Organisation

Katholischer Akademikerverband

Kapellen als Orte der Orientierung, Begegnung und Meditation

Kulturreise des Katholischen Akademikerverbandes zur Architekturbiennale 2018 nach Venedig

Abwechselnd mit bildender Kunst werden bei der Biennale di Venezia alle zwei Jahre Architekturentwürfe präsentiert. Da in diesem Jahr erstmals auch der Vatikan - genauerhin „Der Heilige Stuhl“ - mit einem eigenen Beitrag vertreten war und damit großes und positives Medienecho hervor rief, fuhr eine kunstinteressierte Gruppe des Katholischen Akademikerverbandes (KAV) kürzlich in die Lagunenstadt, um die „Vatican Chapels“ auf der beschaulichen Insel San Giorgio Maggiore in Augenschein zu nehmen.

Mit dem Linienschiff durch den Guidecca-Kanal, vorbei an der Motoryacht Carinthia VII, einem großen skandinavischen Kreuzfahrtsschiff und an der beeindruckenden Fassade der Rendentore-Kirche (Chiesa del Santissimo Redentore) steuerte die Gruppe zielstrebig die Insel San Giorgio bzw. die gleichnamige Kirche an. Dieser prachtvolle Bau des Renaissance-Architekten Andrea Palladio überragt die Gebäude des bereits von Napoleon aufgehobenen Benediktinerklosters, die in 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von der Fondazione Gini aufwendig revitalisiert wurden. Zwei große Werke von Jacopo Tintoretto - die Abendmahlszene und das Mannawunder von 1590-92, die im Presbyterium hängen, beeindruckten. Auch der famose Blick vom Campanile aus über den Bacino hinüber zum Markusplatz und über die Lagune hinaus bis zum Lido bleibt in Erinnerung.

Zehn Versuche über den zeitgenössischen Kirchenraum

Kurator Francesco dal Co hat insgesamt zehn ArchitektInnen aus verschiedenen Generationen und aus unterschiedlichen Weltgegenden eingeladen, damit diese in einem Pinienhain südlich der alten Klosteranlage je einen Meditationsort, ja eine kleinen Kapellenraum gestalten. Als Denkanstoß und Referenzobjekt wurde den Teilnehmenden die bekannte „Waldkapelle“ (Skogskapellet) des schwedischen Architekten Gunnar Asplund mitgegeben, die 1940 für einen Friedhof im Süden von Stockholm gebaut wurde. Die Pläne für diesen Bau und vor allem auch das Konzept des Architekten sind in der ersten von Francesco Magnani und Traudy Pelzel geplanten Kapelle des Rundganges ausführlich dokumentiert.

Die Kapelle des Japaners Terunobu Fujimori (Foto © KH Kronawetter)
Die Kapelle des Japaners Terunobu Fujimori (Foto © KH Kronawetter)

Der Duft des Pinienwaldes, die Durchblicke auf das spiegelnd-aufblitzendes Wasser der Lagune und hinauf in den azurblauen Himmel. Schon das Ambiente des „Kapellen-Spazierganges“ war beeindruckend. Nicht an allen zehn Orten steht ein Gebäude im klassischen Sinne, also ein umbauter Raum. Am ehesten gleicht die Kapelle des Japaners Terunobu Fujimori einer „Waldkapelle“. Die Außenwände und die vorgesetzten Säulen sind aus geflämmtem Holz. Durch eine enge Pforte („Nadelöhr“) gelangt der Besucher ins Innere, wo Holzbänke zum Verweilen einladen. Das große mit Goldblättchen verzierte Kreuz auf der Stirnseite fängt die Blicke. Kleine schwarze an die Stirnwand affichierte Kohlestücke, die am Rand immer dichter werden, bilden den Kontrast. Dachöffnungen erhellen die Szenerie und setzen das Ensemble in ein besonderes Licht.

Die “Kathedrale“ von Norman Foster (Foto © KH Kronawetter)
Die "Kathedrale" von Norman Foster (Foto © KH Kronawetter)

Beindruckend ist auch die Kapelle des britischen Stararchitekten Norman Foster, die einer Wegkirche gleicht. In einer leichten Rechtsdrehung geht der Besucher leicht aufwärts durch eine Vorhalle in den Hauptraum auf einen Altar zu. Hinter dem großen Holztisch öffnet sich dann der Raum („Freespace“ ist das Motto der Architekturbiennale 2018) und macht den Blick frei über den Park und das Meer hinüber zu den Giardini. Die durchlässige Holzkonstruktion lässt Transparenz zu und verdichtet sich im Hauptraum. Duftender Jasmin, der an den Holzverstrebungen empor wächst, verdichtet die offenen Wände und betört durch seinen Duft. Nicht aufdringlich, aber durchaus beabsichtigt, lassen die Verstrebungen dieser Holzkonstruktion drei Kreuze entstehen.

