Radikalisierung und Deradikalisierung

Veranstaltungsreihe „Herausforderung Migration“ mit Dr. Nadja Danglmaier und MMag. Khalid Dafir am 2./3.Dezember 2016

„Warum wir keinen Schlussstrich brauchen“ – Lernen aus der eigenen NS-Vergangenheit für die Gegenwart

Nadja Danglmaier ist Netzwerkkoordinatorin für Kärnten für die vom Bundesministerium für Bildung getragene Homepage „erinnern.at“ - „Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart“. In ihrem Vortrag ging es um die Sensibilisierung Jugendlicher in Bezug auf Ausgrenzung und Diskriminierung am Beispiel des Nationalsozialismus. Fluchtgeschichten, meinte sie, seien einander sehr ähnlich, egal zu welcher Zeit und in welchem Zusammenhang sie sich ereignen. Anhand der Lebensgeschichten jüdischer Menschen in der NS-Zeit zeigte sie auf, wie sich Verhetzung gegen eine Bevölkerungsgruppe auswirkt. In Filmdokumenten, die sie im Zuge ihrer Forschungstätigkeit über den Nationalsozialismus in Kärnten erstellte, kamen die noch lebenden Betroffenen selbst zu Wort. Sie schilderten von ihren kränkenden und Angst machenden Erlebnissen durch die wachsende Abwertung und Ausgrenzung der Bevölkerung. Ihre Darstellungen sollen einen Perspektivenwechsel bei den Jugendlichen herbeiführen. Um die komplexen Zusammenhänge von Ausgrenzung zu erkennen, bekommt das Lernen über den Nationalsozialismus in der Schule eine besondere Bedeutung. Es sollte nämlich mehr als historisches Wissen vermittelt werden, wenn es um Menschenrechtserziehung geht. Die ständige Schärfung des humanitären und differenzierenden Blickes ist ein unverzichtbarer Teil einer friedensorientierten Erziehung in einer sich durch Migration verändernden Gesellschaft.

Mit den Hintergründen der Radikalisierung muslimischer Jugendlicher in Österreich beschäftigte sich der islamische Religionspädagoge Khalid Dafir in seinem Studientag.

Es sei einer der modernen Mythen, dass ein Phänomen wie „Radikalisierung“ ganz einfach durch Maßnahmen der „Deradikalisierung“ wieder „rückgängig“ gemacht werden könne. Beide Phänomene müssten vielmehr als langfristiger, komplexer und niemals gänzlich kontrollierbarer Prozess verstanden werden. Dafir spricht aber ohnehin lieber vom Phänomen der „Verhärtung“, als von (De-)Radikalisierung und meint damit die Verschärfung der Meinungen und (Vor-)Urteile über jene, die jeweils anderer Meinung sind. Mit wohltuender Differenzierung und auch Selbstreflexion sprach der Ausbildner muslimischer Religionslehrer und -innen über die Komplexität der Sachlage, beispielsweise über die Zwiespältigkeit des Islamophobiediskurses, der viele seiner muslimischen Studierenden in einer selbstzufriedenen Opferrolle bestätige. Zugleich mahnte er auch zu einem nüchternen Blick auf die internationale und nationale Flüchtlings- und Migrationspolitik, die stets Interessen vor die Moral stelle. Dafir zeigte offene Problemfelder auf, die er vor allem (aber auch hier durchaus differenzierend) in den berufsbildenden Schulen verortet, bot aber zugleich Lösungsperspektiven an, die nicht zuletzt mit der Kompetenzorientierung des islamischen Religionsunterrichtes in Verbindung stehen.

Bericht und Fotos: Juliane Ogris und Johannes Thonhauser