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Katholisches Familienwerk

Die “christliche” Festung Europa

Diözesanreferent Wolfgang Unterlercher über den bedenklichen Zerfall Europas in Ego-Nationalstaaten

Mag. Wolfgang Unterlercher - Diözesanreferent des Katholischen Familienwerkes (Foto: KH Kronawetter/ Internetredaktion)
Mag. Wolfgang Unterlercher - Diözesanreferent des Katholischen Familienwerkes (Foto: KH Kronawetter/ Internetredaktion)

Was ist eigentlich aus Dänemark geworden, das einmal für seine Toleranz und Offenheit bekannt war? Die rechtspopulistische Regierung verwandelt es langsam in ein düsteres Land, trotz langer Mittsommernächte. Ähnliches passiert in Polen, das schon bedenklich an einer Diktatur vorbeischrammt, in Ungarn, Slowenien, Italien, Schweden und vielen anderen Ländern Europas. Auch Österreich ist, mit etwas langsameren Schritten, auf dem Weg zu einem nationalistisch geprägten Staat.

Kleine Zeitung<br />
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Kleine Zeitung
 

Die Verteidigung Europas hat in vollen Zügen eingesetzt und dagegen ist kaum etwas einzuwenden. Wenn, ja wenn sie wirklich ehrlich wäre. Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebt der Kontinent eine Erfolgsgeschichte, die einzigartig ist, auch wegen eines gefühlten immerwährenden Friedens. Die Flüchtlingskrise hat jedoch alles verändert und dazu geführt, dass viele der Annehmlichkeiten und Errungenschaften schrittweise wieder rückgängig gemacht werden. Entstehen wird schlussendlich eine Festung mit einem unerträglichen Ego-Nationalismus, in dem jeder Staat sich selber näher ist als dem anderen. Wirklich bedenklich ist aber der Umstand, dass mit dem Hinweis auf die Verteidigung unseres christlichen Abendlandes praktisch alle christlichen Werte über die Festungsmauern geworfen werden. Da wird das schreckliche Sterben im Mittelmeer ausgeblendet, da wird kein Unterschied mehr zwischen den Motiven flüchtender Menschen gemacht. Europa muss so unattraktiv wie möglich werden und es wird sein Ziel auch erreichen. Leider aber auch für die Menschen, die hier leben. Denn wenn unter dem Deckmantel der Flüchtlingskrise und der relativen Armut im eigenen Land ständig Hass geschürt wird, Sozialleistungen heruntergeschraubt und demokratische Werte in unfassbarer Weise ausgehöhlt werden, dann werden unsere Kinder ein offenes Europa nur noch vom Hörensagen kennen. Dann wird die Festung Europa zwar noch eine Zeitlang ihren Wohlstand verteidigen können, nicht aber, was den Kontinent jahrzehntelang ausgemacht hat: Kultur und Offenheit. Darin zu leben wird für unsere Nachkommen nicht mehr so angenehm sein, denn es ist dann kein christlicher Kontinent mehr, sondern ein Sammelsurium nationalistischer Staaten mit einem Minimum an Freiheit für den einzelnen Menschen.

 

Mag. Wolfgang Unterlercher ist Leiter des Katholischen Familienwerks Kärnten

(Erschienen als Aussensicht in der "Kleinen Zeitung" vom 17.9.2018)