Auf-und Umbruch in Nahen Osten

Herbsttagung AHS/BMHS am 8./9. November 2016 in St.Georgen/Längsee

Dr.Gudrun Harrer (© Foto: kphe)
Dr.Gudrun Harrer (© Foto: kphe)

Am 08./09.11.2016 fand im Bildungshaus St. Georgen a. Längsee unter guter Beteiligung die traditionelle Herbsttagung der ReligionsprofessorInnen statt.

Den Vorabend gestalteten Emir Memić und der Hauptimam Prof. Hasudin Atanović vom bosniakischen Kulturverein zum spannenden Thema „Der Islam: Bedrohung oder Chance für Europa“.

Am 09.11. referierte die Nahostexpertin Dr. Gudrun Harrach zu o.g. Thema.

Harrach, Lehrbeauftragte am Institut für Orientalistik der UNI Wien und leitende außenpolitische Redakteurin beim "Standard" entfaltete mit hoher Kompetenz und in freier Rede in drei Referaten (Von Al-Kaida zum "Islamischen Staat", Der Arabische Frühling und der drohende Staatenzerfall, Die Kriege in Syrien - Ausblicke auf eine Lösung) die aktuelle und so brisante Thematik über den Auf- und Umbruch im Nahen Osten. Dabei ging es ihr beim Ausleuchten der historischen Entwicklungen der Regionen und islamistischen Religionen und der zeitgenössischen Analyse um eine möglichst ausgewogene Beurteilung der Ereignisse.

Vieles wurde nach Meinung von Dr. Harrer in den Medien und politischen Analysen seit dem Arabischen Frühling 2011 nur oberflächlich und tlw. einseitig wahrgenommen. Nicht nur ein Krieg, sondern mehrere Kriege erschüttern seit damals die Region des Nahen Ostens. Kämpfe fänden auch innerhalb der Systeme und religiöser Gemeinschaften wie der Sunniten statt. Republikanischer Islam wendet sich gegen gegen den monarchistischen, der schiitische Iran gegen das sunnitische Saudiarabien, die am Arabischen Frühling und den damit zusammenhängenden Umstürzen beteilgten Muslimbrüder stehen in Konflikt mit den Salafisten. Einen Vergleich der Verwobenheit von politischen und religiösen Interessen und Auseinandersetzungen kann der 30 jährige Kriege (1618-48) als Konflikt der Katholiken mit den Protestanten bieten. Die Gründung des Staates Israel und die dem Sechstagekrieg (1967) folgende Gebietsaufteilung sowie die Wahrnehung von Machtinteressen Rußlands in diese Region sorgten für zusätzlichen und nachhaltigen Zündstoff. Das seit 1945 bestehende Bündnis gegen den Kommunismus von USA und Saudiarabien wurde durch den Terrorakt am 11.09.2001 sehr erschüttert, das die Haupttäter aus Saudiarabien stammten. Der problematische Einmarsch der Amerikaner im Irak mit der nachfolgenden Stürzung des Diktators Saddam Hussein 2003 gab radikalen Untergrundkräften Auftrieb. Ein palästinensicher Jordanier gründete 2004 im Irak die erste Al-Kaida-Bewegung, die dann bei der Befreiung von der russischen Besatzung durch die Amerikaner in Afganistan mitwirkte.  In all den Kämpfen und Aufständen des Nahen Ostens spielte die islamische Religion, die fundamentalistisch missbraucht wurde, als einigendes Band und tiefenwirksame Persönlichkeitsformung eine wichtige Rolle. Religionsfreiheiten, wie dies säkulare Staaten gewähren, konnte daher nicht geduldet werden. Ansätze von Hoffnung für eine bessere und humanere Zukunft für den Nahen Osten gibt es durch Dialoge und Begegnungen von Christen und Moslems und auch den Juden. Hier wäre als ein Vertreter dieser Bemühungen der iranstämmige syrische Moslem Navid Kermani zu nennen, der dazu eine bedeutsame Rede in der Frankfurter St. Pauls-Kirche anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels gehalten hat.

Etliche Anfragen der TeilnehmerInnen an die Referentin und der hohe Grad an nachmittäglicher Präsenz zeigten sowohl die Betroffenheit und das Informationsbedürfnis zu dieser brisanten Thematik auf als auch die große Akzeptanz der Referentin, die mit einem lang anhaltenden Applaus am Ender der Tagung bedacht wurde.

                                                                                     Ludwig Trojan