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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Wir helfen allen Menschen

Caritasdirektor Josef Marketz im SONNTAG-Gespräch über die Caritas-Jordanien-Hilfe

Caritasdirektor Josef Marketz über Brennpunkte der Not, traumatisierte syrische Flüchtlingskinder und die „punktgenaue Hilfe“ in Heimatnähe. von Ingrid Worofka

Caritasdirektor Josef Marketz im SONNTAG-Interview über das Hilfsprojekt für Flüchtlingskinder in Jordanien, über intelligente Flüchtlingspolitik und warum die Caritas ausnahmslos allen Menschen hilft. (© Foto: caritas sacher)
Caritasdirektor Josef Marketz im SONNTAG-Interview über das Hilfsprojekt für Flüchtlingskinder in Jordanien, über intelligente Flüchtlingspolitik und warum die Caritas ausnahmslos allen Menschen hilft. (© Foto: caritas sacher)
Auslandhilfe-Referentin Theresa Sacher und Caritasdirektor Josef Marketz in Jordanien (© Foto: Caritas)
Auslandhilfe-Referentin Theresa Sacher und Caritasdirektor Josef Marketz in Jordanien (© Foto: Caritas)

Als Caritasdirektor kennen Sie Brennpunkte der Not. Die gibt es auch in Kärnten. Warum engagiert sich die Caritas Kärnten nicht nur im eigenen Land?
MARKETZ: Die Caritas ist da tätig, wo Not herrscht. Wir helfen zwölf Monate im Jahr auf vielfältige Weise in unterschiedlichsten Bereichen den Menschen in Kärnten. Zusätzlich richten wir alljährlich im Februar den Blick auf die ärmsten Kinder der Welt. Auch das ist in unseren Augen unerlässlich. Denn durch die Globalisierung betrifft uns in Europa alles, was in der Welt geschieht. Wir müssen uns bewusst sein, dass die Zukunft in den Händen der Kinder liegt, egal, ob es österreichische oder syrische sind.

Wie kann die Caritas Kindern bei der Zukunftsgestaltung helfen?
MARKETZ: Indem wir ihnen helfen, wo wir es können. Jedes Kind dieser Welt muss seine Talente und Fähigkeiten entwickeln dürfen, um die Herausforderungen der Zukunft bestmöglich bewältigen zu können. Dafür braucht es neben Ernährungssicherheit und Wärme ein sicheres Zuhause sowie eine gute Ausbildung.

Seit einem Jahr unterstützt die Caritas Kärnten syrische Flüchtlingskinder mit einem Bildungsprojekt in deren Nachbarland Jordanien. Warum gerade in diesem muslimischen Staat, in dem die Christen eine verschwindende Minderheit von rund zwei Prozent bilden?
MARKETZ: Für uns ist es selbstverständlich, allen Menschen zu helfen, egal, welcher Religion sie angehören. Das ändert sich auch nicht in einem Land, in dem Christen eine Minderheit sind und christliche Kinder in öffentlichen Schulen Diskriminierung erfahren. Momentan brauchen syrische Kriegsflüchtlinge in Jordanien Unterstützung. Daher konzentriert sich die Caritas Jordanien besonders auf sie. Neben der melkitisch-katholischen Kirche ist sie für uns eine wichtige Ansprechpartnerin vor Ort, die höchst kompetent Integrationsarbeit leistet.  

Welche Aufgabe hat die Caritas Kärnten in Jordanien?
MARKETZ: Wir unterstützen zwei Schulen und Kindergärten in Amman und Fuheis. Dort erhalten rund 280 syrische Flüchtlingskinder gute Perspektiven für ihre Zukunft. Vielleicht helfen sie eines Tages beim Wiederaufbau ihrer ursprünglichen Heimat. Jordanien betreibt eine intelligente Flüchtlingspolitik.  

Was verstehen Sie darunter?
MARKETZ: Das Land, das in punkto Größe und Einwohnerzahl mit Österreich vergleichbar ist, hat in den letzten Jahren mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Jordanien sperrt Flüchtlinge nicht in Lager, sondern gibt ihnen die Freiheit, sich Unterkunft und Arbeit zu suchen und schafft neue Schulplätze. Es legalisiert sofortige Arbeitsmöglichkeiten im Niedriglohnsektor, lässt die Flüchtlinge mitgebrachte Mittel einbringen und überlässt ihnen selbst die Verantwortung für ihre Zukunft. Mittellose werden durch UNHCR und NGOs versorgt. Im Vergleich zu uns fallen die Flüchtlinge im Straßenbild Jordaniens nicht auf, weil sie sich von den Einheimischen nicht unterscheiden. Dank derselben Sprache kommen auch Analphabeten besser mit der Situation zurecht als bei uns.

Wie darf man sich das Bildungsprojekt der Caritas Kärnten in Jordanien vorstellen?
MARKETZ: Die Kleinsten werden im Kindergarten auf die Schule vorbereitet. Jene Kinder, die noch keinen Platz in öffentlichen Schulen bekommen haben, erfahren in einem „Überbrückungsunterricht“ eine Einbegleitung in den Schulalltag.  Zudem gibt es Nachhilfeunterricht und psychosoziale Betreuung. Neben dem Lehrpersonal helfen Sozialarbeiterinnen und Psychologinnen den Kindern, mit ihren Erinnerungen an den leidvollen Krieg, die zerstörte Heimat und ihren erlittenen Verlusten zurechtzukommen. Die Familien der Kinder werden bestmöglich eingebunden. Ziel ist die Weiterentwicklung und die (Wieder-)Eingliederung der syrischen Kinder ins jordanische Schulsystem.


Sie waren erst im Dezember in Jordanien, haben auch syrische Flüchtlingsfamilien besucht. Was bleibt von der Reise besonders in Erinnerung?
MARKETZ: Jenes achtjährige Flüchtlingsmädchen, das Zahnärztin werden will und dessen Augen nur so strahlten, als es von unserer Schule und von den Freundinnen und der Freude am Unterricht erzählte, die es dort gefunden hat. Außerdem hat sich die Gewissheit verfestigt, dass wir mit unserer Unterstützung punktgenau ansetzen – nämlich vor Ort, dort, wo eine Entwicklung innerhalb der eigenen Kultur möglich ist und mit dem Bildungsansatz an jener Stelle, die die Menschen auf der Flucht selbst als entscheidend ansehen.