Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Aufbruch mit Hiob!

Erster Tag der Karwoche. Gedanken von Dechant Dr. Gerfried Sitar

Gott, weshalb lässt du das zu?

Solche oder ähnliche Fragen werden sich wohl dieser Tage in den unzähligen Gebeten der Gläubigen an Gott richten. Dabei schwingen Verbitterung, Angst, Wut, Enttäuschung und vielleicht auch Resignation mit. Wo ist dieser Gott, der es ja angeblich so gut mit uns meint?!

Das alttestamentliche Buch Hiob schildert den Dialog zwischen Gott und dem Teufel, bei dem es um die Person des Hiob geht. Hiob ist ein gerechter Mensch, der dem Guten zugewandt ist und sein ganzes Leben danach ausrichtet. Er dankt Gott täglich für sein schönes Leben. Der Teufel zweifelt an der Loyalität Hiobs Gott gegenüber, wenn sein Leben etwa nicht glücklich verlaufen würde und er mit gewaltigen Schicksalsschlägen konfrontiert wäre. Gott willigt ein, Hiob auf die Probe zu stellen. Jegliches Unglück, das man sich vorstellen kann, trifft Hiob: Er verliert Menschen, die er liebt, sein Besitz wird zerschlagen, am Ende schwindet die Gesundheit. Eine Hiobsbotschaft (deshalb nennen wir schlechte Nachrichten auch heute noch so) folgt der anderen.

Der Gedanke des „Tun – Ergehen“ spielt für uns in der momentanen Situation auch eine große Rolle.

Immer wieder hört man, auch von Theologen, Gott straft nun die Menschheit für die Ausbeutung der Natur, für die Profitgier und für die Gleichgültigkeit. Hiob aber ist das beste Beispiel dafür, dass es nicht so ist. Er, ein guter Mensch, muss all das erleiden, was er „eigentlich nicht verdient“ hat. Dass Hiob in dieser Situation auch mit Gott zu hadern beginnt, ist nicht zu verdenken und macht das Buch für den realen Alltag so wertvoll. Es zeigt, dass Gottesbeziehung nicht immer klar und „lieb“ ist. Es reibt sich mitunter. Und das ganz ordentlich. Hiob erfährt Gott als einen, der massiv in sein Leben eingreift, er fühlt sich fallen gelassen, einsam, ungerecht behandelt. Hiob fühlt sich unsagbar elend. Was ist das für ein „verdammter Gott“? Hiob tobt innerlich, er ist an der Belastungsgrenze. Er betet trotzdem. Er lässt das „Gespräch“ mit Gott nicht abreißen, obwohl er Gott in seinem ganzen Elend nicht mehr spüren kann. Sein Gebet wird zwischendurch zur massiven Anklage: Warum Gott, tust du mir das an? Auch seine Freunde, die zunächst nur schweigend bei ihm ausharren, helfen Hiob nicht weiter. Sie bringen unterschiedliche Gründe vor, weshalb Hiob das alles erleiden muss und mutmaßen über Schlechtes, das er getan haben muss, um einen solchen Fall erleiden zu müssen. Die gesamte Situation kommt uns sehr bekannt vor. Wir erleben solche Momente auch in der Gegenwart nahezu täglich. Hiob macht Erfahrungen mit Gott, die auch uns nicht erspart bleiben. Der vielfach zitierte „liebe Gott“ wird als einer erlebt, der scheinbar nicht liebend ist, sich feindlich gegen mich stellt, Dinge zulässt, die mein Leben über den Haufen werfen. Hiob stellt die Ordnung der Schöpfung in Frage und wirft Gott vor, Chaos angerichtet zu haben. Der „Streit“ mit Gott wird legitim durch das Buch Hiob und darf auch für uns Glaubende des 21. Jahrhunderts möglich sein. Hiob ist außer sich. Er stellt Gottes Allmacht in Zweifel. Gott macht Fehler! Das Gebet Hiobs ist ein Monolog. So empfinden wir in düsteren Tagen unser Beten auch oft – als eine Einbahnstraße. Da kommt nichts zurück – scheinbar – weil wir Gott nicht spüren können, uns gänzlich allein gelassen fühlen.

Aber das Buch Hiob kennt auch die Wende. Hiob fügt sich schließlich in sein Schicksal. Wider Erwarten verflucht Hiob Gott nicht mehr, sondern nimmt die Plagen an:

Der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen! Der Name des Herrn sei gepriesen!

Am Ende des Buches wird geschildert, wie Hiob alles, was er verloren hatte, um ein Vielfaches zurückbekommt und sich noch lange daran erfreuen kann.

Wir lieben Geschichten mit Happy End. Unsere Geschichte mit Gott hat ein solches, auch wenn es Momente gibt, wo wir daran nicht mehr glauben können. Gott war bei Hiob, auch wenn er das nicht spüren konnte. Gott hat Hiob seine Huld nie entzogen, auch in den Augenblicken nicht, wo sich Hiob gegen ihn auflehnte – und selbst wenn wir als Leser das vielleicht nicht so klar sehen …. Gott hat Hiob getragen.

Ich wünsche uns allen, dass ER uns in diese Woche trägt und uns Mut macht, an ein kraftvolles Ostern zu glauben.

Herzlich, Ihr

P. Gerfried Sitar