Organisation

Katholisches Familienwerk

Welche Werte sind wirklich wichtig?

Wir müssen uns überlegen, was wir mit Zäunen unbedingt verteidigen und wie wir unsere Zukunft gestalten wollen.

Sind Zäune unsere Zukunft...? (© Foto: Bettina Bäck)
Sind Zäune unsere Zukunft...? (© Foto: Bettina Bäck)

Laut einem aktuellen Ranking der reichsten Länder der Welt liegt Österreich auf dem 16. Platz. Im Gegensatz zum Fußball, der lange Zeit mittelmäßig war, hält sich unser Land schon seit Jahrzehnten im absoluten Spitzenfeld auf.

Natürlich gibt es auch in Österreich relative Armut und diese wird zuerst ins Spiel gebracht, wenn es gilt, die zunehmende Abschottung zu rechtfertigen. „Österreich zuerst“, lautet ein beliebter Slogan, der allerdings kein Wert ist, sondern lediglich ein Rechtfertigungsversuch zum Grenzen dicht machen. Glücklicherweise muss niemand bei uns verhungern, wir haben ein soziales Netz, das seinesgleichen sucht.

Und damit kommen wir zum zweiten großen Thema, unserem christlichen Glauben. „Abendland in Christenhand“ war auf großen Plakaten zu lesen und das klingt auf den ersten Blick verteidigungswert. Wenn man jedoch nur ein wenig darüber nachdenkt, kommt man sehr schnell drauf, dass damit die Kernbotschaft des Christentums vollkommen konterkariert wird. Vielleicht spüren wir aber, dass der Glaube der vertriebenen Menschen oft ungleich größer ist als unser eigener, und das macht uns Angst? In einem Land, in dem absolute Religionsfreiheit herrscht, sich aber viel zu wenige mit dem eigenen Glauben und dem der anderen auseinandersetzen, kann das große Verunsicherung erzeugen.

„Heimatliebe statt Marokkanerdiebe“: Kann dieser Satz ausdrücken, was es heißt, den Ort zu schätzen, an dem man geboren ist? Und ist es nicht Glück und Gnade und weniger Verdienst, in diesem wunderbaren Land leben zu dürfen?

Die allergrößten Werte, die sich Österreich erkämpft hat und für die viele Menschen ihr Leben lassen mussten, sind Freiheit, Toleranz und Respekt. Wie aber können wir sie verteidigen, wenn wir uns einbunkern und sagen: „Das Boot ist voll“? In Wirklichkeit waren wir schon lange nicht mehr so unfrei wie in den letzten Wochen, seitdem die Grenzen wieder dicht gemacht wurden.

Bleibt als letzter Wert noch der reale, nämlich der materielle Besitz. Ist es aber wertvoll, wenn die Hälfte der Bevölkerung ganz selbstverständlich in Häusern wohnt, viele Familien mehrere Autos haben, wir aber den Vertriebenen sogar die Smartphones neiden, mit denen sie Kontakt zu ihren Familien pflegen? Ist es wertvoll, Sozialleistungen herunterzusetzen oder gar aufzuheben, während Wohlstand für manche Mitmenschen noch immer nicht genug ist?

Ich habe großen Respekt vor den Ängsten, dass Österreich den großen Zustrom nicht verkraften kann und wir Vieles verlieren, was wir sehr liebgewonnen haben. Diesen Ängsten können wir aber nur entgegentreten, wenn wir wissen, was uns wirklich wichtig ist und was wir unbedingt bewahren möchten.

Die Flüchtlingskrise bietet auch eine riesige Chance, über uns selbst und über unser Land mitten in Europa nachzudenken. Über die Bedeutung von Besitz, Glaube und Umgang mit Mitmenschen in unserem Leben.

Also: Welche Werte wollen wir wirklich verteidigen?

 

Mag. Wolfgang Unterlercher