Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Christus, der König - Vorbild für Mächtige?

Sr. Beatrix Mayrhofer, ehemalige Präsidentin der österreichischen Frauenorden, über Autorität, Führungsaufgaben und den Gebrauch von Macht nach dem Vorbild Jesu

Sr. Dr. Beatrix Mayrhofer (Foto: Katrin Bruder)
Sr. Beatrix Mayrhofer (Foto: Katrin Bruder)

Wie erleben Sie in Ihrer Funktion Macht?
Mayrhofer: Ich bin in die Kongregation eingetreten, um Jesus nachzufolgen. Dass das auch heißen kann, mit Rechtsanwälten, Banken und Immobilienverwaltern zu tun zu haben, ist für manche überraschend. Es ist ja die Grundtendenz von Nicht-Eingeweihten, uns Schwestern von vornherein einmal für dumm zu halten. Da meinen Bürgermeister, wir als Schwestern müssten christlich handeln und ihnen doch ein Grundstück bitte zu einem ganz günstigen Preis, wenn nicht grundsätzlich kostenlos überlassen.

Als Provinzoberin und Schulleiterin sind Sie Leitung gewohnt. Führen heißt für Sie ... ?
Mayrhofer: Führen ist für mich eine sehr verantwortungsvolle und gleichzeitig sehr schöne Aufgabe, weil ich Menschen, die ich führe, helfe, ihren Weg zu finden. Unsere Schwestern in Ghana verwenden gerne Bilder, weil sie in ihrer Sprache wenig abstrakte Begriffe haben. Ihr Bild für Autorität ist eine Hand, die ein rohes Ei hält: so fest, dass es nicht fällt, und so zart, dass es nicht zerbricht. In dieser Spannungsweite steht die verantwortliche Aufgabe von Autorität.

Wenn ich dem Führen eine Zielrichtung gebe: Man redet heute gerne von Erfolg, von Unternehmenserfolg ... Woran misst sich aus Ihrer Sicht Erfolg?
Mayrhofer: Als Schulschwester bedeutet das für mich, Menschen hinzuführen zu ihrer vollen Entfaltung als Geschöpf und Abbild Gottes und sie zu befähigen, ihre Gaben einzusetzen, dass die Erde menschenwürdig gestaltet wird. Damit habe ich unsere Konstitution zitiert, denn Erfolg im Sinn von Liberalismus oder Postliberalismus gibt es im christlichen Geist nicht. Jemand hat einmal gesagt: Erfolg ist keiner der Namen Gottes.

Wem nützt es, wenn Ihr Führungsstil in diesem Sinn erfolgreich ist?
Mayrhofer: Zunächst hoffe ich, dass die Schwestern lachen und dass es ihnen gut geht. Dass die Menschen, denen ich begegne, zu ihrer guten Entfaltung kommen, dass sie aufwachsen können zu dem, zu dem sie berufen sind. Dass es ihnen gut geht und mir persönlich auch. Nicht im Sinne eines Mich-Aufopferns bis zum Ich-kann-nicht-Mehr, das wäre nicht die Liebe, die Jesus uns lehrt. In der Ordensgemeinschaft ist nochmals ein besonderer Akzent: Wie können wir gemeinsam die Sendung Christi erfüllen? Wir sind miteinander gesandt. Das ist zunächst nicht kuschelig; das ist der Weg, den Christus für uns gegangen ist, ihm gilt es nachzufolgen, seine Sendung fortzusetzen.

Auch Politiker legen manchmal enormes Sendungsbewusstsein an den Tag. Wo sehen Sie die Unterschiede?
Mayrhofer: Am Ende der Rechnung steht kein wirtschaftlicher Erfolg, auch wenn ein Betrieb, im christlichen Sinn geführt, durchaus auch finanziell erfolgreich sein kann und soll. Der Unterschied zu schnell denkenden Führungsmodellen ist nicht die Frage nach der Summe am Ende der Excel-Datei, sondern die nach der Zufriedenheit der einzelnen Mitarbeitenden und ob jeder persönlich zu seiner vollen Entfaltung kommt. Also Autorität als Dienen, so wie auch Jesus und gedient hat, damit es allen gut geht. Das ist auch eine Frage des Gemeinwesens. Wer Macht ausübt, hat sie nicht, um selbst zu glänzen. Ein Glanz auf Kosten anderer ist immer ein abblätterndes Gold, hinter dem nichts ist. Der wahre Glanz kommt von innen her und im Sinn einer höheren Zielsetzung im Geist des Evangeliums, nicht des Wirtschaftserfolgs oder der Zahl der getöteten Soldaten.

Was sagt das Fest Christkönig über Macht und Herrschen?
Mayrhofer: Christkönig ist für mich ein kostbares und wichtiges Fest, auch in nostalgischer Erinnerung an eine Zeit, als ich noch jung war und es als Jungscharführerin und Jugendleiterin mit großer Begeisterung gefeiert habe. Damals durchaus, wenn auch vielleicht nicht bewusst, noch im Nachhall dieses denkwürdigen Tages 1938, an dem die Jugend auf dem Stephansplatz gehört hat: Nur einer ist euer Führer, und das ist Christus. Für mich ist es ein Fest der Freude: In Christus fügt sich die ganze Schöpfung zusammen; ich liebe diese Texte aus den Paulusbriefen, wo es heißt: Der Vater hat ihm alles zu Füßen gelegt, und er wird der sein, der schließlich uns alle heimführt zum Vater. Er ist der, der uns groß sein lässt. Er ist der, der sich zuerst ganz klein gemacht hat, damit wir groß sein können. Darin vollendet sich für mich schon in der prophetischen Vorschau, was Teilhard de Chardin sagt: Schließlich wird die ganze Schöpfung hineinmünden in die Erkenntnis der Liebe Gottes. Wenn ich Christkönig feiere, freue ich mich sozusagen Jesus entgegen. Es wird sich zeigen, dass seine Liebe die stärkste Kraft ist.

Stichwort Macht: Sehen Sie Unterschiede zwischen einem männlichen oder weiblichen Zugang zur Macht?
Mayrhofer: Da bin ich sehr vorsichtig und differenziert. Letztlich glaube ich, dass es keinen Unterschied gibt. Es kann sehr wohl von der Denkweise oder Gestimmtheit von Frauen eine Auswirkung geben, das sehen wir auch. Wenn ich mich oute, nenne ich Frau Ministerin Gewessler als eine, die für mich ganz typisch ihre Position in einer nicht die anderen erniedrigenden Art ausfüllt, sich aber sehr wohl einsetzt für ihre Ziele. Das sehe ich als eine sehr kostbare Art des Leitungsstils. Es kann aber eine Frau genauso rücksichtslos und autoritär sein wie ein Mann, da bin ich ganz desillusioniert. Die Frage ist für mich aber nicht Mann oder Frau, sondern: Wie sehr kannst du neben dir anderen Menschen Raum geben, sich zu entfalten? Ich halte Macht für etwas grundsätzlich Positives, das auch positiv ausgeübt werden soll. Wir brauchen Macht. „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden“, sagt Christus. Und er teilt seine Macht mit uns.

... und gibt damit eine Begrenzung vor, indem Macht in den Dienst an allen gestellt wird?
Mayrhofer: In den Dienst seiner Botschaft, des Evangeliums, der Erlösung. Der Vater hat ihm alles zu Füßen gelegt, aber er lässt uns teilhaben an seinem Leib, der Kirche, an seiner Aufgabe, mit ihm die Welt hinzuführen zur vollen Entfaltung. Hoffend und betend hinzuschauen auf die positiven Möglichkeiten. Die Verheißung ist, dass sich die Welt zu einer Vollendung hin bewegt, mit der wir glücklich sein werden. Was immer die Tendenzen sind, wie Menschen sich die Wiederkunft Christi vorstellen: Die einen sehnen herbei, dass er endlich dreinschlägt, die anderen mit der berechtigten Sorge, dass wir selber die Erde zerschlagen, und wieder andere in der Hoffnung, dass Gott letzlich alles zum Guten führen wird. Wir beten täglich in der Messe: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir. Deine Wiederkunft erwarten wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Es ist ein geheimnisvoller Übergang vom Ende des Kirchenjahres zur anderen Erwartung seines Kommens. Diese eine Woche bewegt mich immer sehr: Auf der einen Seite feiern wir die Wiederkunft Christi und seine Königsherrschaft, auf der anderen Seite ist es genau dieser König, den wir zuerst als ein Kind erbärmlichst im Stall erwarten. Diese Spannungsweite unseres Glaubens ist in sich etwas, das wir feiern dürfen.

Interview: Georg Haab

Zur Person: Sr. Dr. Beatrix Mayrhofer, geb. 1948 in Oberösterreich. 1967 Matura, 1971 Eintritt bei den „Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau“. Nach dem Studium der Pädagogik (mit Doktorat) studierte sie Theologie und Psychologie/Philosophie/Pädagogik als Lehramtsstudium. 1985 bis 1993 Provinzoberin der Schwestern in Österreich, seit 2010 leitet sie die Provinz Österreich und Italien. 17 Jahre war Sr. Beatrix Direktorin des Wiener Gymnasiums in der Friesgasse. 2013 bis 2018 Präsidentin der österreichischen Vereinigung der Frauenorden und Vorbereitung der neuen „Ordensgemeinschaften Österreichs“, in der Frauen- und Männerorden zusammengefasst sind.