Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Vom Tod zum Leben

Erfahrung bei einer Verabschiedung in der Karwoche

Ich komme gerade von einer Verabschiedung.

Es war alles anders als man das bisher gewohnt war. Keine Menschenmengen, keine Ansprachen, kein langer Trauerzug. Und doch wurde in dieser schlichten Feier sehr viel spürbar, was sonst oft nicht gefühlt wird, wenn die Welt scheinbar in Ordnung ist. Es waren nur Menschen anwesend, die eine sehr enge Beziehung zur Verstorbenen hatten. Das machte die Feier auch so besonders. Für mich war in dieser kurzen Zeit die Hoffnung auf die Auferstehung sehr präsent und ich denke, auch für die Trauerfamilie. Es war eine unglaublich friedliche Stimmung. Die Zeremonie fand am Platz vor dem Haus statt. Im Nachbarhaus brannten Kerzen in den Fenstern – man nahm Anteil, obwohl man nicht dabei sein durfte. Ich empfand es als sehr berührend, mit diesem Gefühl der Ohnmacht einerseits und der kräftigen Hoffnung und Lebensgewissheit andererseits den zweiten Tag der Karwoche zu erleben. Ein Leben ist zu Ende gegangen – nicht an Covid19 – ein erfülltes Leben, das wohl die vielfältigsten Situationen gekannt hat – satt an Jahren. Sehr deutlich war die Dankbarkeit der Menschen zu spüren, die sie der Verstorbenen entgegenbrachten. Es schien für mich aber kein Monolog der Trauernden, sondern vielmehr schien die Verstorbene – wissend - zu sagen:

„Es wird wieder gut!“

Es wird wieder gut! Wie sehr brauchen wir dieses Wort in ungewissen Zeiten! Gut ist etwas dann, wenn es heil ist. Wie man in der Trauer das Loslassen lernen muss, so bedeutet es auch in schwierigen Zeiten, das eigene Leben zu überdenken und manches loszulassen, was uns daran hindert, heil zu sein. Die eigene Unzufriedenheit verhindert oft unsere Dankbarkeit und damit das Glück des Heilseins, das wir empfinden können.

Das seelische Heilen ist vielfach ein Prozess, der schmerzhaft ist, weil er in die Tiefe geht und das Reduziertsein auf sich selbst braucht. Das erleben wir derzeit unfreiwillig. Bei allen Problemen, die der Shutdown mit sich bringt, die keinesfalls zu leugnen sind, steht aber auch der Aspekt des Zeithabens. Heilung braucht Zeit – vor allem für sich selbst. Mit sich selbst ins Reine zu kommen setzt ein hohes Maß an Selbstkritik voraus und auch die Bereitschaft, aus der Erfahrung der Selbsterkenntnis zu lernen. Das wurde mir heute bei dieser Totenfeier bewusst.

Satt ist das Leben dann, wenn wir aus der Summe unserer Erfahrungen für unser Reifwerden gelernt haben. Vielleicht ist heute ein guter Tag, um solche Erfahrungen zu sammeln.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten zweiten Tag der Karwoche.

Herzlich, Ihr

P. Gerfried Sitar