Pfarre

Katholische Hochschulgemeinde

Humor als göttliche Gabe?

Ansprache von Christian Hölbling bei der Thomasmesse

Christian Hölbling (© Foto: Theresa Pewal)
Christian Hölbling (© Foto: Theresa Pewal)

Gebet eines Skeptikers:

"O Gott (falls es einen Gott gibt), rette meine Seele (falls ich eine Seele habe)!"
(Ernest Renan, franz. Schriftsteller und Religionswiss.)

 

Ich danke herzlichst für die Einladung, die aus Anlass des Faschings erfolgt ist, einer Zeit, der ich selbst mit großer Skepsis gegenüberstehe. Ich sehe das Bemühen der Wurstverkäuferin, wenn sie mich als Miezekatze bedient, aber es erfreut mich nicht. Auch wenn Dutzende Konvois von halb, dreiviertel oder ganz Betrunkenen mit ohrenbetäubendem Lärm und "Leilei-Geschrei" an mir vorbeifahren, stellt sich bei mir keine Lustigkeit ein. Und Übertragungen von Faschingssitzungen im Fernsehen laufen bei mir unter dem Folterparagraphen, nicht als Abendunterhaltung. Insofern bin ich froh, dass mir diese Aufgabe hier eine willkommene Ablenkung liefert.

Was mich bei der Vorbereitung auf diesen Vortrag von Anfang an gestört hat, war der Titel: "Humor als göttliche Gabe?" Noch dazu, wo der Vorschlag für diesen Titel von mir selbst kam. Was habe ich mir dabei nur gedacht? Bestimmt glauben die Leute, dass ich damit sagen will, dass ich selbst über diese göttliche Gabe verfüge und mir wahnsinnig etwas darauf einbilde. Diese Eitelkeit wird alle in ungläubiges Staunen versetzen. Und das bei der Thomasmesse.

Um mich wieder sympathisch zu machen, muss ich also zuallererst erklären, dass ich erstens gar keinen Humor habe, und wenn, dann nicht immer, jedenfalls nicht immer, wenn ich ihn wirklich brauchen würde, und zweitens, wenn es doch so wäre, dass ich mir nicht einbilde, diesen Humor von der allerhöchsten Instanz persönlich erhalten zu haben.

Des weiteren wäre es ratsam, dass ich mich als besonders gescheit darstelle, damit meine Einladung auch gerechtfertigt erscheint. Unbedingt muss ich auf Umberto Ecos "Der Name der Rose" zu sprechen kommen, wo ein Mönch zum Mörder wird, weil er fürchtet, dass ein Buch in der Klosterbibliothek, nämlich jenes von Aristoteles über das Lachen, das mittelalterliche Einschüchterungssystem des Christentums zum Einsturz bringen könnte. Ich muss auch über das Osterlachen berichten, das sich erhob, wenn der Pfarrer im Mittelalter fröhliche oder gar obszöne Geschichten erzählte. Oder über die Narrengottesdienste, in denen am Altar Würste verzehrt und Schuhsohlen in Weihrauch gebraten wurden. Immerhin entwickelten sich aus all dem der Karneval und der Fasching. Auch der "Heilige des Humors" wäre zu erwähnen, Philipp Neri, genannt Pippo, der im 16. Jahrhundert lebte. Er war sehr volkstümlich; die Menschen nannten ihn einen "komischen Heiligen". Es heißt, sein Herz strahlte eine so starke Hitze aus, dass man im Winter die Fenster weit öffnen musste. Da ich aber nun nicht glaubhaft den Bibelforscher oder Religionswissenschaftler geben kann, höre ich mit dem Gescheitsein gleich wieder auf.

Doch gehen wir der Reihe nach vor. Wenn Humor eine göttliche Gabe sein soll, setzt das voraus, dass Gott Humor hat. Gott hat uns nach seinem Ebenbild erschaffen. (Seufzt) Das hilft uns also überhaupt nicht weiter, denn für den humorlosen Menschen ist dann Gott ernst und streng, und der humorvolle Mensch stellt sich seinen dazupassenden Gott entsprechend heiter vor. Mir ist im Christentum aber nichts von einem lachenden Gott bekannt. Außer in der Geschichte von Abraham und seiner Frau Sarah. Er war über hundert Jahre alt, sie neunzig. Als Gott ihnen prophezeite, dass sie ein Kind bekommen würden, lachten beide. Zuerst aus Zweifel, dann aus Freude, als Sarah tatsächlich schwanger wurde. Sie nannten ihr Kind schließlich Isaak, was „Gott lacht“ bedeutet.

