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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Wir sollten die Möglichkeiten der Ökumene besser nutzen

Der gebürtige Kärntner Liturge Stefan Kopp zur Situation der Ökumene

Stefan Kopp, gebürtiger Kärntner und Professor für Liturgiewissenschaft in Paderborn, über sein jüngstes Buch "Mehr als friedvoll getrennt", in dem es um Chancen und Wege der Ökumene geht

Stefan Kopp, gebürtiger Kärntner und Professor für Liturgiewissenschaft in Paderborn, über sein jüngstes Buch “Mehr als friedvoll getrennt“, in dem es um Chancen und Wege der Ökumene geht. (© Foto: privat / Bearbeitung KHK)
Stefan Kopp, gebürtiger Kärntner und Professor für Liturgiewissenschaft in Paderborn, über sein jüngstes Buch “Mehr als friedvoll getrennt“, in dem es um Chancen und Wege der Ökumene geht. (© Foto: privat / Bearbeitung KHK)
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Die evangelischen Christen feiern heuer 500 Jahre Reformation. Was bedeutet dieses Gedenkjahr für die katholische Kirche?
Kopp: „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ lautete die Überschrift über dem ökumenischen Gottesdienst zum Auftakt des Reformationsgedenkens am 31. Oktober 2016 mit Papst Franziskus im schwedischen Lund. Dabei standen die Aspekte Dank, Buße, christliches Zeugnis und gemeinsame Verpflichtung der Christen im Vordergrund. Und darum, denke ich, muss es aus Sicht der katholischen Kirche gehen, um gemeinsame Herausforderungen des Christentums im 21. Jahrhundert zu bestehen.

Sie sind Herausgeber eines Buches, das sich der Ökumene widmet und den Titel trägt: „Mehr als friedvoll getrennt?“ Was könnte dieses „Mehr“ sein?
Kopp: Zunächst muss man sagen: Zweifellos ist es ein Fortschritt, dass dieses Reformationsgedenken erstmals in der Geschichte friedvoll, das heißt ohne politische Instrumentalisierungen konfessioneller Prägung, gegenseitige Verwerfungen oder nationalstaatliche Triumphalismen wie in vergangenen Jahrhunderten, begangen wird. Doch wir merken auch, es muss ein „Mehr“ geben. Ein „Mehr“ könnte neben dogmatischen Annäherungen, die inzwischen weit fortgeschritten sind, und persönlichen Beziehungen zwischen katholischen und evangelischen Christen darin bestehen, dass man auch im Bereich gemeinsamer gottesdienstlicher Initiativen vorankommt.

Welche Chancen sehen Sie? Welche gottesdienstlichen Initiativen könnten das sein – angesichts der Tatsache, dass es in Fragen der gemeinsamen Eucharistie ja noch keine wirkliche Lösung gibt?
Kopp: Ich merke immer mehr: Wir tun eigentlich gottesdienstlich noch längst nicht einmal das, was wir längst tun könnten bzw. dürften, diskutieren aber stattdessen schon länger über viele Fragen, in denen wir noch nicht weiterkommen, z. B. über die volle Eucharistiegemeinschaft. Natürlich ist die Eucharistie „Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde“, wie es das Zweite Vatikanische Konzil formuliert hat. Allerdings braucht ein Zentrum auch Umfelder, um als Zentrum wahrgenommen und geschätzt zu werden, und ein Höhepunkt lebt davon, dass die Mühe des Anstieges auf sich genommen wird. Vor diesem Hintergrund ist die gemeinsame Eucharistie ein ökumenisches Ziel, das nicht aus den Augen verloren werden darf, aber für das es noch weitere Anstrengungen eines gemeinsamen Weges braucht. Und dieser gemeinsame Weg könnte vorerst in ökumenisch „niederschwelligeren“ gottesdienstlichen Initiativen liegen.

Je nach Lebensumfeld und -rhythmus der Menschen wäre ein gemeinsames Morgen-, Mittags- oder Abendlob denkbar und wünschenswert, das offen ist für Schwestern und Brüder aus anderen kirchlichen Traditionen.

