Organisation

Katholisches Familienwerk

Zu fünft in Isolation

Zurück in die "vermeintliche" Normalität

Jetzt sind es bereits mehr als acht Wochen, in der wir mittlerweile mit Wehmut an unser gewohntes, normales Leben zurückdenken. Ein Leben, in dem ich meinem Gegenüber bei der Begrüßung die Hand als Zeichen der gegenseitigen Achtung gab. Wo ich Freunde auch einmal umarmte. Diese Zeiten sind vorerst einmal vorbei.
Die Schule begann erst letzte Woche. Aber unserem Jüngsten haben wir es ermöglicht, dass er schon seit zwei Wochen in den Kindergarten gehen darf. Weil er es selbst beharrlich gefordert hat und wir gemerkt haben, er braucht den Kontakt zu Gleichaltrigen, zu seinen Freunden.

Im Kindergarten müssen wir jetzt den Hintereingang verwenden, einen Mund-Nasen-Schutz tragen und werden beim Eingang ebenfalls von einer Mund-Nasen-Schutz tragenden Person empfangen. Bei der Begrüßung wird jetzt statt der Hand, der Fuß entgegengestreckt und als neues Begrüßungsritual etabliert. Ich habe meinen Sohn beobachtet und er reagiert abwartend, überlegt wie er diese Situation einordnen soll. Er weiß, dass er sich nicht mehr so frei und unbeschwert verhalten darf wie früher. Man merkt es ihm an. Und ich frage mich, welche Spuren wird diese Zeit bei unseren Jüngsten hinterlassen?

Eine Zeit in der sie lange ihre Freunde nicht sehen durften, die Groß- und Urgroßeltern nicht besuchen und falls doch, wie vor zwei Wochen, ihnen nicht zu nahe kommen. Wie lange wird das so weiter gehen? Meine 91-jährige Oma und Uroma unseres Jüngsten meinte unlängst: „Es ist jetzt schlimmer als damals im Krieg!“ Auf Nachfrage was sie damit meine, erläuterte sie: „Damals durften die Kinder wenigsten ihre Eltern und Großeltern sehen.“

Oder als wir einmal einen Familien-Radausflug machten und ein fremdes jüngeres Mädchen kam spontan auf unseren 3-jährigen zu und wollte mit ihm ihr Essen teilen. Er blieb wie angewurzelt stehen und war gehemmt, weil er eigentlich einen Impuls unterdrücken musste. Die Mutter führte das Mädchen aus aktuellem Anlass wieder in eine andere Richtung, weg von uns, um diesen Kontakt aus Sicherheitsgründen zu verhindern. Als sie weg waren, sagte unser Sohn in gedämpfter Stimme, so als dürften es andere nicht hören: „Die darf mir ja eigentlich nichts zu essen geben, es ist ja Corona!“ Das sagte derselbe Junge, der noch am Anfang dieses Ausnahmezustands meinte: „Schön dass wir Corona haben, jetzt sind wir alle zu Hause!“

Ich tue mir schwer damit, die Situation vernünftig zu bewerten. Weil ich weder Panik verbreiten möchte, im Sinne von: „Wir werden alle sterben!“ – noch möchte ich den Virus zu sehr verharmlosen. Und wie bei den allermeisten Themen wird wohl auch hier der Mittelweg unter Verwendung des Hausverstandes ein geeigneter sein. Eine Frage lässt mich aber trotzdem nicht los: Wie gehen wir damit um, wenn meine Oma inzwischen sterben sollte und sie aufgrund einer bestimmten Wahrscheinlichkeit sich mit dem Covid-19-Virus zu infizieren, eventuell für den Rest ihres Lebens darauf verzichten musste, ihre Enkel- und Urenkelkinder in die Arme zu nehmen?

Letztendlich muss jeder für sich selbst abwägen und entscheiden, wie mit dem gegebenen Risiko um zu gehen ist. Auf jeden Fall sollten wir es aber nicht versäumen menschlich zu bleiben.