Organisation

Caritas Kärnten

,,Noch schlimmer als der quälende Hunger ist das Fehlen einer Unterkunft“

Marc und Tom Glintschnig aus Bodensdorf waren als "Obdachlose" in Irland unterwegs

Marc und Tom Glintschnig aus Bodensdorf sind als erste Wanderer den über 900 Kilometer langen „Ireland Way“ zur Gänze gegangen. Das Brüderpaar, das ohne Proviant und Geld unterwegs war, hat dabei Spenden für Wohnungslosentagesstätte „Eggerheim“ der Caritas Kärnten gesammelt: Ein Erfahrungsbericht über das beinharte Leben als Obdachlose, das große Geschenk der Nächstenliebe und einen 36-Tage-Marsch bei klirrender Kälte und unangenehmer Nässe, bei dem die beiden Sozialarbeiter „körperlich und mental“ an ihre Grenzen gekommen sind.

Sie sind das extreme Gehen gewohnt und haben heuer bereits eine 1000 Kilometer lange Fernwanderung durch Israel samt Negevwüste hinter sich, die wegen der Hitze, der Trocken- und Wildheit gefürchtet ist.  Jetzt – im November und Dezember 2017 – bewältigten die Brüder Marc (35) und Tom (29) Glintschnig aus Bodensdorf am Ossiacher See auch noch den mit über 900 Kilometer kürzeren „Ireland Way“ in Irland. „Wir sind die Ersten, die diesen Weg zur Gänze gegangen sind. Unglaublich, dass wir es geschafft haben“, sagen Marc und Tom.  Wobei das Gehen das geringste Problem gewesen sei. Schwer wog dafür die Frage: „Wo werden wir schlafen, was essen?“  Und: „Noch schlimmer als der quälende Hunger trifft einen das Fehlen einer Unterkunft.“

Die Mission

Der ,,Ireland Way“ stand nämlich im Zeichen einer besonderen Mission:  Die beiden haben Spenden für unsere Wohnungslosentagesstätte „Eggerheim“ in Klagenfurt gesammelt. Sie waren ohne Geld und Proviant unterwegs, also beim Schlafen und Essen auf Solidarität und Hilfe der Menschen, die ihnen begegnet sind, angewiesen. „Wir wollten am eigenen Leib erfahren, wie sich Obdachlosigkeit anfühlt und den Blick der Öffentlichkeit für dieses Problem schärfen“, erzählt Marc, der Hauptschullehrer und Master in Sozialer Arbeit ist. „Man kommt an Geschäften, Auslagen und Pubs vorbei und kann sich nichts leisten. Wir haben jetzt eine ganz andere Sicht darauf, was es bedeutet, mittellos und auf Herbergsuche zu sein“, ergänzt Sozial- und Integrationspädagoge Tom.  „Das ist beinhart.“
Die Brüder gingen den Weg von Süden nach Norden, brachen in Castletownbere auf und erreichten in Ballycastle das Ziel. ,,Irland ist landschaftlich wunderschön“, weiß Marc. Er und Tom marschierten Küsten, Seen und Flüssen entlang, durchquerten Wälder und Moorlandschaften und kamen an Burgen, antiken Stätten, historischen und spirituellen Plätzen vorbei. 

Bis zu den Knöcheln im Schlamm

Das unwirtliche Wetter erschwerte das Gehen, verwandelte den 22 Kilo schweren Rucksack auf dem Rücken der Wanderer in Blei. „Es war vorrangig nass und kalt. Es hat geregnet oder es war kurz davor zu regnen“, schildert Tom. Kein Wunder, dass er bereits am zweiten Tag zum ersten Mal ans Aufgeben dachte. „Da steckten wir bis zu den Knöcheln im Schlamm fest. Wir konnten wegen des Nebels die Wegmarkierung nicht finden und brauchten für eine Strecke von 19 Kilometern zehn Stunden.“  Solche mental-emotionalen Tiefs kamen öfters vor. Gott sei Dank gab es aber auch viele Hochs – dank aufmunternder Zeichnungen und WhatsApp-Audio-Botschaften von VolksschülerInnen von zu Hause; dank aufbauender Nachrichten von Freunden, Bekannten und Verwandten sowie toller Medienberichte in der Heimat. „Das gab unendlich viel Kraft zum Weitermachen“, danken Marc und Tom allen UnterstützerInnen – auch jenen vor Ort.   
Auf ihrem Weg, der die Brüder „körperlich und mental“ an ihre Grenzen gebracht hat, trafen Tom und Marc immer wieder Menschen, die ihnen geholfen haben; Pfarrer, die ihnen buchstäblich die Türen öffneten; Männer und Frauen, die über Social Media Hilfe organisiert haben. Diese Nächstenliebe empfanden sie als „großes Geschenk“.

Drei Tage nur Süßigkeiten

Gegen 17 Uhr wurde es jeden Tag finster. Habe man bis zu diesem Zeitpunkt kein Essen „erbettelt“ oder keine Unterkunft gefunden, dann sei mit der Sorge das „große Läuten“ an den Haustüren gekommen. Marc: „Wir haben so gut wie überall geschlafen, im Zelt, in Garagen, in einem Kindergarten und in Pfarrhöfen.“ Dass man offiziell im Auftrag der Caritas Kärnten unterwegs war, erwies sich als große Erleichterung. Fünfmal habe man sogar ein eigenes Haus zum Übernachten gehabt. Eine Chance, die nicht jeder Obdachlose bekäme.  Glück habe man auch in punkto Essen erlebt. „Zwar hat es rund um Halloween drei Tage nur Süßigkeiten gegeben und der Körper nicht das gekriegt, was er gebraucht hätte, aber Hauptsache, wir haben etwas in den Bauch bekommen“, so Tom.

Buch und Vorträge geplant

Nach 36 Tagen Wanderung in Irland sind die Brüder erschöpft, aber voll Tatendrang wieder daheim in Kärnten. Sie wollen ein Buch über ihre Erfahrungen und Erlebnisse fern der Heimat schreiben und planen Vorträge, um Kärntens Wohnungslose weiter unterstützen zu können, denn Tom und Marc wissen: „Während wir aus dem Obdachlosenleben wieder aussteigen konnten, haben viele wirklich Betroffene mangels Zukunftsperspektive kaum eine Möglichkeit dazu.“

(Bericht: I. Worofka)