Das ist, zugegeben, ein recht dürftiger Hinweis auf einen humorvollen Gott. Hier muss also ein Experte, in diesem Fall ein Literaturkritiker beigezogen werden.

Hellmuth Karasek, selbst ein humorvoller Mensch, sagt: "Vielleicht braucht Gott Humor, wenn er sieht, was die Menschen mit seiner Schöpfung anrichten."

Andere wiederum sehen in der Schöpfung selbst Anzeichen von göttlichem Humor. Etwa, wenn man sich das Schnabeltier anschaut. Oder ein dickes weißes Engländermännchen am Meeresstrand.

Auch Gottes Sohn könnte man als Zeugen anführen. "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." Wer so etwas sagt, hat bestimmt Humor, und es heißt ja, wie der Vater, so der Sohn. Aber auch das ist nur eine Mutmaßung; es könnten ja auch die Gene der Mutter durchgeschlagen haben.

Nun hat aber auch niemand behauptet, dass die göttliche Gabe des Humors nur von einem christlichen Gott kommen kann. Würde man eine Art Hitliste der humorvollsten Religionen erstellen, dann wäre vermutlich das Christentum sowieso nicht an erster Stelle. Da hätte das Judentum sicher Chancen auf einen Stockerlplatz, denn der jüdische Humor ist sprichwörtlich.

Für die alten Griechen war das Lachen der Götter auf dem Olymp selbstverständlich. Im Hinduismus wird Krishna als fröhlicher Gott dargestellt, der süße Leckereien nascht. Von einem humorvollen Allah weiß ich nichts, aber vom Propheten Mohammed wird überliefert, dass er durchaus zu Scherzen aufgelegt gewesen sein soll.

Auch Buddha lacht einem entgegen: Wer seinen Bauch reibt, soll angeblich Glück erfahren. Ein lebender Vertreter des fröhlichen Buddhismus ist der Dalai Lama. Unvergesslich ist die Szene, als der damalige LH Dörfler ihm einen hohen Kärntner Landesorden überreichte. Leider war das Band zu eng, um es über den Kopf zu ziehen. Das Bild des lachenden Dalai Lama mit dem Orden über der Brille ging durch die Medien. Bei diesem Mann scheint mir Humor als göttliche Gabe zutreffend. Wobei das die Chinesen sicher anders sehen. Aber das ist ein anderes Thema.

Die erste Frage, ob Gott, welcher Religion er auch immer angehört, Humor hat, bleibt also ziemlich ungeklärt.

Für Martin Luther war Satan ein Geist der Traurigkeit und Gott hingegen der Geist der Freude. Aber Freude und Humor sind ja nicht gleichzusetzen.

Die zweite Frage ist also: Was ist denn Humor überhaupt? Ist Humor so ein hohes Gut, dass es als göttliche Gabe erstrebenswert ist? Heißt Humor, dass einer viele Witze erzählen kann? Dass einer beim Villacher Fasching besonders laut lacht? Meiner Ansicht nach ist Humor viel mehr als das: nämlich eine Lebenseinstellung. Eine Haltung. Die kann selbstverständlich auch leise sein, dezent, feinsinnig, kultiviert und muss sich nicht einmal in Lachen äußern.

Humor bewahrt davor, sich selbst zu wichtig zu nehmen. Die Theologin und Clownin Gisela Matthiae sagt: "Wo Menschen aufeinandertreffen, die nicht in der Lage sind, sich selbst, ihre Ansichten oder Traditionen zu hinterfragen, ist kein vernünftiger Dialog möglich." Ein Beispiel dafür sind Extremisten und Fundamentalisten, die vollkommen humorlos sind. Humor führt also aus der reinen Innensicht einer Weltanschauung hinaus und ermöglicht eine selbstkritische Haltung.