Sie sehen also im Bereich des gefeierten Gottesdienstes Potenzial für die Ökumene nach 2017. Was könnten konkrete Formen für ökumenische Gottesdienste sein?
Kopp: In einigen deutschen Städten gibt es beispielsweise ein ökumenisches Mittagsgebet, das im Bonner Münster mittlerweile schon vor über zehn Jahren erstmals initiiert wurde. Dabei versammeln sich dort von montags bis samstags jeweils um 12.15 Uhr in der Innenstadt Lebende und Arbeitende, Einkaufende und Studierende aller christlichen Konfessionen für ca. 15 Minuten zu Statio und Gebet und können diese Erfahrung als eine „Tankstelle der Spiritualität“ nutzen. Überhaupt eignen sich alle Formen der Tagzeitenliturgie bestens für das gemeinsame Gebet. Je nach Lebensumfeld und -rhythmus der Menschen in der Stadt oder auf dem Land wäre ein gemeinsames Morgen-, Mittags- oder Abendlob denkbar und wünschenswert, das offen ist für Schwestern und Brüder aus anderen kirchlichen Traditionen. An jedem Ort und in jeder Stadt bräuchte es mindestens eine Kirche, die – über Messfeiern hinaus – nicht nur ein Ort des persönlichen, sondern auch des gemeinsamen Gebetes ist.

Im Dialog der katholischen Kirche mit den evangelischen Christen gibt es zwei große Hemmnisse: Das eine ist der Supremat des Papstes. Kann es da überhaupt eine Lösung geben?
Kopp: Theologisch bleibt das eine Frage. Praktisch zeigt aber Papst Franziskus, wie in diesem Bereich ein Weg in die Zukunft führen könnte, indem er den getrennten Christen als Bruder unter Geschwistern begegnet. Dies wurde für mich vor allem in Lund besonders eindrucksvoll deutlich. Allein die Präsenz des Papstes bei dieser liturgischen Feier und seine – schon durch Gewandung und räumliche Positionierung optisch wahrnehmbare – Rolle zeigten, dass neben Konsenserklärungen und dogmatischen Annäherungen das ökumenische Ziel der Einheit des Christentums im 21. Jahrhundert maßgeblich durch solche Begegnungen auf Augenhöhe mit gemeinsamen gottesdienstlichen Initiativen vertieft werden kann. Und insofern wäre das Papstamt gerade kein Hindernis, sondern ein katholischer „Mehrwert“, der auf dem Weg der Einheit von unserer Seite eingebracht werden könnte.

Der zweite große Hemmschuh ist die Vielfalt im Protestantismus. Man hat den Eindruck, wenn der Dialog mit der einen Kirche gerade gut geht, gibt es mit der anderen wieder Rückschritte und umgekehrt. Wie kann ein Gespräch vor allem mit der Vielzahl pentekostaler Kirchen und Gruppierungen gelingen?
Kopp: In der Tat ist das im Moment eine der größten Herausforderungen im ökumenischen Dialog. Kurt Kardinal Koch, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, sprach 2012 in einem Interview mit dem „Sonntag“ von 16 Gemeinschaften, mit denen man im Gespräch stehe. Dabei wird die Landschaft, vor allem Südamerikas, aber auch anderer Teile der Welt, in diesem Bereich bunter. Sie alle verbindet, dass sie mit „Rom“ reden wollen, aber sie sind – zum Teil theologisch-inhaltlich bzw. auch strukturell-organisatorisch – schwer fassbar. Papst Franziskus kennt diese Problematik aus seiner Heimat bestens und kann in diesem Bereich vielleicht neue Perspektiven einbringen.

Immer wieder hört man von beiden Seiten: Wir sitzen im gleichen Boot, kämpfen mit ähnlichen Problemen – jedoch weiterhin getrennt je auf anderen Wegen. Glauben Sie, dass in einer zunehmend säkularen Gesellschaft die Ökumene bessere Chancen hat?
Kopp: Sicher wird es auch weiterhin konfessionsspezifische Fragen geben, die innerhalb der Konfessionen auf der Tagesordnung bleiben müssen, doch sind die Bewältigung gemeinsamer Probleme des Christentums in Europa und darüber hinaus und eine echte Annäherung im christlichen Geist und nach dem Auftrag des Evangeliums über das verhängnisvolle Prädikat „friedvoll getrennt“ hinaus gerade heute besonders relevant. Ich denke: Nicht zuletzt unter den gesellschaftlichen Vorzeichen von Säkularisierung und religiöser Pluralisierung, die gegenwärtig ein Gespräch weit über den innerchristlichen Bereich erforderlich machen, wird eine klare Profilierung des spezifisch Christlichen zunehmend wichtiger.

Interview: Gerald Heschl

 

Zum Buch:

Kopp/Thönissen (Hg.): Mehr als friedvoll getrennt? Ökumene nach 2017. Verlag Herder, 360 Seiten, Preis: € 39,10
Mit Blick auf geistige Grundlagen und bisher gegangene ökumenische Wege stellen die Beiträge dieses Bandes Fragen nach dem zukünftigen ökumenischen Potenzial. Mit Beiträgen von Kurt Kardinal Koch, Bischof Gerhard Feige, Superintendent Volker Neuhoff et al.