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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Wir haben einen „Sponsorvertrag“ mit unserem Gott

Diözesanbischof Alois Schwarz im Gespräch mit Gerald Heschl

Seit 15 Jahren ist Alois Schwarz Diözesanbischof in Kärnten. Ein SONNTAG-Gespräch über diese Zeit, aktuelle Probleme im Land und seine vielfältigen österreichweiten Aufgaben. (© Foto: Pressestelle / Neumüller)
Seit 15 Jahren ist Alois Schwarz Diözesanbischof in Kärnten. Ein SONNTAG-Gespräch über diese Zeit, aktuelle Probleme im Land und seine vielfältigen österreichweiten Aufgaben. (© Foto: Pressestelle / Neumüller)
 (© Foto: Pressestelle der Diözese Gurk)
(© Foto: Pressestelle der Diözese Gurk)

Sie sind seit 15 Jahren Bischof der Diözese Gurk. In dieser Zeit hat sich in Kärnten viel getan. Wenn Sie zurückblicken: Was waren die positivsten Erlebnisse?
Bischof Schwarz: Die vielen Begegnungen mit den Menschen dieses Landes. Ich denke zunächst an die Kontaktwochen. Das sind Begegnungen mit Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen, mit Priestern und Diakonen in ihren pastoralen Situationen. Da habe ich Kirche vor Ort in einer ganz neuen Weise kennengelernt. Sehr prägnant waren auch die großen Diözesanwallfahrten, auch der Christentag oder die Diözesanpartnerschaft mit Sarajevo.

Sie starteten vor mehr als fünf Jahren einen Leitbildprozess, der die pastoralen Leitlinien vorgibt. Das Motto „Mit Jesus Christus den Menschen nahe sein“ wurde zu einem Lebensmotto. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?
Bischof Schwarz: Ich glaube, dass viele Menschen durch diesen Satz wissen, wofür die katholische Kirche in Kärnten steht: für die Menschen und für Jesus Christus. Der Satz beinhaltet den großen Wunsch, dass das Nahverhältnis zwischen dem Einzelnen und Jesus Christus zu einer Lebensfreundschaft wird. Damit sind wir in der Spur von Papst Franziskus, dem es ein Herzensanliegen ist, dass die Kirche den Menschen in allen Lebenssituationen nahe ist.

Insgesamt ist die Stimmungslage im Land eher gedämpft – geschuldet vor allem dem Hypo-Debakel und dem daraus folgenden Loch im Landesbudget. Wie beurteilen Sie die Situation im Land und wo müsste man ansetzen, um den Menschen wieder Mut zu machen?
Bischof Schwarz: Einmal muss man die Situation in ihrer großen Komplexität ernst nehmen. Mir macht Sorge, dass wir eine große Abwanderung auf zwei Ebenen erleben: innerhalb des Landes von den entlegenen Tälern und Dörfern in die Städte und dann aus Kärnten hinaus in andere Bundesländer oder Staaten. Als Kirche wollen wir dem u. a. im Bildungsbereich entgegentreten – durch unsere katholischen Privatschulen, die Internationale Schule, aber auch durch unsere vielen Bildungsinitiativen von der Hochschule bis hin in die kleinsten Pfarren. Wir beobachten aber, dass sich der Bewegungsradius der Menschen erweitert hat. Die jungen Menschen sind viel beweglicher – nicht nur im Internet, sondern auch in der Wahl ihrer Lebensräume. Wenn aus der Beweglichkeit Entwurzelung wird, müssen wir helfen. Denn bei aller großen Dynamik und Beweglichkeit muss die Wurzel im Boden bleiben.

Ein anderes aktuelles Ereignis ist die nun wiederholte Bundespräsidenten-Wahl. Viele Politik-Beobachter meinen, dass sich ein Bruch in Österreichs Gesellschaft gezeigt hat. Immer wieder hört man, da habe die Kirche eine große Aufgabe als Brückenbauer. Was könnte die Kirche in dieser Situation tun?
Bischof Schwarz: Ich sehe die Aufgabe der Kirche darin, den Menschen bewusst zu machen, dass Demokratie ein hohes Gut ist. Wählen zu dürfen, ist ein großes Recht des Menschen. Man muss und soll sich der Mühe demokratischer Prozesse unterziehen. Vielfalt und Meinungsverschiedenheiten sind dabei auszuhalten, denn: Freiheit ist den Menschen zumutbar.

Mir ist wichtig, dass wir im Umgang mit Menschen anderer Religionen ein großes Selbstbewusstsein unserer eigenen christlichen Identität leben."

