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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Das Licht Christi wahrnehmen und selbst Licht werden

Der gebürtige Kärntner Christian Kuster über die Chancen, die dieser besondere Advent bietet, und warum Begegnungen für ihn ein zentrales Element von Kirche sind

Foto: Haab
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Was ist der Hintergrund der Adventgeschichten, die Sie für den „Sonntag“ geschrieben haben?
Kuster: Ich bin von Haus aus sehr offen und sensibel für das, was die Zeit bringt, versuche das ins Wort zu bringen – deshalb bin ich ja auch literarisch sehr aktiv –, so kann ich das Erlebte und Gelebte auch noch einmal reflektieren und zu Papier bringen. Der Advent erinnert mich an meine Kindheitserfahrungen in Klagenfurt, den Schokoladen-Nikolaus, den Nikolaus, der ins Haus kam, das Kekse-Backen mit der Mutter, die Adventlieder, die sie mit uns gesungen hat ... All das sind Hinweise auf eine sehr bedeutsame Zeit. Bei uns ist das eine sehr aktive Zeit, ich werde als Nikolaus in unserer Schule unterwegs sein.

Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass Sie den Nikolaus darstellen?
Kuster: Ja, sowieso. Das tut der Sache keinen Abbruch. Sie wissen, dass Bischof Nikolaus von einem lebendigen Menschen dargestellt wird. Es geht ja nicht darum, ihnen etwas vorzugaukeln, sondern darum, dass sie einen alten, guten Brauch erleben dürfen. Und dass sie sehen: Vor 1700 Jahren hat es einen Mann gegeben, der sehr klug, sehr mutig und sehr gütig war, der sich für die Kinder eingesetzt hat, für die Hungernden, für Jesus. Er hat den Menschen einfach Gutes getan. Wenn sie das mit dem Schokoladen-Nikolaus, der ihnen geschenkt wird, in Verbindung bringen, ist viel geschehen.

Die Situation heuer ist wieder nicht einfach. Was bedeutet für Sie Advent unter diesen Vorzeichen?
Kuster: Advent ist immer etwas Besonderes. Er ist Einladung, mein Leben neu zu sortieren, mich neu zu orientieren. In der klassischen theologischen Sprache sagt man dazu „Buße tun“ und „umkehren“: mit dem Täufer Johannes und Maria, der Mutter Jesu. Durch Corona erleben wir eine Zeit der Einschränkungen, insofern passt das ja zusammen. Verzicht, Neubesinnung ... Corona verlangt auch sehr viel Mut. Davon haben der Advent und die Zeit davor mit ihren Lichtgestalten, von Martin über Elisabeth, Nikolaus und Lucia, sehr viel zu bieten. Sie bringen sehr viel Licht in diese Zeit, die auch von der Jahreszeit und anderen Umständen her sehr dunkel ist.

Am heutigen Sonntag feiern wir Christkönig. Was verbinden Sie mit diesem Fest?
Kuster: Christkönig ist ein vielschichtiges Fest. Zum einen feiern wir Christus, den König: Nachdem die Christenverfolgung beendet war, übertrug man ihm ab dem vierten Jahrhundert den Titel Pantokrator, Allherrscher. Er ist der Christus, der kommen wird am Ende der Zeiten, wie wir in jeder hl. Messe beten im Geheimnis des Glaubens: bis du kommst in Herrlichkeit. Christkönig ist aber auch wichtig für meine eigene Identität: Wer bin ich denn vor diesem König? Mir ist das wichtig zu wissen, darauf schauen wir auch in unserer Männerrunde zu Christkönig. Einer nach dem anderen setzt sich in die Mitte, und wir sagen ihm, wie er dann wirkt auf die Menschen: „Du bist freundlich, du bist hilfsbereit … Du bist ein König durch die Taufe.“
Die Frauen sind Königinnen. Wie bewegt sich ein König, wie benimmt er sich, wie spricht und wie handelt er? Ein großherziger König, ein Friedenskönig, wie Christus genannt wird? Aber er kommt ja nicht nur am Ende der Zeiten, er ist durch Maria ja schon einmal gekommen. Er ist Mensch geworden und möchte auch in unserem Herz Wohnung nehmen, möchte angenommen werden.

