wahrsten Sinne des Wortes die Nagelprobe seiner Liebe. Der Lanzenstich des Soldaten zeigt uns, dass er schließlich auch sein Herzblut gibt. Auch im Tod die Arme ausgebreitet, als wollte er die Welt umarmen. An seinen Wundmalen werden sie ihn erkennen.

An seinen Wunden dürfen auch wir ihn erkennen, ihn ernstnehmen, und dürfen in diesem radikalen Eintreten für uns auch erkennen, welche Würde jeder Mensch hat, wie sehr wir uns selber schätzen und kostbar sein dürfen.

In herzlicher Verbundenheit und allen Segenswünschen

Pfr. Ernst Windbichler