Migration und Integration in der Schule

Studienwochenende mit Christian Feichtinger, Sr. Silke Mallmann und Sr. Andreas Weißbacher an der kphe Kärnten

Ist es moralisch verwerflich, sein Klo mangels vorhandenem Putzfetzen mit der österreichischen Flagge zu putzen? Und macht es einen Unterschied, wenn dasselbe jemand macht, der als Migrant hier lebt? Werden religiöse Gefühle verletzt, wenn jemand die Bibel verwendet, um den wackeligen Tisch zu stützen?

Solche und ähnliche Fragestellungen warf der Grazer Religionspädagoge Christian Feichtinger im Rahmen des zweiten Studienwochenendes zur Reihe „Herausforderung Migration“ auf, um auf die unterschiedlichen Wertmaßstäbe innerhalb unserer Gesellschaft hinzuweisen. Schon die Umfrage in der vermeintlich homogenen Seminargruppe verblüffte durch ein völlig gespaltenes Antwortverhalten; um wieviel heterogener die ethischen Werthaltungen in der Gesamtgesellschaft sein müssen, erklärte Feichtinger anhand einer moralpsychologischen Theorie, der zufolge ethische Urteile aus unterschiedlichen Teilbereichen gespeist werden: Einer Ethik der Autonomie (mit den Leitwerten Freiheit und Fürsorge) stehe eine Ethik der Gemeinschaft (mit den Leitwerten Autorität und Loyalität) sowie eine Ethik der Heiligkeit (mit den Leitwerten Reinheit und Heiligkeit) gegenüber. Während der erste Bereich in westlichen Industriegesellschaften bislang vorherrschte, seien der zweite und dritte Bereich in nichtwestlichen Kulturen dominant. Die gegenwärtigen politischen Ereignisse zeigten allerdings eine Verschiebung dieser Bereiche, wodurch auch das Auseinanderklaffen der Meinungen im Kontext der „Flüchtlingskrise“ verstehbar wird. Feichtinger legte diesbezüglich auch Wert auf eine klare Differenzierung der Begriffe „Vorurteil“ und „Rassismus“ und lies die Gruppe selbst testen, wie unterschiedlich bestimmte Situationen als „Diskriminierung“ empfunden werden.

Somit bildete der Studienhalbtag am Freitagnachmittag einen hervorragenden Auftakt zu den konkreten Konfliktfeldern, die am Samstag zum Thema wurden. Die beiden Veranstaltungen mit Sr. Silke Mallmann und Sr. Andreas Weißbacher standen im Zeichen der konkreten Begegnung mit Geflüchteten. Sr. Silke stellte Methoden vor, die im schulischen Alltag helfen, Brücken zu bauen. Ein Beispiel sind Begrüßungsrituale aus unserem Kulturkreis und aus dem der MigrantInnen. Ist in unserem Kulturkreis beim Gruß der Blick ins Gesicht ein Zeichen der Höflichkeit, ist er in afrikanischen Herkunftsländern ein Zeichen der Unhöflichkeit.

Beide Seiten müssen lernen, dies zu akzeptieren und Vorurteile abzubauen. Auch der Händedruck sorgt immer wieder für Diskussionen. Außer in muslimischen Gemeinschaften gehört er allerdings in vielen afrikanischen Kulturen zum Begrüßungsritual dazu.

Eine weitere didaktische Möglichkeit, im Religionsunterricht Verständnis für die Diversität zu entwickeln, sind Rollenspiele, Biografiearbeit oder der Einsatz von Filmen, die die Lebensbedingungen vor und während der Flucht darstellen.

Sr. Silke wies auch auf Eigenheiten der deutschen Sprache hin. Worte, die mit der Silbe „ling“ enden, deuten auf eine Verkleinerung hin. So könnte der Begriff „Flüchtling“ durch den Begriff „Geflüchtete“ ersetzt werden.

Auch Worte wie „Krise“, „Flut“ oder „Lawine“ werden im Zusammenhang mit den Geflüchteten verwendet. So wird aus einer großen Gruppe von Menschen eine „Flüchtlingsflut“, die eine „Flüchtlingskrise“ auslöst. Die Bezeichnung „Geflüchtete“ entspricht eher der Situation dieser Menschen, die eine lange und traumatisierende Flucht hinter sich haben.

Nachdenklich stimmte die Darstellung des Asylverfahrens bei uns. In dieser Zeit versuchen die MigrantInnen, in unterschiedlicher Weise an unsere Lebenswelt anzuknüpfen und sich auf eine Zukunft in Österreich vorzubereiten. Nicht immer ist dieser Weg mit positiven Erfahrungen verknüpft.

 

Im Vortrag von Sr. Andreas standen interreligiöse Feiern von MuslimInnen und ChristInnen im Mittelpunkt. Sr. Andreas betonte, dass interreligiöse Kontakte nicht eine neuzeitliche Erfindung sind, sondern schon immer bestanden haben. Sr. Andreas machte das am Beispiel der muslimischen Gebetsschnur deutlich, die eine Ableitung des Rosenkranzes ist, der von Dominikanern entwickelt wurde. Blickt man in das 20. Jahrhundert, wird man an ein friedliches Zusammenleben mit muslimischen GastarbeiterInnen erinnert. Der 11. September 2001 veränderte diese Situation grundlegend. Aus GastarbeiterInnen wurden AusländerInnen und schließlich MuslimInnen. Die Folge davon war, dass religiöse Symbole nun stärker wahrgenommen und damit ein Identitätsverlust ausgeglichen wurde.

Trotz grundlegender Verschiedenheiten zwischen Islam und Christentum gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Religionen. Hervorzuheben ist der Glaube an einen Schöpfergott, die Auferweckung der Toten, die Verantwortung vor Gott für das Leben und Normen und Werte, die zum Gelingen des Lebens beitragen. Was ChristInnen und MuslimInnen trennt, ist die unterschiedliche Vorstellung davon, wie Gott sich mitteilt. MuslimInnen gehen davon aus, dass Gott sich in Worten mitteilt, ChristInnen glauben, dass sich die Worte Gottes in Jesus Christus erfüllen. In der päpstlichen Erklärung „Nostra aetate“ wird festgehalten, wie die Kirche mit nichtchristlichen Religionen umgehen will. Darin ist festgeschrieben, dass die Kirche mit Hochachtung die MuslimInnen betrachtet und ihren Weg mit Gott respektiert. Beim religiösen Feiern mit MuslimInnen wird diesen Worten Rechnung getragen, wenngleich es nicht immer einfach ist, wie Sr. Andreas betonte.

Interreligiöse Begegnungen sind – wie in allen Vorträgen klar wurde – nicht immer einfach, aber dennoch eine Bereicherung.

Berícht: Johannes Thonhauser und Juliane Ogris

Fotos: Juliane Ogris