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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Das Antlitz der Kirche erneuern

Michael Kapeller wagt einen Blick in die Zukunft

Foto: Diözese Gurk / DKZ
Foto: Diözese Gurk / DKZ

Was bringt der Synodale Prozess in unserer Diözese, in der Weltkirche? Michael Kapeller versucht einen Blick in die Zukunft.

Im April 2020, dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle, hat der Zukunftsforscher Matthias Horx mit einer sogenannten Re-Gnose für Aufmerksamkeit gesorgt. Dabei hat er sich in den Herbst 2020 versetzt und aus dieser Perspektive die Gegenwart des ersten Lockdowns analysiert. Der Vorteil dieser Perspektive, so Matthias Horx, liegt auf der Hand: Die wahrgenommene Krise erscheint nicht mehr als etwas Überforderndes, sondern als etwas, dem man sogar positive Seiten abgewinnen kann.


Wirken des Heiligen Geistes
Die Stimmung innerhalb der katholischen Kirche steht vielerorts auch unter einem Krisen-Vorzeichen: Die Folgen des Missbrauchsskandals führen zu einem massiven Verlust an Glaubwürdigkeit, die Nicht-Zulassung von Frauen zu Weiheämtern hat einen Auszug engagierter Frauen aus der Kirche zur Folge, der Umgang der Kirche mit gleichgeschlechtlich Liebenden wird gesellschaftlich nicht mehr verstanden, die Spannungen zwischen sogenannten Konservativen und Progressiven nehmen zu, und die Strahlkraft der Botschaft des Evangeliums leidet unter einer fortgesetzten Beschäftigung der Kirche mit sich selbst. In diese Grundatmosphäre hinein hat Papst Franziskus diesen Synodalen Prozess gestartet. In den letzten Wochen werde ich immer wieder gefragt: Kann dieser Prozess zu Veränderungen führen oder ist er nur ein „geistliches“ Ablenkungsmanöver?
Als Theologe leitet mich die Zuversicht, dass Gott seine Kirche durch die Höhen und Tiefen der Zeit führt und im Heiligen Geist in ihr präsent ist und wirkt. Das ermutigt mich auch zu dieser Re-Gnose. So lade ich Sie ein, mir in das Frühjahr 2024 zu folgen. Betrachten wir aus der Zukunft, was uns die Gegenwart an Herausforderungen und Chancen bietet. Dazu treffen wir uns am Pfingstsonntag nach der Messe beim Pfarrcafé. Im Schein der Frühlingssonne und bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Marmorkuchen wandern unsere Gedanken zunächst in den Herbst 2021.

Holpriger Start
Die diözesane Phase begann holprig: Die Fragen waren (zu) schwierig, die Gespräche mühsam und gleich mehrere Initiativen beanspruchten Aufmerksamkeit. Dynamik war kaum spürbar, vielmehr machten sich Müdigkeit und mancherorts Resignation breit. Viele haben sich über Jahrzehnte mit großem Einsatz eingebracht und dabei verausgabt. Mit immer mehr Kraftaufwand stemmten sie sich gegen ein drohendes immer Weniger: weniger Gottesdienstbesucher/innen, weniger Pfarrgemeinderät/innen, weniger Jungscharkinder. All das und dass uns die Pandemie „viel gekostet hat“, kam zur Sprache. Und es wurde gehört – und zwar ohne Durchhalteparolen und Vergangenheitsromantik. In diesen Monaten wurden manche Angebote eingestellt und Traditionen aufgegeben. Doch dann geschah das Unerwartete: Es entstanden Freiräume für einen Gemeinschaftsgarten, für Frauenliturgien und Reparatur-Workshops und vieles mehr und ein neues Miteinander der Pfarren.

Europa ist bunt
Die zweite Etappe des Synodalen Prozesses erfolgte auf Kontinentalebene. Dabei wurde deutlich, wie bunt die Kirche Europas ist: Interessensgruppen schlossen sich zu Netzwerken zusammen. Kommuniqués wurden erarbeitet und der „anderen Seite“ als Forderung übermittelt. Das gemeinsame Gespräch kam nur schwer in Gang. Hier waren es die theologischen Fakultäten, die ihre fachliche Kompetenz einbrachten und Räume schufen, in denen es zur Auseinandersetzung und Begegnung unterschiedlicher Positionen kommen konnte. Auf gemeinsame Ergebnisse konnte man sich nicht einigen. Doch wuchs das Bewusstsein: Unterschiede sind auch ein Reichtum und das Kirchesein ist niemandem abzusprechen.

Gewicht der Ortskirchen
Bei der Bischofssynode multiplizierte sich diese Vielfalt auf Weltmaßstab. Dennoch kristallisierten sich gemeinsame Überzeugungen heraus: Kirche in einer globalisierten Welt braucht ein starkes Zentrum, das die Einheit garantiert, und zugleich mehr Freiraum für die Ortskirchen, damit in den unterschiedlichen Weltgegenden die Zeichen der Zeit wahrgenommen werden und das Evangelium in den Alltag der Menschen hinein buchstabiert werden kann.

Aufbruch in ein neues Pfingsten
In den letzten zweieinhalb Jahren hat sich viel getan in der Kirche. Zwar sind Revolutionen ausgeblieben und die „heißen Eisen“ harren noch einer Klärung. Wesentliches aber ist anders geworden: Das (Glaubens-)Gespräch hat an Bedeutung gewonnen, der Blick für soziale Not ist geschärft, die Zusammenarbeit in den Regionen wurde neu entwickelt und mit Unterschieden wird respektvoller umgegangen. Frauen und Männer, Ehrenamtliche und Hauptamtliche übernehmen Verantwortung und gestalten gleichberechtigt mit Priestern und Diakonen kirchliches Leben. Der Glaube wird stärkend erlebt, und das wiederum strahlt in die Gesellschaft aus.
Gleich schließt das Pfarrcafé seine Pforten. Der Kaffee ist ausgetrunken und der Kuchen verspeist. Damit endet unser Ausflug zum Pfingstfest 2024. Diese Re-Gnose macht für mich deutlich: Der Synodale Prozess hat Veränderungspotenzial. Machen wir uns gemeinsam auf diesen Weg.

Dr. Michael Kapeller ist Theologe und Leiter des Institutes für kirchliche Ämter und Dienste der Diözese Gurk.