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Plattform „Verwaiste Eltern“

Umgang mit Trauer

Umgang mit Trauer
„Anfangs wollte ich verzagen,
und ich glaubt ich trüg es nie;
und ich hab es doch ertragen,
aber fragt mich nur nicht wie!"
(Heinrich Heine)

Trauer - mehr als ein Gefühl


Trauer ist nicht nur ein Gefühl wie Angst, Verzweiflung, Schmerz … Gefühle sind innere Zustände die kommen und gehen.

Mit der Trauer ist das anders. Sie sitzt ganz tief im Herzen, im geistig-seelischen Zentrum der Menschen.

Trauer ist mehr als ein Gefühl, nämlich ein Prozess und das Wissen – das Wissen, dass etwas Wichtiges und Kostbares verloren gegangen ist – und nichts kann dieses Wissen ausradieren.

Die Trauer ist allgegenwärtig, und der Verlust kann nicht ungeschehen gemacht werden. Mit dem Verlust eines Kindes verlieren die Eltern nicht nur das Wertvollste, Wichtigste, und Wunderbarste, sondern gleichzeitig auch ihre Träume und Hoffnungen, und die Möglichkeit, in ihren Kindern weiterzuleben.

Die Trauer durchdringt die harten Schichten unseres Selbstschutzes, taucht uns in Schmerz, Angst und Verzweiflung. Die Trauer ist unvorhersehbar, unkontrollierbar.

Bei der Bewältigung der Trauer gibt es keine Abkürzung – der einzige Weg geht mitten hindurch. Manche sagen, dass die Zeit heile, aber das ist nur die halbe Wahrheit.

„Das Weiterleben ist zu einer extremen Herausforderung geworden, ja von Zeit zu Zeit zu einer Überforderung unserer Kräfte.“ (Zitat von trauernden Eltern)

Trauer kann auch krank machen, nicht gelebte Trauer ist oft der Auslöser für psychosomatische und körperliche Erkrankungen.


Schmerz:

Nichts schmerzt so sehr wie der Verlust eines Kindes – in dem Moment des Verlustes stirbt ein Teil von Dir mit – und man altert innerhalb von Sekunden und Jahre.

Wenn Kinder sterben werden die tief sitzenden Überlebensmechanismen in Form von Angst und Schmerz in uns aktiviert. Man kämpft und leidet. Doch die menschliche Seele macht es machbar, dass nur so kleine Tropfen auf unsere Schmerzen tropfen, die auch bewältigbar und aushaltbar sind.

„Ich schau auf dich herab jeden Tag, und weißt du was ich mich jedesmal frag? Warum trauerst du jeden Tag so sehr um mich, ich bin doch da…. beschütze dich.

Ich bin nicht wirklich fort, nur an einem anderen sehr schönen Ort. Weine nicht mehr so sehr um mich, weil du damit auch mir mein kleines Herz zerbrichst.

Will das du glücklich bist und herzlich lachst, will das du Freude am Leben hast.

Dabei werd ich immer in deinem Herzen sein, und wenn du willst, spür mich, du bist nicht allein“
(Gedanken von trauernden Eltern)

Trauer zu erleben kann uns einen besonderen Zugang zu uns selbst eröffnen. Wenn wir diesen Erfahrungen mit Mitgefühl und Achtsamkeit begegnen, beginnen wir zu begreifen, dass wir viel mehr als die Trauer sind.

Trauerarbeit ist die Arbeit der Liebe an einer anderen, nämlich inneren Beziehung zum verlorenen Kind! (Roland Kachler)

Verlust:

Verlust ist die erste Periode der Trauer und emotional.

Es ist wie ein Faustschlag in den Magen. Es nimmt Dir deinen Atem. Wir wollen die Realität dieses Verlustes nicht akzeptieren, wir wollen nicht glauben, dass die Person, die wir lieben, gestorben ist. Und gleichzeitig ist das die Aufgabe in diesem Zeitraum.

Schock und Fassungslosigkeit lassen normalerweise Schuldgefühle und Bedauern entstehen. Wir verurteilen uns selbst gnadenlos. „Ich hätte ihn früher ins Krankenhaus bringen sollen. Wir hätten andere Behandlungsmethoden versuchen sollen. Ich wünsche, ich hätte mehr Zeit mit ihr verbracht. Ich wollte in dem Moment da sein, als sie starb."

„Wir sind traurig dass du gingst, aber dankbar dass du da warst. Unsere Gedanken kehren in Liebe immer an dich zurück“ (von trauernden Eltern)

Loslassen:

Dies ist eine schmerzvolle Periode, die eine gewisse Zeit andauert, Monate, vielleicht sogar Jahre. Wenn jemand, den wir lieben, stirbt, ist dies nicht ein schmerzhaftes Ereignis, man wird augenblicklich mit der Abwesenheit einer Person konfrontiert.

Wir sehen klar die Rollen, die die Person in unserem Leben gespielt hat, und wir trauern auch darum. In dieser Periode fühlen wir uns sehr alleine. Freunde ziehen sich aus Erschöpfung zurück, andere erzählen uns, wir sollten beschäftigt bleiben oder mit unserem Leben weiter machen. Dies ist unsere individuelle Angst vor Schmerz und unsere kulturelle Geneigtheit, alles Unerfreuliche zu vermeiden. Rat hilft nicht - jedoch zuhören.

