Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Mutig auf der Suche nach dem verlorenen Paradies

Gedanken zum 33. Sonntag im Jahreskreis von Dechant P. Gerfried Sitar

Ein Sprichwort mit unbekanntem Ursprung proklamiert:

Für das Maß seiner Begabung ist der Mensch nicht verantwortlich, wohl aber dafür, wie er die ihm verliehenen Gaben ausnützt.

Jeder Erdenbürger hat Talente erhalten. Manche machen wenig bis gar nichts daraus, weil ihnen einfach die Möglichkeiten dazu fehlten oder diese Talente nicht rechtzeitig erkannt und gefördert wurden. Oft hindern die Angst vor der eigenen Courage oder das mangelnde Selbstbewusstsein daran, dass wir unsere Talente verwirklichen und kontinuierlich daran arbeiten. Mitunter sind es allerdings auch die Bequemlichkeit und eine nicht bewältigte Faulheit, die uns davon abhalten, die Komfortzonen des Lebens zu verlassen und Neues zu beginnen.

Allein ein Talent zu haben genügt nicht, oft bedarf es großer Anstrengung, dieses Talent auszubauen und zu verfeinern.

Nicht selten fällt es auch schwer, sich bei der Vielfältigkeit an Talenten zu konzentrieren und Prioritäten zu setzen. Das bedeutet einen Ausbruch aus der Mittelmäßigkeit in die Individualität und in das aktive Gestalten.

Es kommt natürlich auch oft vor, dass es Rückschläge im Leben gibt, die den Enthusiasmus empfindlich dämpfen und uns zurück an den Start werfen - Pläne scheitern, Lebenswege werden durchkreuzt. Es gibt allerdings genügend Beispiele, wo es viele neue Versuche brauchte, bis ein Talent den Durchbruch schaffte und Außerordentliches möglich wurde. Das Manuskript von J. K. Rowling, der Autorin von „Harry Potter“, wurde neun Mal von Verlagen als unbrauchbar abgelehnt, bis es schließlich zu einem Millionenerfolg wurde. Ich kenne Menschen, die unglaubliche Talente haben, denen aber von ihrer Umwelt immer wieder suggeriert wurde, dass sie nichts taugen und zu nichts fähig sind. Sie haben ihre Talente schließlich vergraben und resigniert.

Genügend Fähigkeiten wurden und werden allerdings auch gegen ihre Bestimmung eingesetzt, nicht zum Nutzen der Gesellschaft, sondern zu ihrem Schaden. Die Zusammenschau all dieser Möglichkeiten scheint uns ab und zu ratlos zu machen angesichts der Frage, wie wir unsere eigenen Stärken bewusst und gut einsetzen können. Manche genügen wohl sich selbst und das bleibt ein Leben lang so. Oder sie schielen mit Neid auf andere, die etwas geschafft haben und versuchen es erst gar nicht, weil sie Angst vor dem Scheitern oder dem Ungewissen haben.

Es gibt allerdings auch bewundernswerte Menschen, die ihre Fähigkeiten erkennen und diese auch der Verbesserung der Menschheit zur Verfügung zu stellen. Gerade in Zeiten der Pandemie erfahren wir, wie wertvoll das Engagement Einzelner ist, damit Gemeinschaft lebendig bleibt und wie sehr es fehlt, wenn die Möglichkeiten einer Entfaltung nicht gegeben sind. Talent erfordert immer auch ein gutes Quäntchen an Kreativität.

So fordert uns diese Zeit, weil es gilt, neue Kanäle zu finden, um unseren Fähigkeiten eine Plattform des Verwirklichens zu bieten. Das ist allerdings auch das Spannende daran, denn durch vielseitige Kreativität wird oft erst deutlich, was wirklich möglich ist.

Jammern ist der Feind aller Talente! Das ist doch eine Herausforderung für uns alle, unsere Talente nicht zu vergraben, sondern ihnen neuen Raum zu schaffen, um nicht am Ende unserer Tage ein Schlachtfeld der Resignation zu hinterlassen, sondern einen blühenden Garten, der die Suche nach dem verlorenen Paradies glücken ließ.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Auseinandersetzung mit Ihren Talenten und Fähigkeiten!

Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar