Brückenbauen zwischen den Kulturen

Interview mit Mag. Martina Ressmann, Rückkehrerin aus Tansania

Mag. Martina Ressmann mit Naseku Kisambu, ihrer tansanischen Arbeitskollegin (© Foto: Mag. Martina Ressmann )
Mag. Martina Ressmann mit Naseku Kisambu, ihrer tansanischen Arbeitskollegin (© Foto: Mag. Martina Ressmann )

Heute dürfen wir Ihnen eine Organisation vorstellen, mit der wir seit langem eng zusammenarbeiten: HORIZONT3000, die größte Nichtregierungsorganisation in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, entsendet seit dem Jahr 1962 österreichische Fachkräfte in den Süden. Waren die Entwicklungshelfer seinerzeit vor allem in handwerklichen Berufen tätig, so unterstützen sie heute Projektpartner in Afrika, Asien und Südamerika zum Beispiel auch im betriebswirtschaftlichen oder im juristischen Bereich.

Sie sind ja gebürtige Kärntnerin, wo sind Sie aufgewachsen?

Mag. Martina Ressmann: Mein Heimatort liegt am Ossiachersee, doch bereits nach der Matura bin ich  eine Zeit lang in Amerika gewesen. Zurück in Österreich habe ich dann Medienmanagement studiert. Meine berufliche Laufbahn habe ich bei der Austria Presse Agentur (APA) begonnen und bin der Medienbranche bis zu meiner Ausreise treu geblieben

Was hat Sie dazu bewogen, mit HORIZONT3000 auf Einsatz in ein Entwicklungsland zu gehen?

Mag. Martina Ressmann: Ich hatte bis zum Zeitpunkt meiner Bewerbung bei HORIZONT3000 immer wieder für die Länder des Südens gespendet. Irgendwann wollte ich selbst dabei sein. Allerdings wollte ich keinen Selbstfindungskurs machen, sondern mein Wissen sinnvoll nutzen und teilen.

Können Sie Ihre Arbeit in Tansania kurz beschreiben? Welche Hilfe oder Unterstützung konnten Sie als Österreicherin Ihrer Partnerorganisation in Tansania anbieten?

Mag. Martina Ressmann: Gemeinsam mit Naseku Kisambu, meiner tansanischen Kollegin vor Ort, haben wir die Public Relations Abteilung der Frauen- und Kinderrechtsorganisation TAWLA (Tanzania Women and Lawyers Organisation) aufgebaut. Meine Aufgaben bestanden im Wesentlichen aus der Erarbeitung einer PR-Strategie, der Schulung von MitarbeiterInnen auf unterschiedliche PR Tools und Media Relations im Allgemeinen. Das Ergebnis war ein verbesserter Außenauftritt, eine optimierte interne Kommunikation und eine funktionierende PR Abteilung, die auch jetzt, nach meinem Einsatz, weiterbesteht.

Wie würden Sie Ihre Partnerorganisation in Tansania beschreiben?

Mag. Martina Ressmann: TAWLA ist eine Kinder- und Frauenrechtsorganisation, die sowohl in Gemeinden Schulungen für BürgerInnen veranstaltet, als auch auf politischer Ebene Lobbying betreibt. Bestehend aus 750 Juristinnen, die landesweit ihren teilweise ehrenamtlichen Einsatz für eine gerechtere Gesellschaft einfordern, ist TAWLA eine der größten Non-Profit-Organisationen, die monatlich ca. 2000 Fälle von benachteiligten Frauen und Kindern entweder gerichtlich oder außergerichtlich löst. TAWLA ist somit eine der „Frauenrechts-Bewegungen “, die die Lücken der Ungerechtigkeit zwischen Mann und Frau zu schließen versuchen. 

Wie hat ein „typischer Arbeitstag“ für Sie ausgesehen?

Mag. Martina Ressmann: Der Tag startete mit einem Abteilungs-Meeting, in dem alle wesentlichen Aufgaben besprochen wurden. Anschließend wurden dann unterschiedliche Arbeitsinhalte behandelt wie zum Beispiel Pressemitteilungen aufgesetzt und verbessert und die Meldungen über unterschiedliche Kanäle verteilt. Ich habe Mitarbeiter geschult, aber auch auf deren Field-Visits begleitet; das war wahrscheinlich die aufregendste Zeit, da man mit der lokalen Bevölkerung, deren Gedanken, Herausforderungen und Sorgen am ehesten in Verbindung kam und so auch in der Außenkommunikation und Planung die Schwerpunkte besser festlegen konnte.

