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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Religionsunterricht hilft, das Leben zu begreifen

Peter Allmaier, Dompfarrer und ab 1. September Schulamtsleiter, im Gespräch mit Gerald Heschl

Peter Allmaier: Der Religionsunterricht „ist ein unheimlich großes Potenzial, das auch von der Kirche manchmal zu wenig gesehen wird.“
Peter Allmaier: Der Religionsunterricht „ist ein unheimlich großes Potenzial, das auch von der Kirche manchmal zu wenig gesehen wird.“ Foto: Stefan Schweiger

Peter Allmaier ist Dompfarrer, Domkapitular, Dechant und ab 1. September Leiter des Schulamtes. Ein Gespräch über den Mehrwert des Religionsunterrichtes, den neuen Ethik-Unterricht und wie man für das Fach „Religion“ wirbt.

Sie sind ab 1. September Leiter des Schulamtes der Diözese. Freuen Sie sich schon auf diese neue Aufgabe?
Allmaier: Ich freue mich wirklich sehr darauf. Ein bisschen konnte ich mich schon einarbeiten. Man muss sich vorstellen, dass unsere Religionslehrerinnen und -lehrer rund 200.000 Unterrichtsstunden pro Jahr halten. Das ist ein unheimlich großes Potenzial, das auch von der Kirche manchmal zu wenig gesehen und wahrgenommen wird.

Was sind Ihre Ziele?
Allmaier: Ein Ziel ist die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts. Er hat sich in den letzten Jahren gut etabliert, aber man muss ihn immer wieder an die Erfordernisse der Zeit anpassen. Vor allem die Höheren Schulen bekommen immer mehr Autonomie und nutzen sie, um Schwerpunkte zu bilden. Ich meine, der Religionsunterricht sollte dem entsprechen. Auch sollte der Religionsunterricht nicht nur in der Unterrichtsstunde in der Klasse stattfinden. Religionslehrer haben ja auch so etwas wie schulpastorale Aufgaben. Sie sorgen für das Klima in der Schule. Sie sind kompetent, wenn es darum geht, etwas zu feiern, etwas zu bedenken. Jetzt schon werden die Religionslehrer dafür hoch geschätzt. Ich meine, da sollten wir weiter arbeiten.

Ab nächstem Jahr gibt es einen Ethikunterricht an Höheren Schulen. Wie schätzen Sie diesen ein?
Allmaier: Natürlich muss man sehen, wie man gut kooperieren kann. Es geht nun darum, das Besondere des Religionsunterrichtes hervorzustreichen. Der Ethik-Unterricht diskutiert über verschiedene Werthaltungen. Aber für mich stellt sich die Frage: Wo entstehen Werthaltungen? Ich glaube, das ist die Religion. Sie schafft das, was man Werte nennt und damit die Ausgangsbasis dessen, worüber man überhaupt diskutieren kann. Deswegen glaube ich, dass Ethik Religion voraussetzt.

Dass es zu einer Konkurrenz zwischen Religions- und Ethikunterricht kommt, fürchten Sie nicht?
Allmaier: Ganz im Gegenteil. Ich sehe es als wechselseitige Bereicherung. Ich meine auch, dass die Situation für den Religionsunterricht fairer als bisher sein wird. Bisher war die Alternative Religionsunterricht oder Freistunde für jene, die sich abgemledet haben. Da braucht es eine große Reife, um sich für den Religionsunterricht zu entscheiden. Der Mensch neigt eher zum Einfacheren. Nur: Nach einer Freistunde bin ich genauso intelligent wie vorher. Nach einer Unterrichtsstunde bin ich hoffentlich etwas klüger. Jetzt aber gibt es die Alternative: Religion oder Ethik. Das ist fairer.

Wie steht es um die Abmeldungen vom Religionsunterricht in Kärnten?
Allmaier: Von den römisch-katholischen Kindern nehmen sehr viele am Religionsunterricht teil. Wir hatten im vergangenen Jahr auf alle Schulen bezogen eine Abmeldequote von lediglich sechs Prozent. Wenn wir davon noch die Schülerinnen und Schüler ohne Bekenntnis abziehen, liegt die reine Abmeldequote nur noch bei drei Prozent. Wir haben also mehr als 96 Prozent Teilnahmen am Religionsunterricht. Das ist ein sehr hoher Wert. Er beweist auch die hervorragende Qualität des Religionsunterrichts.

