Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Der “Querulant” des Herrn!

Gedanken zum 2. Adventsonntag von Dechant P. Gerfried Sitar

Da stand er nun in der Wüste: Johannes – genannt der Täufer.

Heute würde man sich wohl sehr abfällig über ihn äußern. Ein Aussteiger! Ein Spinner! Ein Querulant! Ob er in unserer Kirche wohl salonfähig wäre? Ich bin mir sicher, dass man über ihn die Nase rümpfen würde und ihn vermutlich gar nicht anhören, sondern sogar ausstoßen würde.

Damals wurde er gehört und wahrgenommen, als einer, der zweifelsohne unbequem war und die Missstände anprangerte. Im Unterschied zu manchen, die heute auf Defizite oder vermeintliche Missstände der Gesellschaft aufmerksam machen, war Johannes integer und setze sich selbst nicht in Szene. Er trat hinter den zurück, auf den er hinzuweisen versuchte.

Johannes hatte etwas, das man heute wohl so nicht mehr kennt: Demut.

Das ist es schließlich auch, was ihn authentisch macht. Ihm ging es um die Sache! Ich bin überzeugt, dass wir gerade in dieser Hinsicht viel vom Rufer in der Wüste lernen können. Johannes schwamm nicht mit dem Strom, sondern eckte an und das, ohne auf seinen eigenen Vorteil bedacht zu sein. Er wollte kein Religionsgründer werden und kein Guru, dem die Menschen zu Tausenden nachliefen, sondern er wollte zum Nachdenken ermuntern. Das hat er auch geschafft! Viele begannen, das eigene Leben zu reflektieren und merkten, dass manche Entwicklung dem Mensch-Sein, im richtigen Sinne des Wortes, schadete. Mensch zu werden ist das Geheimnis von Weihnachten.

Oft stellen wir erschreckt fest, dass uns Entscheidendes zum Menschwerden fehlt: das richtige Maß, die Liebe zu den anderen, Bescheidenheit und Authentizität, die Gabe, richtig zuzuhören, die Großzügigkeit dem Schwachen gegenüber, ehrliche Selbstkritik …. Jeder von uns könnte sich von Johannes angesprochen fühlen, wenn er auf ihn hören würde. Insofern ist der Täufer aktueller denn je. Wir leben heute in einer Blase, die dem viel gelebten Campanilismus gleicht. Wir sind wir und das ist entscheidend. Der wohlwollende Blick auf den anderen spielt eine untergeordnete Rolle. Menschwerdung schließt allerdings nicht aus, sondern hat immer das Ganze im Blick. Das fällt uns nicht selten deshalb sehr schwer, weil wir in einer Selbstverliebtheit schwelgen, die durch den omnipräsenten Idealblick auf Reich und Schön legitimiert wird. Umberto Eco hat in seiner Geschichte der Schönheit die vielfältigen Formen des Schönen aufgezeigt und kam zu dem Schluss, dass die Schönheit nicht dogmatisiert werden kann. Wenn Schön und Gut miteinander verbunden werden, dann ist es das, was Johannes meinte. Wer sich selbst kritisch beleuchtet, schafft auch eine von Vorurteilen befreite Begegnung mit anderen – der erste Schritt zum Mensch-Werden. Laotse hat es sehr bezeichnend ausgedrückt:

Als du zur Welt kamst, hast du geweint und alle um dich herum lachten. Lebe so, dass, wenn du diese Welt wieder verlässt, alle um dich herum weinen und nur du allein lächelst.

Ich wünsche Euch allen ein lächelndes Hingehen auf das Fest der Menschwerdung.

Herzlich, Euer P. Gerfried Sitar