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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Die Wiege im Lavanttal, das Herz in Afrika

Christa Thonhauser, gebürtige Lavanttalerin, über ihre zweite Heimat Tansania, worin ihr die Menschen dort Vorbild sind und was sie als ihre „Mission“ sieht.

Foto: Haab
Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)

Tansania – das Bild von Afrika mit Löwen, Giraffen und dem Kilimanjaro. Was macht für Sie dieses Land aus?
Thonhauser: Mir ist die Freundlichkeit aufgefallen, die dort herrscht – die strahlenden Augen, die freundlichen Gesichter, auch wenn die Menschen arm sind. Wenn man sich trifft, hat man Zeit für ein kurzes Gespräch. Es wäre unhöflich weiterzugehen, man erkundigt sich und redet miteinander.

Wo in Tansania leben Sie?
Thonhauser: Unser Dorf, Hanga, liegt auf 1.000 m Seehöhe und hat etwa 15.000 Einwohner. Jetzt geht gerade der Winter zu Ende. Trotz der Höhe ist es nicht so kalt wie hier. Frost gibt es erst auf 2.000 m Höhe. Die niedrigste Temperatur, die ich gemessen habe, waren acht Grad. Das ist dennoch kalt, denn es gibt keine Heizung, man sitzt dann mit Anorak und Haube im Speisesaal. Regenzeit ist von November bis April. Anfang Dezember beginnt der Maisanbau, im Mai ist die Ernte.

Mit dem Wasser muss man dann auskommen bis zur nächsten Regenzeit?
Thonhauser: Das Kloster von Hanga hat sich in der Nähe eines Flusses angesiedelt, dessen Wasser aus einer Hügelkette kommt, und es gibt Leitungen bis ins Dorf. Aber in der Trockenzeit ist die Landschaft braun, wie man sie aus Filmen kennt. Und wenn der Regen kommt, ist wieder alles grün – das ist schon fantastisch.

Worin besteht Ihre Arbeit?
Thonhauser: Zuerst habe ich an einer der vier Schulen des Benediktinerklosters Englisch unterrichtet. Dann folgte verschiedenes: in der Schule, die Bibliothek, Projekte im Dorf, z. B. zur HIV-Aufklärung. Die letzten zwei Jahre habe ich mehr Kranke betreut.

Wovon leben die Menschen?
Thonhauser: Hauptnahrungsmittel ist Mais, jede Familie hat ein Stück Land zum Anbau des Eigenbedarfs, vielleicht auch zum Verkauf, um Schulgeld usw. zu haben. Manjok-Knollen, Hirse, außerdem Bohnen. Fleisch gibt es wenig. Viele haben Hühner, aber hauptsächlich für die Eier. Ein paar Schafe und Ziegen gibt es auch, ganz wenige Schweine, die Christen gehören.

Wie erleben Sie das Zusammenleben dieser Christen mit der muslimischen Bevölkerung?
Thonhauser: Sie leben in Frieden miteinander und halten zusammen. Es hat schon Situationen gegeben, dass welche von außen gekommen sind und den Frieden gestört haben, aber das Dorf hat dann gemeinsam geschaut, dass die sich nicht ansiedeln.

Was war Ihre Motivation, nach Afrika zu gehen?
Thonhauser: 2001 wollte ich nach fast zehn Jahren in der Behindertenarbeit eine Auszeit nehmen und mit meiner Mutter eine Reise nach Amerika machen. Aber vor unserem Flug waren die Anschläge vom 11. September – wir sind nicht geflogen. Bei einem Seminar in Puchberg sprach dann jemand von Afrika, und schließlich nahm ich an einer Solidaritätsreise nach Tansania teil und habe so das Kloster in Hanga kennengelernt.

Und sind gleich dort geblieben?
Thonhauser: Keine Frage! Ich kam zurück, habe meine Mutter gepflegt, die schwer erkrankt war. Aber etwas hat in mir weitergearbeitet. Um nach Ende der Hospizkarenz bei ihr bleiben zu können, kündigte ich meine Arbeit in Niederösterreich. Und so war ich frei, nach ihrem Tod doch wieder ein Jahr nach Tansania zu gehen ... und bin geblieben.