Sie haben also noch ein eher sorgenfreies Leben?
Allmaier: Wo wir wirkliche Probleme haben, ist ein absehbarer Lehrermangel. In den nächsten zehn Jahren gibt es eine Pensionierungswelle. Da brauchen wir dringend junge Lehrerinnen und Lehrer! Ich rufe wirklich alle auf, die gerne unterrichten, dass sie sich für den Religionsunterricht melden.

Die Ausbildung hat sich stark verändert.
Allmaier: Es gibt nicht mehr die Ausbildung nur zum Religionslehrer. Man muss jetzt die allgemeine Ausbildung zum Lehrer in der Primar- oder Sekundarstufe machen und kann sich dann für einen Schwerpunkt entscheiden. Aber jungen Menschen, die Lehrer werden wollen, kann ich nur raten: Versuche es einmal mit Religion!
Was ist der Anreiz, sich dafür zu entscheiden?
Allmaier: Ich denke, dass Religion einer der kreativsten Gegenstände ist. Natürlich ist es auch ein forderndes Fach, aber man bekommt von den Schülerinnen und Schülern sehr viel zurück. Es geht ja nicht nur darum, fachliches Wissen zu vermitteln, sondern auch sehr stark darum, was für die Kinder und ihr Leben wichtig ist. Das schätzen die Schüler sehr. Es geht in der Bildung an sich um den Menschen – im Religionsunterricht noch einmal auf ganz besondere Weise.

Für Herbst ist eine Kampagne geplant, die den Religionsunterricht bewerben soll. Was ist das Ziel?
Allmaier: Das Ziel ist, für den Religionsunterricht ein Bewusstsein zu schaffen und seine Bedeutung darzustellen. Diese Kampagne wird auf verschiedenen Ebenen stattfinden: Zunächst sind es Plakate mit sechs verschiedenen Sujets. Jeweils zwei Plakate werben für die Volksschule, die Primarstufe und Höhere Schulen. Es sind jeweils zwei Fragen, die immer wieder von Kindern oder Jugendlichen gestellt werden.

Zum Beispiel?
Allmaier: Gibt es Hoffnung für die Welt? Hat das Leben einen Sinn? Was kann man von Gott erwarten?

Das sind nicht gerade einfache Fragen. Wie lautet die Antwort?
Allmaier: Die Fragen werden mit einem kleinen Logo beantwortet, das lautet: Ja, ich glaube! Diese Antwort steht einmal für „glauben“ im Sinne von „ich vermute“. Zum anderen aber „Ich glaube“ im Sinne von „Das ist meine feste Überzeugung“. Die wichtigsten Dinge im Leben wissen wir nie fix. Zum Beispiel, ob mich jemand liebt. Das glauben wir einfach. Eine weitere Schiene sind Kurzvideos von etwa einer Minute, in denen Religionslehrer zu diesen Fragen eine Antwort geben. Es soll gezeigt werden, wie Lehrende mit solchen existenziellen Fragen ihrer Schüler umgehen. Es bleibt aber so offen, dass man weiter diskutieren kann und damit Lust auf den Religionsunterricht geschaffen wird. Zusammengefasst ist all das in einer „Landing Homepage“ unter „www.mein-religionsunterricht.at“. Die Seite ist so gestaltet, dass man Kommentare schreiben und sich austauschen kann. So versuchen wir, auf verschiedenen Ebenen zu signalisieren, dass Religionsunterricht wichtig ist und wie er im Leben hilft.

Was wäre Ihr „Werbeslogan“ für den Religionsunterricht?
Allmaier: Für mich bringt der Religionsunterricht das Bewusstsein, dass Themen mich berühren müssen. Es reicht nicht, viel zu wissen. Ein gebildeter Mensch ist jemand, der so liest, dass dies sein eigenes Wesen verändert. Gerade Religion kann zeigen, wie man sich von Themen verändern lässt.