Wie sehen Sie als Kärntner, der in Deutschland lebt, die Kirche in Kärnten?
Kuster: Ich bekomme nicht so viel mit, aber wenn ich hier bin, spüre ich, dass die Neubesetzung des Bischofsstuhls eine sehr gute war. Josef Marketz ist ein sehr verbindender Mensch, der auf freundliche und kluge Weise Menschen miteinander vereint. Aber im Prinzip gibt es überall die gleichen Freuden und Sorgen, denke ich, wie die Kirchenaustritte, die Reformchristen und die Bremser. Aus meiner Sicht gibt es vor allem sehr viel Hoffnung: Als Christen sind wir Hoffnungsträger. Und es wäre schlimm, wenn wir uns in Kleinigkeiten verlören; wenn wir an Nebenschauplätzen kämpften: Wer geht in die Kirche und wer nicht, wer glaubt richtig und wer falsch? Und darüber vergessen wir, dass wir Licht der Welt sind und Salz der Erde. Als Christ kann man in die Gesellschaft hinein sehr viel bewirken: in die Welt hinein Gutes tun, jeder auf seine Art.
Kirche ist ein Beziehungsgeschehen. Wir alle sind Kirche, und Kirche ist zuerst einmal eine communio amoris et fidei, eine Glaubens- und Liebesgemeinschaft. Und deshalb darf sie sich auch als solche erfahren. Kirche ereignet sich vor allem in Begegnungen, von Mensch zu Mensch. Ehrliche und hilfreiche Begegnungen machen Kirche aus. Da kann Kirche nur punkten, wenn sie diakonisch ist und der Welt dient: viel mehr mit Taten als mit Worten.

Welche Chance sehen Sie im Synodalen Prozess?
Kuster: Jetzt mache ich mich unbeliebt, denn ich möchte weder schmeicheln noch diplomatisch sein. Ich persönlich halte davon relativ wenig und kann mir nicht vorstellen, dass viel dabei herausschaut: Es sind hauptsächlich Berufskatholiken am Prozess beteiligt, Priester und Laien, aber ich sehe keine Entwicklung, die direkt vom Volk getragen wäre. Ich fürchte, dass wir dabei stehenbleiben, Strukturen verändern zu wollen, statt bei uns selbst zu beginnen. Es ist nicht gut zu fordern: Der Pfarrer, der Bischof, der Papst muss ... und die Frauen müssen Priesterinnen werden. Ich selbst muss schauen, dass ich „heilig“ werde, ich als Christian und Sie als der oder die Sie eben sind. Weniger jammern und wollen, einfach mehr sein und mehr tun, das ist das Gebot der Stunde. Dort, wo ich hingestellt bin, gibt es so viel zu tun. Als Seelsorger, als Pfarrgemeinderat, in meinem Beruf: Da habe ich so viele Aufgaben und Möglichkeiten und kann so viel bewegen. Man vergisst leicht, welche Chancen man vergibt, wenn man zu viel auf die anderen schaut.

Ihr Wunsch für unsere Leserinnen und Leser zum Advent?
Kuster: Ich wünsche den Leser:innen der Kärntner Kirchenzeitung einen besinnlichen Advent im Kreis lieber Menschen. Die Zeiten werden jetzt durch die steigenden Inzidenzzahlen noch dunkler. Lassen Sie sich vom Licht, das Jesus ist, anstrahlen! Wer sich ins Licht stellt, ist im Licht und verbreitet Licht.

Interview: Georg Haab

Zur Person:

Christian Kuster (* 1965) studierte Theologie und Religionspädagogik in Salzburg, Jerusalem und Graz. Der gebürtige Kärntner ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Bayern. Besonders gefragt sind seine Bücher zu Bibel und christlicher Lebenspraxis sowie zum Thema „Mann sein“.

Buchtipps:

Christian Kuster und Hanno Rother, Kirche digital - Best Practise nicht nur für Krisenzeiten. Kartoniert, 144 Seiten, € 30,80, Verlag Katholisches Bibelwerk (2021).

Weihnachten vor dem Kamin. Ein kleines Lesebuch zum großen Fest. Weihnachtssonderband mit einem Beitrag von Christian Kuster. Tachenbuch, 124 Seiten, € 4,20, Verlag Camino (2021).