Sie sehen dabei nicht unglücklich aus.
Thonhauser: Natürlich ist nicht immer alles schön. Ich wasche meine Wäsche mit den Händen, wir haben oft tagelang kein Wasser im Haus. Dreht man den Hahn auf, weiß man nie, ob sauberes oder schmutziges Wasser kommt. Trinken kann man es eh nur, wenn man es abkocht. In der Regenzeit gibt es Strom, wenn die Turbine funktioniert, in der Trockenzeit stundenweise, aber man weiß es nie so genau – wir sind eben im Busch. Aber ich habe von Anfang an gesagt, ich gebe mein Leben in die Hände Gottes, und er hat die Richtung vorgegeben. Es hat sich dann so viel ergeben, auch gemeinsame Projekte mit „Bruder und Schwester in Not“. Ich bedanke mich für die Hilfe, die mir dadurch zuteil geworden ist, und ebenso durch Freunde und Bekannte, über all die Jahre. Das hat vielen Kindern und Jugendlichen medizinische Versorgung und Schulbildung ermöglicht.

Was ist für Sie die Wurzel der Lebensfreude, Freundlichkeit, Offenheit dieser Menschen?
Thonhauser: Das kann ich nicht sagen. Vielleicht die Ruhe, das Zeit-Haben. Vielleicht auch ... bei uns wird der Tod eher verdrängt. Es wird alles daran gesetzt, das Sterben eines Menschen zu verlängern, nicht das Leben. In Afrika lebt man mit dem Tod und hat eine ganz andere Einstellung zum Leben. Es gibt im Dorf kein Altersheim. Eine Gruppe kümmert sich um Waisenkinder und schaut, dass sie trotzdem noch in Familien sein können. Was ich sagen möchte: Die Menschen bleiben in ihrer Sozialstruktur, gehen nicht in eine „Institution“. Ein Altersheim hat seine Vorteile, aber ... Das Thema Tod und Sterben müssen wir wieder mehr ins Leben zurückholen.

Was können wir den Menschen in Afrika geben, und was können wir umgekehrt von ihnen lernen?
Thonhauser: Ich habe natürlich meine Vorstellungen gehabt, als ich hinunter bin, habe Folien für den Overheadprojektor mitgehabt, um Englisch zu unterrichten. Dann stand ich der Klasse, und Tafel und Kreide waren genug. Viele Menschen wollen Gutes tun, aber es gibt so viele Hilfsprojekte, die gar keine Hilfe sind. So wie der geschenkte Traktor, der jetzt herumsteht, weil es keine Ersatzteile gibt.
Die größte Hilfe ist, sich auf die Menschen einzulassen und dann Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Dazu gehört vor allem Bildung, mit Hilfe derer sie im eigenen Land besser leben können, dem Land und seinen Bedingungen entsprechend. Man muss die Menschen akzeptieren: Wie schnell sind wir mit Vorurteilen, dass sie nicht arbeiten und faul sind – ohne man jemals dort gewesen zu sein. Die Kolonialzeit hat die Kultur verändert: Wenn mir ständig gesagt wird, ich sei arm, dann werde ich arm und kann mich nicht mehr weiterentwickeln. Dieses Gefühl halten wir bis heute mit unserer Haltung in den Menschen wach. Dabei haben sie ihren eigenen Schatz an Erfahrungen, ihre Überlebensstrategien. Aus dieser Sicht heraus zu helfen, ist etwas anderes – denn auf der anderen Seite beuten wir sie auch heute noch aus.
Besser, als die Menschen zum Studieren nach Europa zu holen, ist, ihnen das Studium im eigenen Land zu ermöglichen, Bibliotheken zu fördern, Professoren auszubilden usw.

Die beste Hilfe für ein besseres Leben der Menschen in Afrika ist, sie zu unterstützen, besser im eigenen Land zu leben?
Thonhauser: Man kann vor allem nicht unsere Errungenschaften und unsere Entwicklungen in Afrika anwenden. Das machen wir aber: Auf den Maisfeldern stehen überall die Schilder „Pioneer“. Ihre eigenen alten Sorten, die selbst Saatgut gegeben haben, wurden verdrängt. Jetzt müssen sie Saatgut und Dünger kaufen, sie sind abhängig geworden. Das ist keine Entwicklungshilfe.

Interview: Georg Haab

Zur Person: Christa Thonhauser, geb. 1963 in Wolfsberg, wuchs in St. Paul im Lavanttal. Sie absolvierte die Ausbildung zur Landwirtschaftlichen Fachlehrerin, dann zur Behindertenbetreuerin. Seit 2004 lebt und arbeitet sie in Tansania.