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Corona-Pandemie, Suizidbeihilfe, Menschenhandel, Familienjahr, Flucht

Erklärungen der Österreichischen Bischofskonferenz zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung 2021 im Wortlaut

Foto: Bischofskonferenz
Die Frühjahrkonferenz 2021 wurde online abgehalten. (Foto: Bischofskonferenz)

Wien, 12.03.2021 (KAP) Kathpress dokumentiert im Folgenden im Wortlaut die Erklärungen der Österreichischen Bischofskonferenz zum Abschluss der in Form einer Videokonferenz von 8. bis 11. März abgehaltenen Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe:

1. Ein Jahr Pandemie - Mit Wertschätzung und im österlichen Geist leben

Vor einem Jahr wurde erstmals zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Österreich ein kollektiver Lockdown verordnet. Viele drastische Maßnahmen waren notwendig, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bekommen und das österreichische Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren. Und dennoch mussten Tausende infolge einer Corona-Infektion ihr Leben lassen. Mit großem Verständnis und einem erstaunlichen Geist solidarischer Verbundenheit hat die Bevölkerung die vielen Einschränkungen mitgetragen. Es war allen bewusst, dass die Bekämpfung der größten Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg viele Entbehrungen erfordert. Besonders getroffen hat es Menschen, die schon vor der Corona-Zeit mit unterschiedlichen Belastungen zu kämpfen hatten.

Auch die gewohnte religiöse Praxis der Kirchen und Religionsgemeinschaften musste teilweise auf ein Minimum reduziert werden. Das war ein seelisches Leid für viele. Leider konnten viele seelsorglichen Dienste an Kranken und Sterbenden ebenso wie an ihren Angehörigen nicht ausreichend wahrgenommen werden. Dennoch haben die Kraft des Glaubens und der Geist der Zuversicht unzählige Menschen vor Verzweiflung bewahrt und zu einer Kreativität der Für- und Seelsorge inspiriert. Große menschliche Empathie hat viele vor der Falle des Selbstmitleids bewahrt.

Seit März 2020 gab es ein Auf und Ab von restriktiven Maßnahmen und ersehnten Lockerungen, von phasenweise wohl auch überzogen scheinenden Beschneidungen bürgerlicher Freiheitsrechte und nicht weniger riskanten Öffnungsschritten. Wir haben ein Jahr hoher Erwartungen und Sehnsüchte, aber auch ebenso intensiver Enttäuschungen und vielerorts geäußerter Empörungen hinter uns. Nicht zu übersehen sind die aktuellen Ermüdungserscheinungen und die enormen psychischen Belastungen der letzten Monate, die sich vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen zeigen. Viele haben ihren Arbeitsplatz verloren, sehen ihr Unternehmen in Gefahr oder stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.

Die Kultur des Zusammenhalts und der gegenseitigen Wertschätzung wurde in unserem Land auf eine enorme Belastungsprobe gestellt. Und wir sind immer noch mittendrin in den Auseinandersetzungen um richtige Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die Aufarbeitung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen und Schäden wird von uns allen den Einsatz materieller, geistiger und spiritueller Ressourcen erfordern. Als Kirche leisten wir mit Seelsorge, sozialen und caritativen Diensten sowie durch die Stärkung von Gemeinschaft ganz selbstverständlich unseren Beitrag. Achten wir darauf, den Geist der Wertschätzung füreinander trotz unterschiedlicher Lösungsansätze für die anstehenden Probleme nicht zu verlieren.

Wir möchten allen danken, die im vergangenen Jahr einen Beitrag zur Überwindung der Pandemie geleistet haben und dies immer noch tun. Kein herzhaftes Engagement, sei es im Rampenlicht der Öffentlichkeit oder im Verborgenen, ist selbstverständlich - auch nicht fehlerfrei. Dies zuzugeben, hilft uns menschlicher miteinander um- und den wichtigen Schritt des Dialogs zu gehen. Unser Dank gilt allen Verantwortlichen in der Politik sowie in den vielen Bereichen gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens, die mit großem Einsatz einen Weg durch die Krise vorgeben und umsetzen mussten. Wir möchten das Bewusstsein stärken, dass wir alle Verantwortung übernehmen müssen und im Dienst an der Gemeinschaft zur Verwirklichung einer "geistvollen Normalität" beitragen können. Die Teilnahme am staatlichen Impfprogramm und die weiterhin sorgfältige Beachtung der Hygienevorschriften und der noch immer notwendigen Maßnahmen sind logische Empfehlungen, die sich daraus ableiten.

In dieser schwierigen Zeit schöpfen wir neue Kraft aus dem Gebet und erbitten wir für alle Menschen Gottes Segen. Ebenso laden wir dazu ein, die Nöte und Anliegen unserer Zeit mit großer Zuversicht Gott anzuvertrauen. Der österliche Geist des auferstandenen Christus wird uns im kommenden Fest - auch wenn wir es nur mit den notwendigen Einschränkungen feiern können - ermutigen und zum Aufstehen in den bedrängenden Krisensituationen befähigen. Es trägt uns der österliche Glaube, dass alles Lebensbedrohliche und selbst der Tod nicht das letzte Wort haben werden.

2. Beistand und Schutz am Lebensende

Bis jetzt konnte jeder Mensch am Lebensende in Österreich darauf vertrauen, dass sein Leben rechtlich geschützt und unantastbar ist. Therapie und Begleitung bildeten den bewährten österreichischen Weg, um Alten, Kranken und vulnerablen Personen bis zuletzt ein Leben in Würde zu ermöglichen. Dafür gab es bis jetzt einen Konsens unter allen im Parlament vertretenen Parteien. Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, mit dem das Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung aufgehoben wurde, ist das unbedingte Ja zum Leben in Frage gestellt. Mit Recht wurde wiederholt vor diesem kulturellen Dammbruch gewarnt.

Die österreichischen Bischöfe lehnen den assistierten Suizid weiterhin entschieden ab, auch wenn ihnen Situationen vertraut sind, in denen Menschen aus Verzweiflung den Wunsch nach einer Beendigung ihres Lebens äußern. Das ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Die ganze Gesellschaft und vor allem der Gesetzgeber sind jetzt gefordert, eine lebensgefährliche Dynamik zu verhindern, die bisher in allen Ländern eingetreten ist, wo der unbedingte Schutz des Lebens gelockert wurde. Daher liegt es nun an den politischen Entscheidungsträgern, alles zu unternehmen, um die Suizidprävention als staatliches Gesundheitsziel gesetzlich abzusichern und auszubauen. Selbsttötung ist eine existenzielle Tragödie, meist eine tödliche Konsequenz eines verzweifelten Hilferufs. Sie hinterlässt auch bei den Verbliebenen oftmals tiefe Wunden.

Um bis zuletzt möglichst würdevoll und schmerzfrei leben zu können, ist eine flächendeckende, wohnortnahe und leistbare bzw. kostenlose Palliativ- und Hospizversorgung zu garantieren. Dieses Recht auf Palliativ- und Hospizversorgung betrifft sowohl stationäre Hospizbetten, Tageshospize und mobile Hospizteams als auch die verstärkte Ausbildung in Palliativmedizin und Palliativpflege. Daneben braucht es ein breites Bündnis gegen die neue Not der Einsamkeit in unserer Gesellschaft. Wir dürfen niemanden übersehen! Eine Fürsorge-Kultur und solidarisches Miteinander in der Zivilgesellschaft müssen dafür gestärkt und gefördert werden. Als Kirche wollen wir auch in Zukunft dafür einen großen Beitrag leisten.

Der Gesetzgeber muss in klaren gesetzlichen Regelungen Suizidwillige sowohl vor der Einflussnahme durch andere schützen, als auch mit einer verpflichtenden Beratung Klarheit über die eigene Situation vermitteln. Menschen in bedrängenden Lebenslagen brauchen ein hohes Maß an Aufklärung, Beratung und Information. Sie haben ein Recht auf das Wissen um Diagnose und Prognose einer Krankheit, die Möglichkeiten der Palliativ- und Hospizversorgung und die Eröffnung neuer Perspektiven durch seelsorgliche Begleitung und psychotherapeutische Beratung.

Darüber hinaus müssen alle, die als Ärzte oder in anderen Gesundheitsberufen tätig sind, in ihrem Dienst am Leben abgesichert werden. Assistierter Suizid darf unter keinen Umständen als ärztliche Leistung oder sonst eine Leistung eines Gesundheitsberufes etabliert werden. Zudem ist verlässlich auszuschließen, dass niemand zur direkten oder indirekten Mitwirkung an einem Suizid gedrängt werden kann - weder organisatorische Einheiten wie etwa Krankhausträger oder Pflegeheime noch Privatpersonen. Diese brauchen vielmehr besondere Unterstützung: Der Gesetzgeber muss die Begleitung und Beratung ermöglichen und entsprechende Stellen damit beauftragen.

Schon gar nicht darf aus der Beihilfe zum Suizid eine Geschäftemacherei werden. Die Förderung der Selbsttötung sollte in unserem Land nicht als Vereinszweck akzeptiert werden. Auch ist zu verhindern, dass es im Zuge der Suizidbeihilfe zur Vorteilsgewährung für daran Beteiligte kommt.

Zahlreiche Frauen und Männer stehen in kirchlichen Beratungs- und Therapieeinrichtungen, Krankenhäusern, Pflege- und Hospizangeboten sowie Seniorenwohnheimen im Dienst der Menschen und ihres Lebens. Sie teilen mit vielen in Österreich die Überzeugung, dass man "an der Hand eines anderen Menschen sterben soll und nicht durch die Hand eines anderen Menschen".

3. Ein "Jahr der Familie" als Chance

Familien waren nicht im Lockdown. Im Gegenteil, sie mussten funktionieren, weil sie als kleinste, pulsierende Zellen unserer Gesellschaft systemrelevant sind. Im anstrengenden Jahr der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, was Familien - dabei vor allem die Frauen - zu leisten imstande waren: Sie waren Schutzraum und Umschlagplatz für alles, was Jung und Alt als Ohnmacht und Überforderung erlebten. Sie boten Zusammenhalt, Erholung und waren zugleich überfrachtet mit Arbeit - Homeoffice, Kinderbetreuung, Homeschooling, Sorge um zu betreuende Angehörige und vieles mehr. Gerade Alleinerziehende waren enorm gefordert und mussten vieles alleine bewältigen, weil coronabedingt zahlreiche Unterstützungssysteme wegfielen.

In diesem Jahr waren aber auch viele Familien schlichtweg überfordert. Oft macht sich durch die Mehrfachbelastungen auch Erschöpfung breit. Es kam vielfach zu Krisen und auch verstärkt zur Erfahrung von Gewalt.

Wir möchten als Bischöfe allen danken, die in den Familien und familiären Gemeinschaften füreinander da waren. Ebenso danken wir jenen, die in den verschiedensten sozialen und therapeutischen Einrichtungen zur Unterstützung von Familien in Krisensituationen arbeiten. Der staatliche Familienhärtefonds zur Unterstützung von Familien in finanziellen Schwierigkeiten war ein richtiges Signal. Es sollte durch viele weitere Initiativen und Zeichen der Wertschätzung ergänzt werden, um all jene zu ermutigen, die an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen sind. Es braucht eine ständige Verbesserung der wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen für die Familien unseres Landes in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen und Kontexten.

Familien mit kleinen Kindern sind die unersetzlichen Start-Ups in Gesellschaft und Kirche. So vielfältig sie auch sein mögen, sind sie für Kinder Lernorte für eine erste soziale Orientierung, für Rücksicht und Solidarität. Hier wird die Basis für Selbstbewusstsein und Urvertrauen gelegt, es werden Beziehungsfähigkeit und Wertehaltungen erlernt. Die Herausforderungen an Familien ändern sich, wenn die Kinder größer werden, das Haus verlassen, unerwartete Ereignisse wie Tod, Scheidung oder Arbeitslosigkeit eintreten. Aber auch wenn Angehörige - meist von Frauen - zu Hause gepflegt werden.

Gott selbst ist in einer Familie Mensch geworden. Somit haben alle erfreulichen und schwierigen Umstände familiären Lebens auch mit Gott zu tun. Familien in all ihrer Vielfalt sind Kirche! Aufgrund dieser Überzeugung hat Papst Franziskus anlässlich des fünfjährigen Jubiläums des apostolischen Schreibens "Amoris Laetitia", über die Freude der Liebe, ein "Jahr der Familie" ausgerufen. Es beginnt mit dem 19. März 2021 und endet mit dem Weltfamilientreffen vom 22. bis 26. Juni 2022 in Rom.

Das Jubiläumsjahr "Amoris Laetitia" soll zu einer neuen Wertschätzung von Familien in unserer Gesellschaft beitragen. Eine eigene Homepage www.amorislaetitia.at wird als Vernetzungsplattform eingerichtet, um allen Familien und Familien-Initiativen Impulse und Inspiration für ihre Arbeit zu geben. Sie alle stellen sich sowohl den phantastischen Seiten familiärer Wirklichkeit als auch den Krisen und Herausforderungen. Zusätzlich gibt es in allen Diözesen über die Familienstellen Angebote zum Familienjahr. Ehepaare, Eltern und Großeltern, Kinder und Jugendliche sollen selbst noch stärker als Träger der Familienpastoral in die Strukturen der Diözese und der Pfarren eingebunden werden.

4. Gemeinsam gegen Menschenhandel

Menschenhandel ist eine moderne Form der Sklaverei. Durch ihn werden vor allem Frauen, Kinder und Jugendliche, aber auch Männer zur Ware degradiert, entwürdigt und missbraucht. Der Blick auf die meist verdeckte und umso erschreckendere Realität auch in Österreich macht deutlich: Menschenhandel ist eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte, eines der schlimmsten Verbrechen und ein schmutziges Geschäft ungeheurer Größe. Mit einem Volumen von rund 150 bis 200 Milliarden Euro jährlich ist der Handel mit Menschen nach dem Drogenhandel das einträglichste Verbrechen.

Mit dem von Papst Franziskus 2015 eingeführten "Internationalen Tag des Gebets und der Reflexion gegen Menschenhandel" will die Kirche das Bewusstsein für diese himmelschreiende Sünde schärfen und gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Kräften dagegen vorgehen. Die Bischöfe haben sich bei ihrer Vollversammlung gemeinsam mit Expertinnen und Aktivisten mit den Ursachen von und möglichen Maßnahmen gegen Menschenhandel befasst. Dabei wurde deutlich, dass Österreich durch seine geographische Lage ein Transit- und Zielland für Menschenhandel ist. Er geschieht vor allem durch sexuelle Ausbeutung von Frauen, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und Kinderhandel. Hauptbetroffenen sind Frauen aus Osteuropa, Nigeria und China.

Der Kampf dagegen muss auf vielen Ebenen geführt werden. Das betrifft die damit verbundenen kriminellen Netzwerke genauso wie die persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Ursachen für den Menschenhandel. Verschiedene Formen der Armut, gefährliche familiäre Verhältnisse, ökologische Desaster oder der Traum von einem besseren Leben drängen Menschen in den Herkunftsländern in die Hände Krimineller. Gleichzeitig werden diese Menschen angezogen, weil es an ihnen einen Bedarf hier bei uns in ungeliebten Arbeitsfeldern wie beispielsweise im Haushalt, bei der Ernte oder auch am Bau gibt.

Den vielfältigen Ursachen für Menschenhandel müssen umfassende Maßnahmen entgegengesetzt werden. So braucht es auf der gesetzlichen Ebene vor allem einen starken Schutz der Opfer und hohe Strafen für Menschenhändler. Mehr als bisher sollte sich Österreich an Modellen und Ländern orientieren, die diejenigen kriminalisiert, die aus Prostitution oder anderen Formen sexueller Ausbeutung der Opfer von Menschenhandel Vorteile ziehen. Außerdem braucht es Verschärfungen der Geldwäsche-Normen, damit Geld aus dem Menschenhandel nicht "weißgewaschen" werden kann - schon gar nicht in Österreich.

Im kirchlichen Bereich gilt es den Gebetstag gegen Menschenhandel am 8. Februar, dem Gedenktag der Hl. Josefine Bakhita, noch stärker zu verankern. Neben der Bewusstseinsbildung braucht es konkrete - auch finanzielle - Unterstützung von Projekten. Sie reichen von Streetwork (aufsuchendem Dienst) über Schutzwohnungen, bis zu Therapieangeboten und Berufsausbildung für diejenigen, die den Ausstieg geschafft haben. Gelungene Beispiele dafür sind der Verein "Solwodi" (Solidarity with women in distress), wo sich seit 2010 Ordensfrauen verschiedener Gemeinschaften für weibliche Opfer von sexueller Gewalt und Prostitution einsetzen. Weitere beispielhafte Initiativen sind die Vereine "Kavod" ("Würde") und "Hope for the future". Und auf internationaler Ebene spielt u.a. der Malteser-Orden eine wichtige Rolle im Kampf gegen Menschenhandel.

Menschenhandel ist eine "Schande für die Menschheit", die nicht zu tolerieren ist, wie der Papst zuletzt in seiner Enzyklika "Fratelli tutti" unterstrichen hat. Daher gilt es die Zusammenarbeit aller guten Kräfte dagegen zu stärken, Überlebende des Menschenhandels konkret zu unterstützen, ihre Wiedereingliederung in ein selbstbestimmtes Leben zu fördern und die strukturellen Ursachen von Menschenhandel zu beseitigen.

5. Hilfe für Menschen auf der Flucht

Die Corona-Pandemie führt uns vor Augen, wie verletzlich unsere Gesellschaft und unser Leben sind. Ein menschenwürdiges Leben in Sicherheit ist nicht selbstverständlich. Diese Erfahrung sollte uns auch hellhörig machen, wenn Menschen gezwungen sind, vor Krieg und Verfolgung aus ihrer Heimat zu fliehen.

Die österreichische Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten konkrete Schritte gesetzt, um der Not von geflüchteten Menschen im Norden Syriens, aber etwa auch in Griechenland oder in Bosnien-Herzegowina zu begegnen. Diese notwendige Hilfe vor Ort als Ausdruck internationaler Verantwortung und Solidarität wird von den Bischöfen ausdrücklich begrüßt. Österreich zeichnet ein großes humanitäres Engagement aus, das hat es in der Vergangenheit immer wieder eindrucksvoll bewiesen und es ist ein Segen für unser Land.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der dramatischen Zustände auf den griechischen Ägäis-Inseln erneuern wir Bischöfe unseren Appell an die österreichische Bundesregierung, schutzbedürftige Familien mit kleinen Kindern und unbestrittenen Fluchtgründen im Rahmen einer geordneten europäischen Rettungsaktion in Österreich aufzunehmen. Dieses humanitäre Aufnahmeprogramm ist konkreter Ausdruck jener Werte, für die Europa und das Christentum stehen. Österreich soll sich jetzt daran beteiligen und dabei dem Beispiel Bulgariens, der Schweiz, Belgiens, Deutschlands und anderer Staaten in Europa folgen. Aus persönlichen Gesprächen mit Bürgermeistern, Gemeinden, Pfarren und Initiativen wissen wir Bischöfe, dass viele in Österreich bereit sind, diese Menschen aufzunehmen, zu betreuen und zu integrieren. Die Kirche und viele Initiativen in ihrem Umfeld wollen sich daran beteiligen und haben gerade in letzter Zeit ganz konkrete Angebote und Vorschläge dazu gemacht.