Objekt von Carla Juaçaba (Foto © KH Kronawetter)
Objekt von Carla Juaçaba (Foto © KH Kronawetter)

Nicht alle Kapellen kommen wie die „Foster-Kathedrale“ daher: Das Objekt der jungen brasilianischen Architektin Carla Juaçaba umbaut eigentlich keinen Raum. Es skizziert eher einen Grundriss, der wie ein Boot oder auch wie das „Knochengerüst“ eines großen Fisches aussieht. Darauf aufgerichtet steht ein schlankes hohes Kreuz. Die Materialität dieses Objektes - verchromtes Metall, hochglanzpoliert - ermöglicht sehr präzise Spiegelungen, sodass sich die umgebenden Bäume, der Himmel, das Meer und auch die Besucher im Objekt abbilden und wieder finden. Schaut man den Kreuzbalken entlang, verschwimmen die Ebenen von Objekt und Umgebung. Das Kreuz geht in die Natur über, die Natur findet sich im Kreuz wieder.

Kapelle von Eva Prats und Ricardo Flores (Foto © KH Kronawetter)
Kapelle von Eva Prats und Ricardo Flores (Foto © KH Kronawetter)

Der spanische Beitrag von Eva Prats und Ricardo Flores bezieht den Sonnenstand mit ein. Das durch ein rundes Südfenster einfallende Sonnenlicht kreist während des Tages wie ein Planet um eine kreisrunde Öffnung. Darin ist wohl eine Anspielung auf die nach dem Gang der Gestirne und den dadurch bestimmten Himmelsrichtungen ausgerichteten Sakralbauten vieler Kulturen und Religionen zu finden.

Der Beitrag des Australiers Sean Godsell kann an jedem Ort aufgebaut werden. Ein (portabler) Metallcontainer mit quadratischem Querschnitt ragt weit in den Himmel hinauf. In alle vier Himmelsrichtungen sind „Vordächer“ aufgeklappt.

Container-Kapelle des Australiers Sean Godsell (Foto © KH Kronawetter)
Container-Kapelle des Australiers Sean Godsell (Foto © KH Kronawetter)

Diese Kapelle hält auf San Giorgio gleichsam Station. Im Zentrum - unter dem offenen Container (Kamin/Turm) - steht ein Metallobjekt, das unschwer als Altar ausgemacht werden kann - und auch ein klappbarer Ambo. Wer zum Altar hinzutritt und noch oben blickt, sieht erst, dass der Container innen vergoldet ist und das natürliche Licht von oben glanzvoll reflektiert. Die Arbeit von Godsell hat die Gruppe zu intensiven Diskussionen über liturgische Orte angeregt.

Obwohl einige der ausgestellten Entwürfe zu sehr am Oberflächlichen hängen bleiben (z. B. die Arbeit von Francesco Cellini), ist jede einzelne der zehn „Vatican Chapels“ sehenswert und zeigt, dass Sakralarchitektur nicht immer nur bereits Bekanntes kopieren muss, sondern auch neue Wege beschreiten kann. Der viel beachtete Beitrag der Katholischen Kirche zur diesjährigen Architekturbiennale lässt schon mit Spannung darauf warten, wie der „Heilige Stuhl“ die Kunstbiennale 2019 bespielen bzw. beschicken wird. Vielleicht denkt Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, ja auch an eine große Kunstintention in einer der vielen Kirchen von Venedig.

Nach einer ausgiebigen Mittagspause wurde am späten Nachmittag noch die am Zattere-Kai gelegene Chiesa di Santa Maria del Rosario besucht - quasi ein Pflichtprogramm im Rosenkranzmonat Oktober.

Die "Vatican Chapels" auf San Giorgio sind im Rahmen der Biennale noch bis 25. November 2018 zu besichtigen.

Venezia (Foto © KH Kronawetter)
Venezia (Foto © KH Kronawetter)