„Loslassen an einen sichern ORT“
Die Trauer hilft dem Hinterbliebenen, den Verstorbenen loszulassen.

Doch in der Trauer spürt man auch, dass man nicht Abschied nehmen will, Loslassen schon gar nicht. Natürlich weiß man, dass das geliebte Kind nicht mehr lebt, und deshalb nicht mehr greifbar ist. Das ist der Grund des Schmerzes und der Trauer. Und dennoch, gerade deshalb möchte man es nicht verlieren, sondern weiter in Beziehung mit ihm leben – natürlich eine andere Beziehung.

„Ich will das Kind nicht vergessen, nicht ein zweites Mal verlieren“.

Ja es muss eine andere, eine neue Beziehung sein, die die Abwesenheit des Kindes anerkennt und in der die Liebe weiterleben kann.

Aber wie macht man das angesichts des Schmerzes und der Trauer?

Neben der schmerzhaften Abwesenheit gibt es auch so etwas wie die intensive Nähe zum verstorbenen Kind. Es gibt Momente die mit unglaublichen Begegnungen und Gefühlen verbunden sind.

In der Trauer gibt es nicht nur die Gefühle von Schmerz, Trauer, Ohnmacht, Leere und Wut, sondern auch andere Gefühle die zum Abschied nehmen passen: Mitgefühl, ungeheure Sehnsucht und LIEBE.

Liebe ist

… die Gegenkraft zum Verlust
… stark
… kreativ genug neue Wege zu finden
… heftig und intensiv genug, um die Entstehung einer anderen inneren
Beziehung zum verlorenen Kind entstehen zu lassen.


Und die Liebe will nicht enden, will sich verwirklichen und zeigt uns den Weg, wie man sein verlorenes Kind weiterlieben kann.

Trauerarbeit ist die Arbeit der Liebe an einer anderen, nämlich inneren Beziehung zum verlorenen Kind.

Wie macht das nun die Liebe in der Trauer?

- sie sucht in der Trauer für das verstorbene Kind Orte, an denen sie es findet, an denen sie ihm begegnen kann
- „Wo ist … jetzt“ – diese Frage stellen schon kleine Kinder, wenn die Uroma stirbt.
- Unsere Seele braucht einen Ort, von dem sie weiß, dass der geliebte Mensch gut gehalten und bewahrt ist, an denen der geliebte Mensch gut aufgehoben ist.
- Die Liebe in der Trauer sucht und findet für den geliebten Menschen, das geliebte Kind, den sicheren Ort.

Das können sehr reale Orte sein, des Gedenkens, Orte die im gemeinsamen Leben eine wichtige gemeinsame Beziehung darstellten. Hier kann die Trauer nochmals intensiv aufbrechen, und man ist dem Kind doch so nah.

Die Liebe hilft dabei, so ist es in Ordnung, so ist man zugleich auch getröstet, weil man dem Kind nahe ist.

Die ERINNERUNG ist ein anderer sicherer Ort – ein innerer Ort, an dem man seinem geliebten Kind nahe sein kann und es auch finden kann.

Und immer – bei all den sicheren Orten für den Verstorbenen – geht es darum, dass wir ihn nicht ein zweites Mal verlieren, sondern wir ihn immer wieder finden können, ihm begegnen können und dass eine innere Beziehung weitergehen kann, wie immer die im Einzelnen aussehen mag.

Und noch eine tieferen Sinn hat das Wissen um den sicheren Ort:
Nun weiß ich, wohin ich den Verstorbenen loslassen kann, nämlich an seinen sicheren Ort. Nun ist es nicht mehr ein Loslassen ins Vergessen oder ins Nichts, sondern ein Dort-lassen am ewig sicheren Ort.
Damit ist die Trauer nicht verschwunden, aber sie kann sich beruhigen, sie kann allmählich abfließen. Und allmählich kann man sich wieder auf das äußere Leben, auf das konkrete Leben einlassen.
„Und ich kann das tun, weil ich sicher bin, dass mein geliebter Mensch gut aufgehoben ist, aufgehoben an dem sicheren Ort der Liebe, an dem sicheren Ort der Liebe Gottes.“

(in Anlehnung an Texte von Roland Kachler, Pfarrer, Psychologe und Psychotherapeut und an das Buch „In der Trauer lebt die Liebe weiter“ von Elisabeth Lukas)

„Kleine Seele ich lass dich gehen,
werde ich es auch nie ganz verstehen.
Du hattest bestimmt deinen Grund da zu sein,
und doch ließt du mich viel zu früh allein.
Irgendwie fühl ich, es geht dir gut,
das macht mir Hoffnung, macht mir Mut.
Kleine Seele ich lass Dich gehen,
werde ich Dich auch nie mehr riechen, fühlen und sehen.
Du hast mir gezeigt, wie schön die Sterne glühen,
und wie schön die Blumen blühen.
Kleine Seele ich lass dich gehen,
irgendwann werden wir uns wieder sehen.
Ich durfte für kurze Zeit einen Engel tragen,
dafür möchte ich danke sagen.
Danke für die Zeit die uns blieb,
mein Liebling, ich hab dich sehr lieb.
Wenn uns auch die Zeit für ein gemeinsames Leben nicht blieb
IM HERZEN HAB ICH DICH LIEB“
(Gedicht einer trauernden Mutter)