Gleichzeitig muss Europa endlich eine gerechte und solidarische Lösung im Umgang mit geflüchteten Menschen finden, die bis heute leider schmerzlich fehlt. Grenzen zu sichern und Menschen zu schützen dürfen einander niemals ausschließen. Menschenwürde und Menschenrechte müssen ausnahmslos für alle Menschen gelten, unabhängig davon, wo sie geboren wurden. Für den Umgang mit Menschen auf der Flucht erinnern die Bischöfe an die Worte von Papst Franziskus in seiner Sozialenzyklika "Fratelli tutti", die auch für Österreich gelten: "aufnehmen, schützen, fördern und integrieren".

6. "Ein Dach für Kroatien"

In den Tagen nach Weihnachten hat in Kroatien eine Serie von Erdbeben rund 50.000 Häuser beschädigt oder zerstört und damit Tausende obdachlos gemacht. Betroffen davon ist hauptsächlich die wirtschaftlich schwache Region Banovina, was die Not der Menschen noch größer macht.

Vielfältige Anstrengungen werden nötig sein, um den Erdbebenopfern wieder ein Dach über den Kopf und ein geregeltes Leben zu ermöglichen. Große Hilfe dafür kommt auch aus Österreich, sei es von den kroatischen Gemeinden in den Diözesen, der Caritas oder beispielsweise der Salzburger Organisation "Bauern helfen Bauern". Ob spontan und im kleinen Kreis oder geplant und von bewährten Institutionen - alles ist willkommen und zeigt, wie groß die Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen in Kroatien ist.

Die österreichischen Bischöfe sind dankbar für die großzügige Hilfsbereitschaft vieler und begrüßen die Hilfsaktion "Ein Dach für Kroatien" der Diözese Eisenstadt. Dabei sollen in Zusammenarbeit mit der kroatischen Regierung sowie mit Bau- und Handwerksfirmen in Kroatien und im Burgenland 85-Quadratmeter-Holzhäuser für Erdbebenopfer errichtet werden. Eine Spendenaktion in den burgenländischen Pfarren ist die Initialzündung für dieses Projekt, das eine dringend notwendige und zugleich ökologisch nachhaltige Hilfe bringen soll. Wir Bischöfe laden Personen und Institutionen ein, sich daran zu beteiligen.

(Caritas-Spendenkonto für die Aktion "Ein Dach für Kroatien": IBAN: AT34 3300 0000 0100 0652, Kennwort: "Holzhäuser für Kroatien")

7. Papst Franziskus im Irak - Ein Auftrag auch an Österreich

Papst Franziskus hat von 5. bis 8. März den Irak besucht. Sein Besuch galt der kleinen, leidgeprüften christlichen Minderheit im Land, darüber hinaus aber auch den vielen anderen Minderheiten und schließlich allen Irakern. Die österreichischen Bischöfe hoffen und beten, dass dieser Besuch des Papstes ein neues Kapitel des Friedens und der Gerechtigkeit im Irak und darüber hinaus im Nahen Osten einleiten wird. Und wir wollen dazu auch unseren eigenen Beitrag leisten.

Franziskus ist als "Pilger des Friedens" in das Zweistromland gereist und hat ein überzeugendes Zeichen für Versöhnung zwischen den Religionen und Völkern gesetzt. Seine Begegnung mit dem schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani in Nadschaf wird - so ist zu hoffen - bahnbrechende Impulse für den Dialog zwischen Christen und Muslimen bewirken. Dass der Irak in Erinnerung an diese Begegnung den 6. März künftig jedes Jahr als "Tag der Toleranz" begehen wird, ist ein erstes, sehr ermutigendes Zeichen.

