Organisation

Katholische Frauenbewegung

Steuersenkung kein Instrument der Sozialpolitik

Katholische Frauenbewegung Österreichs und Sozialstaats-Initiative „Christlich geht anders“ zum Regierungsprogramm

[Wien, 5.1.2018, PA] Kritik am Regierungsprogramm, das die Entlastung von GeringverdienerInnen durch steuerliche Maßnahmen verspricht, üben Katholische Frauenbewegung Österreichs und das von der kfbö mitgetragene Bündnis „Christlich geht anders“, das sich für soziale Gerechtigkeit auf Basis eines christlichen Menschen- und Weltverständnisses, mithin für einen starken Sozialstaat engagiert. „Jene, die bereits am Rand unserer Gesellschaft leben, weiter auszuschließen, wenn es etwas zu verteilen gibt, entspricht nicht dem Auftrag Jesu, für ‚die Geringsten‘ tätig zu werden,“ erklärt Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. Denn,  so Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister, Unterstützer des Bündnisses „Christlich geht anders“: „Außen vor bleibt bei einer Steuersenkung jenes Drittel der EinkommensbezieherInnen, das so wenig verdient, dass es gar keine Steuern zahlt und also auch nicht entlastet werden kann durch eine Steuersenkung“. Die „Fundamentalproblematik“, Sozialpolitik via Steuersenkungen betreiben zu wollen, durchziehe das ganze Regierungsprogramm, so Schulmeister. Diverse Maßnahmen trügen dazu bei, Ungleichheit zu verstärken statt zu verringern.

 

So etwa würde der „Kinderbonus“, d.h. die steuerliche Absetzbarkeit von 1500,- Euro pro Kind, bei einem Drittel der EinkommensbezieherInnen gar nicht schlagend, bei einem Drittel teilweise, und nur beim Drittel der am besten Verdienenden voll ausschöpfbar: „Die am besten Verdienenden haben also am meisten davon“. Auch die angekündigte Entlastung bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung käme bei rund 35 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen nicht an, weil sie aufgrund zu geringen Einkommens keine derartigen Beiträge leisten. Kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner: „Das trifft insbesondere Frauen, die stark in Niedriglohnbranchen vertreten sind und eine hohe Teilzeitrate aufweisen, weil sie nach wie vor das Gros der privaten Sorgearbeit schultern“.

 

Insbesondere Frauen negativ betroffen

Mit Ausnahme der Einführung von Frauenquoten in Aufsichtsräten vermisst Pernsteiner konkrete frauenpolitische Maßnahmen im Regierungsprogramm, „und bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie der Ausdehnung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden sind es noch einmal die Frauen, die in erster Linie negativ betroffen sein werden“. Bereits im April 2017 hat die kfbö gemeinsam mit der von ihr mitgetragenen Österreichischen Plattform für Alleinerziehende diese Maßnahme als „Rückschritt auf dem Weg zur Gleichstellung von Mann und Frau“ kritisiert, weil die Rolle von Frauen als Zuverdienerinnen damit verfestigt und deren Chancen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt verringert würden: aufgrund fehlender, leistbarer Kinderbetreuungseinrichtungen und – wiederum – der weiterhin bestehenden Hauptlast der privaten Care-Arbeit bei den Frauen. Notwendig, so Pernsteiner, seien grundlegende Reformen hin zu einer geschlechtergerechten Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, die Männern wie Frauen existenzsichernde Einkommen als auch Chancen auf ein Leben für und mit Familie sichere.

 

Beispiel 24-Stunden-Pflegekräfte: Arme verlieren doppelt

Das Beispiel der Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder von in Österreich erwerbstätigen Personen zeige, so Schulmeister und Pernsteiner, wie Arme „doppelt verlieren“: „Um etwa Steuersenkungen, von denen Arme nichts haben, zu finanzieren, wird gespart, wo ohnehin schon wenig ist, etwa bei den rund 60.000 in Österreich als Scheinselbständige tätigen Pflegerinnen im 24-Stunden-Dienst: die Kinderbeihilfe hat ihr extrem geringes Einkommen deutlich angehoben und damit eine Erwerbstätigkeit in Österreich attraktiv gemacht“. Was es brauche, seien keine Kürzungen auf dem Rücken dieser Frauen, sondern Investitionen in den Pflegesektor,  genügend, ausreichend bezahlte Pflegekräfte, um die notwendige Versorgung von Pflegebedürftigen zu sichern.

