Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

365 Tage Herausforderungen

Gedanken zum Jahreswechsel von Dechant P. Gerfried Sitar

Wenn ein Pessimist nach Herausforderungen gefragt wird, sieht er diese als schier unbewältigbare Probleme. Der Optimist im Gegensatz ortet in jedem Problem eine spannende Herausforderung.

Wenn wir unsere Gesellschaft betrachten, so haben wir zur Zeit einige Probleme, die es zu bewältigen gilt, gleichzeitig sind es Herausforderungen, denen wir uns mit viel Kreativität und Empathie stellen dürfen. Herausforderungen schaffen Neues und Veränderung und verhindern, dass wir stehen bleiben und uns nicht mehr entwickeln. Der Jahreswechsel ist mit vielen Prognosen verbunden und alle Jahre wieder werden sogenannte „Propheten“ und „Seher“ strapaziert, um eine Richtung aufzuzeigen. Über Jahre habe ich mich sehr intensiv mit Nostradamus beschäftigt und wundere mich immer wieder darüber, wie in seine Dekaden Jahreszahlen und genaue Ereignisse interpretiert werden.

Für mich sind diese „Weissagungen“ Mahnungen an die Menschen zum achtsamen Umgang miteinander und mit der Schöpfung. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Panikmache zum Jahreswechsel schafft bei den Menschen große Unsicherheit und vereitelt das positive Herangehen an ein Jahr mit 365 Chancen, das Leben gut zu gestalten. Selbst schwierige Zeiten sind letztlich gute Zeiten, weil sie dem Menschen wieder mehr den Blick für das schärfen, was wirklich Bedeutung hat. Uralt wie die Menschheit selbst ist die Frage nach dem Glück. Glück, das man sich zum Jahreswechsel mit verschiedensten Glücksbringern wünscht, ist nicht erwerbbar. Es hat eher mit einer tiefen Dankbarkeit zu tun.

Wo der Mensch dankbar ist, wird er zufrieden werden und wo er zufrieden ist, da wird er schließlich das empfinden, was man als Glück bezeichnet.

Dieses Glücklichsein ist oft durch Kleinigkeiten bedingt, für die wir wieder den richtigen Sensus brauchen. Die Suche nach dem Glück ist zum Scheitern verurteilt, wo sie krampfhaft und in grenzenlosem Egoismus geschieht – oder gar durch vermeintliche Glücksbilder manipuliert wird. Glück hat immer mit Gemeinschaft zu tun. Johann Wolfgang von Goethe meinte zum glücklichen Augenblick: Verweile doch, du bist so schön! Genauso hat Petrus für den strahlenden Moment der Verklärung des Herrn nur stammelnde und hilflose Worte: Ich werde Hütten bauen. Das Verbleiben in solchen Glücksmomenten und ihr Festhalten ist allerdings unmöglich, da das Leben fließt. Diese Bewegung sollte uns nicht mit Angst erfüllen, weil gerade in ihr auch die Chance auf Stabilität liegt. Sie schafft die Möglichkeit zur Veränderung, die uns zur Reife führt. Wenn man nach dem Sinn des Lebens gefragt wird, gestaltet sich eine Antwort nicht einfach und wird vermutlich so vielfältig ausfallen, so vielfältig die Menschheit ist. Reif zu werden mag eine der Antworten sein … reif an Erfahrung, an Lebensweisheit, reif an Begegnungen und schließlich auch an Erlebnissen mit Gott. Viele haben aufgehört, von diesen Erlebnissen zu erzählen, weil sie sich zu sehr von düsteren Prognosen leiten lassen. Gott begegnet uns gerade in unsicheren Momenten, vielleicht auch zum Jahreswechsel, wo uns ein gewisses Unbehagen befällt.

Die Leere schafft Raum, um Neues annehmen zu können und dieses zu füllen.

Es ist an uns, Gott zuzulassen und im Gehen mit ihm Glück zu finden. Vielleicht ist das Leben die Suche nach dem verlorenen Paradies, die den Menschen oft unruhig und unzufrieden werden lässt, aber am Ende der Suche steht das Finden. Freuen wir uns also auf 2021, ein Jahr der Herausforderungen und der unzähligen Möglichkeiten, unser Leben zu bereichern und ihm neue Erfahrungen hinzuzufügen. Die Summe dieser Erfahrungen ist am Ende unserer Tage der Grad der Reifung und – davon bin ich überzeugt – auch der Schlüssel zur Zufriedenheit und zum Glück. Wenn wir uns ganz auf das Leben einlassen, dann dürfen wir überall hinter die Fassaden blicken, um zu verstehen – sehend werden, hörend, riechend, schmeckend, fühlend …. glücklich!

Ich wünsche euch allen ein gesegnetes und an Herausforderungen reiches Neues Jahr 2021. Erzählen wir einander vielleicht auch öfter, wo uns Gott begegnet und wie wir ihn erfahren dürfen … das ist ein guter Anfang für einen hoffnungsvollen Blick auf 365 neue Tage.

Herzlich, Euer P. Gerfried Sitar