Wer Humor besitzt, kann darüber lächeln, dass Wunsch und Wirklichkeit oft auseinanderklaffen. Gelacht wird in der Regel dann, wenn etwas nicht so ist wie erwartet. Oder, wie es im tausendfach zitierten Spruch von Otto Julius Bierbaum heißt: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht." Insofern hat Humor immer auch einen Bezug zur Endlichkeit und Begrenztheit alles Irdischen. "Die Schöpfung ist eben nicht vollkommen; wäre sie es, wir bräuchten keinen Humor", schreibt die evangelische Pfarrerin Henriette Crüwell.  Sie ist sich gewiss, dass Humor alles andere als ein Zeit-Vertreib ist, sondern vielmehr die Anerkennung der Zeitlichkeit. Der humorvolle Mensch lache eben trotzdem. Er wisse um die Endlichkeit des Lebens und nehme sie entsprechend heiter und gelassen an. Derjenige aber, der nur seinen Spaß suche, tue sich damit schwer. Er lache zwar gern, aber nicht trotzdem. Der Spaßsucher bekenne sich nicht zur Endlichkeit seines Lebens.

Es geht also nicht darum, über jede Lebenslage, und sei sie auch noch so dramatisch, drüberzulächeln, eine antrainierte Fröhlichkeit zu üben wie in der Politik, im Showbusiness, in der volkstümlichen Musik. Es geht nicht um So-tun-als-ob, um ein Leben in der vielzitierten Spaßgesellschaft, ums immer Gut-drauf-Sein. Es gibt immer wieder Situationen, in denen einem das Lachen vergeht, und das hat seine Berechtigung.

Oft wird behauptet, dass humorvolle Menschen einfach den Ernst des Lebens nicht sehen. Ich halte das für eine Unterstellung. Ich kenne viele Menschen, die eine große Tiefe haben, die mitfühlend sind, die wissen, wie sich Leid anfühlt und die gleichzeitig sehr humorvoll sind.

Und dann gibt es Menschen, die alles sehr ernst nehmen, zuallererst sich selbst. Für sie zählen nur Fakten und das, was sich zählen und errechnen lässt. Das Große ist groß, das Kleine klein. Schwarz ist schwarz und Weiß ist weiß. Es sind Menschen, denen oft eine zweite Ebene fehlt: ein Standpunkt außerhalb ihrer selbst und der Welt, in der sie leben. Die Fähigkeit, zu sich selbst und zu den Umständen des Lebens Abstand zu nehmen, die Dinge aus der Distanz zu betrachten, zu differenzieren. Pfarrerin Crüwell meint dazu: "Solcherart humorlose Menschen sind zutiefst unfreie Menschen. Gefangen im festen Griff der Realität. Es gibt nur die Wirklichkeit, in der sie leben." Dieser "tierische Ernst", meint sie, ist dem Menschen unangemessen.

Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber nennt den Humor den "Milchbruder des Glaubens" und fügt erklärend hinzu: "Wenn ein Mensch nur Glauben hat, steht er in Gefahr bigott zu werden. Hat er nur Humor, läuft er Gefahr, zynisch zu werden. Besitzt er aber Glaube und Humor, dann findet er das richtige Gleichgewicht, mit dem er das Leben bestehen kann."

So wie alles, hat natürlich auch der Humor seine Polarität. Da gibt es die dunkle Seite, das Verspotten, den Zynismus, den Sarkasmus, das Auslachen, die Schadenfreude, den Witz als Waffe, das böse Grinsen über die Schwächen des anderen, oder, ganz modern, die Psycho-Clowns, die es lustig finden, anderen einen Schrecken einzujagen. Humor als teuflische Gabe? Eher nicht, denn hier handelt es sich wohl gar nicht um Humor, sondern vielmehr um Variationen von Aggressivität, die sich als Humor tarnen.

Ebensowenig ist Humor ein Freibrief nach dem Motto, wenn ich Humor drüberschreibe, kann ich mir alles erlauben. Wenn die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" blutende italienische Erdbebenopfer als Nudelgerichte mit Tomatensauce darstellt, kann ich jedenfalls nicht darüber lachen. Wie ich überhaupt oft nicht lachen kann über eine derart brutale Art der Satire. Mir ist nicht klar, was so etwas zur Verfeinerung unserer Gesellschaft beitragen will.

