Pfarre

Klagenfurt-Dom

Hirten sein, nicht Ideologen!

Professor Paul Michael Zulehner über das „Auslaufmodell“ Kirche und welche neuen Ufer Papst Franziskus ansteuert

Professor Paul Michael Zulehner im neuen Pfarrsaal der Klagenfurter Dompfarre (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)
Professor Paul Michael Zulehner im neuen Pfarrsaal der Klagenfurter Dompfarre (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)

Der neue Aufzug im Haus am Dom war voll ausgelastet. Die Aufstiegshilfe führt hinauf in den neuen Pfarrsaal der Klagenfurter Dompfarre im obersten Stockwerk. Dort sprach der renommierte Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner am 20. Mai 2016 zum Thema „Auslaufmodell. Wohin steuert Papst Franziskus die Kirche?“

Ein Kirchen-Relaunch

Ein passendes Thema für einen Neuanfang, ging es doch darum, für den (neuen) Kirchen- bzw. Pastoralstil des Papstes nachhaltig Werbung zu machen. Und Zulehner kam in seiner unnachahmlichen Art auch gleich ins Schwärmen. Mit didaktischer Finesse gelang es ihm, das zahlreich erschienene Publikum im Bann zu halten, wurde diese Hommage doch durchgängig mit Papst-Karikaturen und treffenden Zitaten illustriert. Gleich zu Beginn wurde ein in der Bibel lesender Papst Franziskus an die Wand projiziert, der mit seinen Worten und vor allem mit seinem beispielhaften Tun das Evangelium „wieder im Klartext zur Sprache kommen lassen“ möchte, sagte Zulehner. Daran anschließend erzählte er vom sog. Katakombenpakt aus dem Jahr 1965. Das ist jene Selbstverpflichtung von zuerst 40 und später dann über 500 Bischöfen ihren persönlichen Lebensstil, den Einsatz für die Armen und für innerkirchliche Reformen betreffend. Bemerkenswert sei, dass der erste Papst, der nicht persönlich am Zweiten Vatikanischen Konzil teilgenommen hat, nun in aller Konsequenz daran geht, die Beschlüsse dieses Konzils umzusetzen.

Glaubwürdigkeit und einfacher Lebensstil

Dabei geht es Papst Franziskus zuerst um persönliche Glaubwürdigkeit im Sinne von Authentizität. Paul Michael Zulehner veranschaulicht dies mit aus den Medien gut bekannten Papst-Geschichten, die zeigen, dass es kein „Vordrängen im Namen des Amtes“ geben darf, dass der sog. Klerikalismus zurückgedrängt werden muss. Der einfache Lebensstil des Papstes ist Teil seiner Botschaft.

Ein politischer Papst und Friedensstifter

Papst Franziskus ist ein sehr politischer Papst und Einmischung in die konkrete Europa- bzw. Weltpolitik ist Teil seiner Mission. Das zeigen schon seine erste Reise nach Lampedusa, später dann jene auf die griechische Insel Lesbos und seine nicht müde werdenden Appelle, Flüchtlingen vorbehaltlos zu helfen. Zulehner zitierte ausführlich aus der päpstlichen Enzyklika Evangelii gaudium. Dort steht der kantige Satz: „Diese Wirtschaft tötet!“ Der Papst gibt in diesem Schreiben unmissverständlich zu erkennen, dass der Mensch über dem Gewinnstreben stehen muss. Die größten Probleme unserer Zeit sind die große Jugendarbeitslosigkeit und die vielen allein gelassenen alten Mitmenschen, sagte Papst Franziskus im Oktober 2013 in einem Gespräch mit den italienischen Journalisten Eugenio Scalfari. Paul Michael Zulehner bringt es auf den Punkt: „Dieser Papst hat eine Leidenschaft, dass es den Menschen in der Welt gut geht.“ Er ist ein Friedensstifter (u. a. in Syrien und in Kuba/USA), und er lädt die besten Wissenschafter der Welt ein, um mit ihm die Sorge um das gemeinsame Haus der Welt in einer ersten „Umweltenzyklika“ zu benennen. Christen müssen politisch sein, weil Gott selbst ein politischer Gott ist. Gott hört die Menschen, wo die Ungerechtigkeit zum Himmel schreit, zitierte Zulehner aus dem Alten Testament. Dort, wo das Leben „umkommt und nicht aufkommt“, dort sind die „himmelschreienden Sünden“ festzumachen.

Die Verwundeten heilen

Auffallend an Papst Franziskus sei auch sein neuer Führungsstil, sagte Zulehner. Synodalität heißt, gemeinsam auf dem Weg zu sein, um Antworten auf herausfordernde Fragen zu finden, wie zum Beispiel bei der Bischofssynode zum Thema Familie. Experten, also lebenserfahrene Menschen, werden zu Rate gezogen. Sie dürfen und sollen mitreden, denn „Gott ist bis in die letzten Winkel hinein am Werk“. Zulehner spricht in diesem Kontext auch von einem Blickwechsel weg von der Sünde hin zur Verwundung der Menschen. Und die Verwundeten brauchen keinen Richter, der verurteilt, sondern einen Arzt, der heilt. Gott ist der Arzt Israels, heißt es im Ersten Testament und Jesus ist der Heiland der Welt. Die Kirche solle endlich aufhören zu moralisieren, sagte der Vortragende und zitierte Papst Franziskus im O-Ton:  „Who am I to judge?“ - Das war die bezeichnende Antwort des Papstes, als er von Journalisten auf das Thema Homosexualität angesprochen wurde. Papst Franziskus erweist sich hier als Hirte, der auf die Lebensgeschichten der einzelnen schaut. Er ist kein dogmatischer Ideologe, der mit dem (Gesetzes)buch argumentiert.

Von der christlichen Willkommenskultur

Vor dem Vortrag wurde im Dom zu Klagenfurt - wie an jedem Maientag - wieder eine Maiandacht gefeiert. In seiner Predigt stellte Paul Michael Zulehner die politische Dimension der christlichen Glaubensbotschaft in den Mittelpunkt. Und er hat dabei den Gläubigen ins Gewissen geredet, dass sie sich von Gott her ermutigen lassen sollen, eine Willkommenkultur zu leben. Gastfreundschaft ist ein hohes Gut, wir können viel von Abraham lernen. Und die Werke der Barmherzigkeit, wie sie uns eindringlich in der Endzeitrede Jesu im Matthäusevangelium vorgestellt werden, sind ein „Markenzeichen des christlichen Lebens“. (KHK)