Was bedeutet es, als „Entwicklungshelfer“ für HORIZONT3000 auf Einsatz zu sein?

Mag. Martina Ressmann: Ich finde das Wort „Entwicklungszusammenarbeit“ treffender, da ich wirklich mit einer Kollegin zusammengearbeitet habe. Das Schöne an dem Einsatz mit H3 ist, dass man GEMEINSAM mit jemanden arbeitet und dabei die Organisation und die Person unterstützen kann. Man kommt nicht als Fremdkörper in die Organisation, sondern als Teil eines Systems. Man hat aber auch die Chance,  viel zu lernen. Nicht immer läuft alles nach dem Lehrbuch. Die Regenzeit war besonders einprägsam für mich, einmal kam eine Kollegin, die an diesem Tag einen wirklich unglücklichen Eindruck machte, zu spät zur Arbeit. Als ich sie fragte, was ihr fehle, begann sie zu weinen: Ihr Haus stand unter Wasser und alles sei kaputt. Sie hatte nicht einmal ein Bett. Ich versuchte, sie zu unterstützen und hab ihr gesagt, dass sie sich an diesem Tag frei nehmen dürfe damit sie sich neu einrichten kann.

Auf Einsatz mit HORIZONT3000 zu sein heißt einzutauchen in ein anderes Leben. Es bedeutet, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Der Blick auf Europa ist ein anderer durch den Perspektivenwechsel. Man fährt auf Einsatz um zu geben und bekommt ungemein viel zurück.

Gab es ein berufliches Erlebnis, das Ihnen in bleibender Erinnerung bleiben wird?

Mag. Martina Ressmann: Bei einem Kurzeinsatz in Kenia war ich bei einer Frauengruppe, die Bäuerinnen mit Mikrokrediten unterstützte. Diese Damen haben wirklich nicht viel außer ihren eigenen Garten und eventuell ein paar Hühnern. Dennoch, sie waren so dankbar über die Schulungen, die wir an dem Tag gemacht haben, dass sie mir einen Kilo Karotten mitgegeben haben. Ich hab zuhause dann die beste Karottensuppe meines Lebens gemacht. „The Spice of Life“ hat wohl eine besondere Würze in das Gericht gezaubert.

Auf welche Schwierigkeiten sind Sie in Ihrer Arbeit gestoßen? Welche Herausforderungen galt es zu meistern?

Mag. Martina Ressmann: Die größte Herausforderung ist der Umgang mit Zeit und die damit verbundene Geduld, die es braucht. Termine werden nicht eingehalten. Aufgaben werden verteilt und die Erledigung zu unrealistischen Zeitpunkten versprochen. Man muss eine gewissen Gelassenheit mitbringen oder entwickeln. Ich habe aber sehr schnell gelernt auf den Kontext jedes einzelnen einzugehen, da ich selbst jeden Tag mit einem Art „Überlebenstraining“ konfrontiert war, ich brauchte 45 Minuten mit meinem Motorrad zur Arbeit, was gefährlich und anstrengend war. Aber manche meiner Kollegen saßen zwei bis drei Stunden pro Tag pro Fahrtrichtung im Stau fest. Zeit bekommt eine neue Dimension.

Wie sieht es nach Ihrer Rückkehr bei Ihrer Partnerorganisation aus?

Mag. Martina Ressmann: Die Arbeit, die ich gemeinsam mit meiner damaligen Kollegin begonnen habe, führt nun eine neue Kollegin hervorragend weiter. Da ich ein großer Fan von Transparenz bin, haben wir alle Aufgaben niedergeschrieben und alle Anleitungen und Prozesse vor meiner Abreise dokumentiert.

Gibt es etwas, das Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben wollen?

Mag. Martina Ressmann: Falls ihr jemals daran gedacht habt, euch selbst einzubringen, dann macht es! Es muss ja nicht gleich Afrika sein, wir haben in Europa genügend Institutionen, die jede helfende Hand brauchen können.

Entwicklungshelferinnen und -helfer bieten immer Hilfe zur Selbsthilfe. Arbeitskräfte werden vor Ort eingeschult und begleitet um zukünftig eigenständig und fachlich qualifiziert weiterarbeiten zu können. Derzeit sind fünf Kärntnerinnen und Kärntner mit HORIZONT3000 auf Einsatz in Uganda, Tansania, Guatemala, El Salvador und Nicaragua.

Helfen Sie uns, weitere Personaleinsätze im Süden mitzufinanzieren, um so Brücken zwischen den Kulturen zu bauen!

Spendenkonto: Bruder und Schwester in Not, RLB Kärnten,  IBAN AT45 3900 0000 0114 4278