Unvergessen bleibt der Besuch des Papstes in Ur, der Heimat Abrahams, bei der die gemeinsamen Wurzeln von Christentum, Judentum und Islam deutlich wurden. "Gott ist barmherzig, und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst", hat Papst Franziskus betont. Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt seien "Verrat an der Religion", so der Papst. Möge diese Botschaft nicht nur im Orient, sondern weltweit gehört und befolgt werden!

Die Bilder vom Papst zwischen den Trümmern zerstörter Häuser und Kirchen Mossuls und in der wieder renovierten syrisch-katholischen Kathedrale von Karakosch erinnern an das Terrorregime des IS und seine Absicht, das christliche Leben auszulöschen. Doch die Christen von Karakosch haben ihre Kirche wieder aufgebaut und damit ein Zeichen gesetzt, dass Hass und Gewalt niemals das letzte Wort haben werden, sondern Frieden, Hoffnung und Versöhnung. Papst Franziskus hat mit seinem Besuch im Irak gleichsam das Siegel auf diese Botschaft gesetzt und die Christen im Irak sowie im ganzen Orient ermutigt, in ihrer Heimat zu bleiben, ein Zeugnis für die christliche Kraft der Vergebung und Versöhnung abzulegen und am Aufbau des Landes mitzuwirken.

Papst Franziskus hat in seinen Begegnungen mit den politisch Verantwortlichen im Irak ein Ende von Gewalt und Korruption und gleiche Rechte für alle Bewohner eingemahnt. Dabei braucht es auch Unterstützung aus Europa und anderen Ländern. Wir Bischöfe sehen im Besuch des Papstes im Irak deshalb einen mehrfachen Auftrag. Wir appellieren zum einen an die heimische Politik, sich bilateral wie auch im Rahmen der EU für Frieden, politische Reformen und faire Wirtschaftsbeziehungen in und mit dem Nahen Osten einzusetzen. Österreich sollte auch die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Irak und anderen Ländern der Region ausbauen. Zukunftsperspektiven sind letztlich der einzige Garant dafür, dass Menschen auch in ihrer Heimat bleiben wollen und können.

Es gibt bereits eine Reihe von Verbindungen zwischen der Kirche in Österreich und dem Irak. Zum einen waren und sind heimische Hilfswerke und Institutionen vor Ort tätig; etwa die Initiative Christlicher Orient, Kirche in Not, die Caritas, Christen in Not, die Päpstlichen Missionswerke, die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände, die Kardinal König Stiftung oder auch die Malteser. Es gibt auch schon einige Pfarrpartnerschaften zwischen Österreich und dem Irak. Alle diese Möglichkeiten gelebter Solidarität sollen weiter ausgebaut werden.

Dem dienen auch die persönlichen Kontakte der Bischöfe zu den Christen im Irak. So hat Kardinal Christoph Schönborn 2016 in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, christliche Flüchtlinge besucht, die vor der IS-Terrormiliz aus Mossul und der Ninive-Ebene geflohen waren. Bischof Manfred Scheuer war 2013 und 2017 im Nordirak. Schon 2008 war Weihbischof Franz Scharl im Irak und Bischof Werner Freistetter plant seit längerem - mit der Initiative Christlicher Orient - eine Irak-Reise, die wegen der Pandemie noch nicht durchgeführt werden konnte.

Papst Franziskus hat mit seinem Besuch im Irak die Augen und Herzen vieler Menschen im Irak und weltweit geöffnet und die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben gestärkt. Daran gilt es auch von Österreich aus in christlicher Verbundenheit jetzt weiterzuarbeiten.

8. Zuständigkeiten in der Bischofskonferenz

siehe: eigenen Bericht (bitte hier klicken)