Eine Ursache dieser gesellschaftlichen Bruchlinien ist die Flüchtlingsfrage. Die Kirche setzt sich hier ganz stark ein. Wie stehen Sie zu dieser sicher sehr komplexen Thematik?
Bischof Schwarz: Die Kirchen in Österreich setzen sich sehr für Menschen in bedrängten Situationen ein. Sie helfen Inländern, aber auch denen, die als Hilfesuchende zu uns kommen. Auf eines möchte ich aber besonders aufmerksam machen: Die Kirche hat viel im Bereich der Entwicklungshilfe geleistet. Sie ist ein unermüdlicher Mahner in Richtung Politik für mehr Entwicklungshilfe. Es geht auch darum, dass sich die Menschen aus diesen Ländern nicht mit Hoffnungen auf den Weg machen, die sie vielleicht nie erfüllt bekommen.  

Viel wird auch über Wertevermittlung und Dialog gesprochen. Worauf ist hier zu achten?
Bischof Schwarz: Mir ist wichtig, dass wir im Umgang mit Menschen anderer Religionen ein großes Selbstbewusstsein unserer eigenen christlichen Identität leben. Dass wir nicht in einer banalen Anbiederung unsere eigenen Werte beiseite schieben. Wenn jene, die mit einer anderen Religion zu uns kommen, entdecken, dass das Christentum mehr lebt als Toleranz und sie neugierig werden, dann kann es sein, dass ihr Wunsch nach Einführung in das Christentum und letztlich ihre Bitte um die Taufe sehr ehrlich ist.

Sie sind Diözesanbischof in Kärnten, aber darüber hinaus in der Bischofskonferenz für mehrere Ressorts zuständig. Eines davon ist seit Kurzem der Sport. Wenn man bei der Fußball-EM zugeschaut hat, so sah man viele Spieler, die sich bekreuzigten. Was haben Sport und Glaube miteinander zu tun?
Bischof Schwarz: Zunächst zeigt der Sport in Österreich eine hohe Sensibilität für Menschen mit Behinderung. Es ist beachtlich, was hier an Wertschätzung geleistet wird. Da zählt der Mensch, wie er ist.
Wenn wir aber zum Fußball schauen, so fällt mir ein Bild auf: Die meisten Spieler oder Teams haben einen Sponsorvertrag und zeigen den Sponsor deutlich nach außen. Da kann man sinnbildlich sagen: Wir Christen haben durch die Taufe einen Sponsorvertrag mit unserem Gott. Dieser wird bei der Firmung erneuert. Es wird erwartet, dass wir zum Training kommen und dass wir im Leben engagiert spielen. Wenn wir unsere Seele nicht trainieren, erschlafft sie. Ich meine auch, man soll uns als Christen ansehen, wer der Sponsor unseres Lebens ist. Uns Christen sollte man das Chrisam-Kreuz Zeit unseres Lebens auf der Stirn ansehen. Die Menschen sollten fragen: Für wen lebt er? Wer steht hinter ihm, dass er eine so große Herzkraft hat?

Ein weiteres Ressort, das Sie in der Bischofskonferenz bekleiden, ist die Wirtschaft. Sie gehören zu den Pionieren in Fragen der Wirtschafts-ethik und vor allem ihrer Umsetzung in Unternehmen. Sind Sie mit den Entwicklungen zufrieden?
Bischof Schwarz: Beim Thema Wirtschaft und Ethik geht es um die Frage der Nachhaltigkeit. Das hat mit innerem Wachstum zu tun, mit einem Respekt vor schöpferischen Entwicklungen. Die vielen mittelständischen Unternehmen, die sich bemühen, Lehrlinge auszubilden, sind für mich ein großer sozialer Ort der Menschlichkeit. In unserer schnelllebigen Welt brauchen wir gerade bei den Fragen rund um Wirtschaft und Ethik Geduld. Da braucht es ein gemeinsames Suchen eines guten Weges in die Zukunft.

Wenn wir noch den Blick in die Zukunft wagen: Was wünschen Sie für die nächsten 15 Jahre den Menschen in Kärnten?
Bischof Schwarz: Manchmal wird den Menschen hier eine größere Bescheidenheit abverlangt, als in anderen Bundesländern. Aber es liegt in der Einfachheit auch ein großer Reichtum. Und Kärnten ist von der Landschaft her ein begnadet schönes Land. Ich wünsche, dass die Menschen dieses Potenzial schätzen und Kärnten zu einer Oase der Gesundheit und der Lebensentfaltung machen, dass die Menschen in diesem Land große Freude haben, hier leben zu dürfen – in Frieden. Ich wünsche mir aber auch, dass wir die Not und Verarmung von einzelnen nicht übersehen. Da wünsche ich mir für die Zukunft Augen der Solidarität und ein Herz der Nächstenliebe. So dass die Menschen in 15 Jahren sagen: Hier ist mein Leben geglückt. Ich war vielleicht nicht immer glücklich, aber mein Leben ist insgesamt gelungen.