Menschen hinter unseren Projekten

Carla und ihre Gastmutter

In der Mittelpunktschule von Tentaguazu werden 125 Kinder und Jugendliche unterrichtet. 49 von ihnen kommen aus den umliegenden, zum Teil sehr kleinen Gemeinden, in denen es keine oder eine nur die ersten Schuljahre umfassende Schule gibt. In diese Dörfer kommt kein Schulbus. Der Schulweg nach Tentaguazu ist zu Fuß bis zu mehrere Stunden lang und das in der meistens glühenden Hitze der Chaco-Region im Tiefland Boliviens. Das würden viele Kinder nicht lange durchhalten und den Schulbesuch über kurz oder lang abbrechen. Um das zu vermeiden, nehmen Gastmütter in Tentaguazu diese Schüler von Montag bis Freitag in ihren Familien auf. So muss der beschwerliche Schulweg nur einmal pro Woche zurückgelegt werden: Sonntag Nachmittags zur Gastmutter nach Tentaguazu, Freitag Nachmittag zurück zu den Eltern in der Heimatgemeinde.

Carla Arena ist ein aufgewecktes Mädchen und eine der Gastschülerinnen. Die 10jährige lebt mit ihren Eltern und ihren zwei Brüdern in der kleinen Gemeinde Cañoncito am Ufer des mächtigen Pilcomayo-Flusses, eine gute Fußstunde von Tentaguazu entfernt. Cañoncito ist zu klein, um eine eigene Schule zu haben.

Lange Zeit musste Carla über eine Stunde nach Tentaguazu laufen, wenn sie am Schulunterricht teilnehmen wollte. Der gefährlichste Teil ihres Schulweges ist die Überquerung des Flusses mit dem Kanu der Familie. In der Regenzeit, wenn der Fluss mächtig anschwillt und noch reißender ist als gewöhnlich, geht das gar nicht, und der Unterricht fiel für Carla einfach aus.

Seit einem Jahr jedoch nimmt Carla am Programm „Schülerpension in Gastfamilien der Guaraní“ teil. Wochentags wohnt sie nun bei ihrer Gastmutter Pastora Camacho in Tentaguazu, die für sie kocht und sich liebevoll darum kümmert, dass Carla jeden Tag pünktlich und gepflegt zur Schule geht.

Carla geht es gut bei ihrer Gastmutter Pastora, denn sie geht herzlich mit ihren kleinen Gästen um und das Essen bei ihr schmeckt – nicht nur, wenn es Carlas Lieblingsgericht Bratfisch gibt. Das Mädchen ist froh über diese Möglichkeit, weil sie nun täglich zur Schule gehen kann, sich nicht mehr jeden Tag auf den gefährlichen Heimweg machen muss und in den Pausen und nachmittags nach den Hausaufgaben mit ihren KlassenkameradInnen spielen kann.

Pastoras Haus liegt ganz in der Nähe der Mittelpunktschule von Tentaguazu liegt. Hier wohnt sie mit ihren fünf Kindern und ihrem Mann Raúl Méndez, der seine Familie – wie die meisten hier – vor allem mit dem Fischfang aus dem Pilcomayo-Strom über Wasser hält.

Schon früher hatte Pastora öfters einmal Kinder aus den umliegenden Gemeinden bei sich aufgenommen, damit sie in Tentaguazu die Schule besuchen können. Seit diesem Jahr nimmt sie offiziell am Programm „Schülerpension in Gastfamilien“ teil, in dem sie nun vier Kinder betreut. Pastoras Haus ist – wie alle hier – sehr einfach. Im vergangenen Jahr konnte sie aber mit Hilfe des Programms die Schlafräume und das Bad verbessern, so dass es nun den Mindestanforderungen des Programms entspricht.

Beim Besuch in ihrem Heim ist der liebevolle Umgang spürbar, der zwischen ihr und ihren Gastschülerinnen gepflegt wird. Pastora kocht für die vier Kinder und sorgt sich darum, dass sie jeden Schultag pünktlich zum Unterricht erscheinen. „Es sind sehr brave Kinder und mein Essen schmeckt ihnen“, freut sich Pastora.

Bei den Schulaufgaben kann Pastora den Kindern nicht helfen, denn sie selbst kann weder lesen noch schreiben. Dafür bietet das Programm Förderunterricht am Nachmittag an.

Das Schönste sind für Pastora die Stunden nachmittags, die sie zusammen mit ihren kleinen Gästen verbringen kann. Manchmal greift sie dabei zu den gefärbten Palmfasern, aus denen sie sehr hübsche Körbe zu flechten weiß und freut sich, den Kindern zeigen zu können, wie man diese alte Handwerkskunst der Frauen in Tentaguazu meistert.