Christliche und muslimische Perspektiven auf Flucht und Migration

Studienwochenende mit Dr. Kurt Remele (Uni Graz) und Dr. Driss Tabaalite (KPH Wien) am 24./ 25.02.2017 im Diözesanhaus

„Mauern und Zäune niederreißen“ – diese Forderung von Papst Franziskus bezog sich auf eine Ankündigung Donald Trumps während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes im letzten Jahr, eine Mauer entlang der mexikanischen Grenze (weiter aus zu) bauen zu wollen. Nun ist Trump tatsächlich Präsident und der Mauerbau steht auf seiner Agenda.

Kurt Remele, katholischer Sozialethiker an der Uni Graz, schilderte in seinem Studiennachmittag am 24.02.2017, wie die Katholische Soziallehre im Allgemeinen und die Katholischen Bischöfe in den USA im Speziellen gegen eine solche Politik Widerstand leisten. Interessanterweise, so Remele, seien auch die europäischen katholischen Einwanderer in die USA im 19. Jahrhundert denselben Vorurteilen und Diffamierungen ausgesetzt gewesen, wie Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Nordafrika es heute vielerorts seien: Sie seien schmutzig, bekämen viele Kinder und könnten sich nicht auf die amerikanische Demokratie einlassen. Gerade die katholische Soziallehre steht aber Flüchtenden und Migrierenden besonders offen gegenüber und vertritt auch in päpstlichen Lehrschreiben mitunter sogar radikale Positionen der Öffnung und sozialen Gerechtigkeit. Vielleicht ist gerade diese Radikalität der Grund, warum die katholische Soziallehre als „eines der bestgehüteten Geheimnisse der katholischen Kirche“ gilt und viele Akteure und Akteurinnen auch innerhalb der Kirche an den eigenen Ansprüchen scheitern, so Remele.

Während sich die katholische Soziallehre stark an den Schreiben der Päpste und Bischöfe orientiert, gelte für Muslime und Musliminnen im Zweifelsfall der Grundsatz: „Frag‘ dein Herz“. Driss Tabaalite, Lehrender am Islamischen Institut der KPH Wien, betonte an seinem Studientag zur muslimischen Perspektive auf Migration und Integration die Wichtigkeit der inneren Einstellung im Islam. Ohne diese starke persönlich-spirituelle Dimension sei jede Befolgung ritueller Praktiken und Regeln lediglich starrer religiöser Formalismus, so der islamische Theologe. Tabaalite verstand es mit abwechslungsreichen didaktischen Methoden, viele aktuelle Themenstellungen rund um den Islam anzusprechen und nahm sich auch ausreichend Zeit, um auf die durchaus kritischen Rückfragen der Studierenden einzugehen.

Im Rückblick bot dieses fünfte Studienwochende in unserer Veranstaltungsreihe „Herausforderung Migration“ eine ungemein bereichernde Fülle an Perspektiven, von denen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sicherlich noch lange profitieren werden.

Johannes Thonhauser