Die dritte Frage wäre nun: ist Humor tatsächlich eine "Gabe", die einem sozusagen in die Wiege gelegt wird, oder lässt er sich erlernen oder erarbeiten? Ich würde sagen, dass ein Baby, das einigermaßen gesund aufwächst, einen natürlichen Humor hat. Genauso, wie es eine natürliche Liebesfähigkeit und Zuversicht hat. All das sind Überlebensstrategien. Das Baby lächelt und lacht, es reagiert auf Späße und Scherze, und irgendwann, als Kleinkind, beginnt es selber welche zu machen. Ich habe noch kein gesundes Kind getroffen, das auf Spaß nicht positiv reagiert. Dass aus einem in der Regel humorvollen Kind ein bisweilen humorloser Erwachsener wird, wirft die Frage auf, was im Prozess des Aufwachsens alles passiert ist an Traumatisierung, Verhärtung, Angst, Manipulation und Enttäuschung. Warum ist das Lebendige verschwunden, sodass nur mehr das "Todernste" übrigbleibt? Und wie mühsam ist es, all das Verschüttete an Freude, Lebendigkeit und Kreativität als Erwachsener wieder freizugraben?

Ein schweres Leben ist noch kein ausreichender Grund für Humorlosigkeit. Ich nehme meine eigenen Großeltern als Beispiel, die in größter Armut aufgewachsen sind, einen Weltkrieg mit Kriegsgefangenschaft und Krankheit erlebten und zeitlebens außerordentlich hart für ihre Existenz arbeiten mussten. Und dennoch haben sie sich bis zum Ende ihren Humor behalten. Er war Teil ihres herzlichen Wesens und hat ihnen das Leben erleichtert. Und wir kennen Schilderungen von Menschen in Diktaturen bis hin zu den extremsten Erfahrungen in Konzentrationslagern, wo der Humor die letzte eiserne Reserve war, die das Menschsein noch auszeichnete.

Es ist wohl unbestritten, dass lebensfrohe Menschen attraktiver auf andere wirken als todernste. Aber erleben ernste Menschen ihre Ernsthaftigkeit als Mangel? Wollen sie den Ernst aufgeben so wie Raucher das Rauchen? Rein aus gesundheitlichen Gründen sollten sie es tun.

Denn der alte Spruch "Lachen ist gesund" wird von der Gelotologie, der Wissenschaft vom Lachen, bestätigt. Lachen setzt das limbische System in Gang, das für die Entstehung von Emotionen wichtig ist. Auf das Lachen folgt Entspannung, das Stresshormon Kortisol wird abgebaut und Endorphine, also Glückshormone werden ausgeschüttet. Die Atmung wird stark angeregt, wodurch die Verbrennung im Körper gefördert wird. Der Blutdruck wird gesenkt, die Muskulatur entspannt sich. Im Hirn werden Botenstoffe und Enzyme freigesetzt. Alles gesundheitsfördernd, sowohl für den Körper als auch für die Psyche. Humor hilft einem also selbst, er hilft aber auch im Beruf, in der Partnerschaft und generell im sozialen Leben.

Was sehr wissenschaftlich klingt, kann ich als Komiker so zusammenfassen: wenn es gelingt, jemanden zum Lachen zu bringen, entspannt sich dieser Mensch augenblicklich und wird in der Sekunde "schöner". Dieser Effekt wiederum fällt auch auf mich zurück und lässt mich ebenfalls entspannen und zufriedener werden. Was auf der Bühne im Idealfall schon gut funktioniert, ist in meiner Arbeit als Clowndoctor bei den Roten Nasen noch unmittelbarer erlebbar. Der Humor kommt hier noch mehr aus dem Herzen und erreicht Kinder und Erwachsene direkter in ihrer Seele. Er schafft Verbundenheit und Linderung, gibt vielleicht auch neue Kraft, macht ein Fensterchen auf zur Heilung. Humor als Seel-Sorge, wenn man so will. Obwohl mir das selbst dann schon wieder zu wichtig klingt. Aber ich muss zugeben, dass ich in solchen besonderen Momenten dann auch selbst beseelt bin und dankbar für den Moment. Wenn dies als Beschreibung für eine göttliche Gabe ausreicht, soll es mir recht sein.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat des englischen Schriftstellers John Priestley:

"Man soll die Wahrheit heiter sagen, denn dem Clown hört man lieber zu als dem Prediger."