 

Maiz: Kürzungen auf dem Rücken von Frauen

Falsche, auf dem Rücken von Frauen ausgetragene Sparmaßnahmen ortet die Katholische Frauenbewegung Österreichs gegenwärtig auch in Oberösterreich, wo die Landesregierung kurz vor Weihnachten drei Fraueninitiativen die Förderung in Höhe von 100 Prozent, also gänzlich, gestrichen hat. „Künstlerinnen und wohnungslose Frauen sind davon betroffen, aber auch die Beratungs- und Bildungsinitiative Maiz, die sich für und mit Migrantinnen engagiert“, so Veronika Pernsteiner: „Maiz zählt zu den Trägerinnen des von der Katholischen Frauenbewegung Österreichs vergebenen Herta Pammer-Preises. Die kfbö hat damit das jahrzehntelange Engagement von maiz für migrantische Frauen gewürdigt und appelliert an die oberösterreichische Landesregierung, die Streichung der Förderung rückgängig zu machen.“

 

Sozialpolitik: Der Menschenwürde verpflichtet

Mit diesem Appell einher geht der generelle Aufruf von Pernsteiner, Sozialpolitik mit Augenmaß und im Sinne des Auftrags des Evangeliums zu machen: „Was Ihr einem der Geringsten getan habt, das habt Ihr mir getan“. Das berühre insbesondere den Umgang mit Flüchtlingen, die ein Recht auf menschenwürdige Behandlung und damit etwa eine existenzsichernde Versorgung hätten: „Die Kürzung der Mindestsicherung ist ebenso abzulehnen wie die fortgesetzte Sündenbockstrategie, Flüchtlinge für sozialstaatliche und andere Defizite verantwortlich zu machen“, so Pernsteiner. Hetze und Hass in der politischen und öffentlichen, insbesondere medialen Diskussion sei entschieden entgegenzutreten, weil sie das gesellschaftliche Klima vergifte und etwa dazu führe, dass ein Wiener Neujahrsbaby, Kind muslimischer Eltern,  Objekt öffentlich ausagierten Hasses werde: „Wir verwahren uns gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus, Extremismus und Menschenverachtung wie auch gegen vereinzelt sich abzeichnende Strategien, die demokratische Verfasstheit unseres Staates zu unterlaufen“, so Pernsteiner.

 

Einladung zu „gesellschaftspolitischem Spiel-Abend“

Wie zu einem konstruktiven, kreativen öffentlichen Diskurs zu Fragen von Menschenwürde und gerechter Verteilung angeregt werden kann, zeigt die Katholische Frauenbewegung Wien am 8. Jänner anhand eines öffentlich zugänglichen „gesellschaftspolitischen Spiel-Abends“. Gemeinsam mit dem Bündnis „Christlich geht anders“ lädt die kfb zur Präsentation eines eigens entwickelten Spiels, das soziale Themen in Gruppen und Runden  kreativ zur Diskussion stellt und dazu anregt, gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln: „Uns geht es darum, Räume zu eröffnen für Diskussionen darüber, was eine christliche Politik, eine christliche Sozialpolitik ausmacht“, so die Wiener kfb-Mitarbeiterin Anni Van den Nest, Mitinitiatorin und –entwicklerin des Spiels: „Das Spielformat eignet sich für Pfarren, Gemeinden und interessierte Gruppen jeder Art“. Als GesprächspartnerInnen werden am 8. Jänner VertreterInnen des Bündnisses „Christlich geht anders“ zur Verfügung stehen, u.a. die Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs, Magdalena Holztrattner, der Präsident der Katholischen Aktion Wien, Walter Rijs, der Generalsekretär der Ordensgemeinschaften Franz Helm, die stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Eva Oberhauser, der Vorsitzende der Katholischen ArbeitnehmerInnen-Bewegung Österreichs, Philipp Kuhlmann, der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister. Der Spielabend findet in der Zeit von 18 bis 20.30 Uhr in den Räumen der KA Wien am Stephansplatz 6, 6. Stock, statt

 

 

Rückfragen bei:

Mag.a Elisabeth Ohnemus
Pessereferentin
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