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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Weihnachten zwischen Olivenhainen, Weizenfeldern und Weingärten

Wie feiert man in Italien Advent und Weihnachten? Ein Blick über die Grenzen, der Überraschungen birgt und unseren Glauben bereichert.

Weihnachten zwischen Olivenhainen, Weizenfeldern und Weingärten. Ein Blick über die Grenzen, der Überraschungen birgt und unseren Glauben bereichert. - Ein SONNTAG-Interview mit Laura Rinaldi (© Foto: Haab / Wikimedia (presepe vivente in faggiano))
Weihnachten zwischen Olivenhainen, Weizenfeldern und Weingärten. Ein Blick über die Grenzen, der Überraschungen birgt und unseren Glauben bereichert. - Ein SONNTAG-Interview mit Laura Rinaldi (© Foto: Haab / Wikimedia (presepe vivente in faggiano))
Lebende Krippe in Canosa di Puglia (© Foto: privat; Haab)
Lebende Krippe in Canosa di Puglia (© Foto: privat; Haab)

Wie dürfen wir uns Ihre italienische Heimat vorstellen??
Rinaldi: Ich komme aus Cerignola in Apulien, einem „Dorf“ mit 60.000 Einwohnern, etwa 1.000 km von Klagenfurt entfernt. Wenn es einmal sehr kalt ist, wird der Gefrierpunkt erreicht, Schnee gibt es sehr, sehr selten. Im Februar beginnt schon der Frühling. In Cerignola wachsen Mimosen und zahlreiche Olivenbäume, die meisten Olivenbäume in Italien.

Welche Erinnerungen haben Sie an Advent und Weihnachten in Ihrer Heimat?
Rinaldi: Die meditative Zeit wie hier gibt es nicht wirklich. Bei uns beginnt man mit dem 8. Dezember: Da werden in den Häusern die Weihnachtsbäume aufgestellt. Es sind Bäume, ähnlich geschmückt wie hier, aber aus Plastik, weil im Süden die echten nicht gedeihen. Darunter stellt man die Krippe – allerdings noch ohne Jesuskind. Sie ist in Italien sehr wichtig. Für mich ist die Adventzeit die Krippe ohne Jesuskind: eine Wartezeit wie die Schwangerschaft. Zwar kommt die Krippendarstellung an sich vom hl. Franziskus, unsere Art der Krippen kommt jedoch aus Neapel: handgemachte Krippen, die das Leben zur Zeit Jesu zeigen mit allen möglichen Handwerkern und Details. In vielen Häusern darf man die großen Krippen anschauen gehen. Die Kinder mögen das sehr. Daneben gibt es auch die sogenannten lebenden Krippen in vielen Dörfern. Sie werden ab 25. Dezember vor allem von den Pfarren organisiert.

Mögen Sie uns das ein wenig beschreiben?
Rinaldi: Das ganze Dorf nimmt daran teil: Alle sind angezogen wie damals, die Kinder haben einfache braune Kleider an und spielen, auch Soldaten mit Pferden sind dabei. Man spaziert durch das Dorf und erlebt etwas, während die Engel – weißgekleidete Mädchen – zur Musik tanzen. Dann kommen die drei Könige, und auch die Hochzeit zu Kana wird dargestellt. Man sieht auch, wie damals der Wein gekeltert wurde, mit einem Kelterknecht, der in einem Bottich die Trauben tritt.

Wenn der Advent keine stille Zeit ist – wie wartet man dann auf Weihnachten?
Rinaldi: Es ist eine Zeit des Wartens, des frohen Wartens, in der man an die Schwangerschaft Marias und die Geburt Jesu denkt. Das spiegelt sich auch in den Liedern wider, die die Kinder lernen. Man denkt auch daran, wie arm die Umstände damals waren, wie viel es ihn gekostet hat, uns zu berühren und zum Lieben zu bringen.

Der Advent ist eine Zeit des frohen Wartens, in der man an die Schwangerschaft Marias und die Geburt Jesu denkt.

Gibt es den Brauch, sich zum Christbaum zu setzen und zu singen?
Rinaldi: Es ist üblich, dass man sich nachmittags oder abends besucht, mit Freunden und Verwandten gemeinsam isst und etwas spielt. Traditionell sind das Kartenspiele oder die sogenannte Tombola, ein Zahlenspiel mit Kärtchen und Bohnen oder Knöpfen. Bei uns brachten die Besucher oft ein Geschenk mit. Das legten sie unter den Baum, wo es bis zum 25. Dezember liegen blieb. Wenn man eine große Familie hat, sieht man einen kleinen Berg von Geschenken wachsen ...

Wenn der Heilige Abend dann näher kommt ...
Rinaldi: Der 24. Dezember ist noch ein ganz normaler Tag. Es ist ja erst der Tag vor Weihnachten. Man isst etwas sehr Einfaches; etwas, für das man nicht zu viel Zeit braucht. Traditionell ist das eine warme Nudelsuppe, dazu ein einfaches Fischgericht wie Aal oder Stockfisch, als Nachtisch getrocknete Früchte oder Nüsse. In der Nacht ist die Veglia di Natale, die Christmette, und nach Mitternacht darf man dann den Panettone essen und die Geschenke aufmachen – aber da schlafen die Kinder meistens. Die feierlichere Messe ist am Vormittag des Christtages. Danach gibt es ein festliches Mittagessen mit Panettone als Nachtisch, und wir öffnen die Geschenke meistens erst nach dem Mittagessen.

Wer ist die Befana?
Rinaldi: Die Befana ist eine alte, gütige Dame, die auf einem Besen fliegt. Sie hat den Stern am Himmel gesehen, und die Hirten haben ihr gesagt, dass Christus geboren ist und dass sie sich beeilen soll, ihn zu besuchen. Sie hat Zeit damit verloren, sich zuerst umzuziehen, und als sie aufbrach, war der Stern nicht mehr da. Weil sie aber den Wunsch hatte, dem Christkind dennoch etwas zu schenken, hat sie dann allen Kindern, die sie getroffen hat, etwas geschenkt – in der Hoffnung, dass das Jesuskind dabei ist.

Was ist Ihre schönste Erinnerung an Weihnachten in der Kindheit?
Rinaldi: Das sind die Spiele mit den Verwandten. Da habe ich die Wärme der Familie gespürt, die gleiche Wärme, die auch von der Krippe ausgeht.

Sie sind mit einem Österreicher verheiratet, der ganz andere Vorstellungen von Advent und Weihnachten hat. Wie bringen Sie das zusammen?
Rinaldi: Wir haben zwei Sprachen und zwei Kulturen. Wir leben beide Traditionen: die Krippe ohne Jesuskind – eine aus Italien, die uns meine Familie geschenkt hat. Auch den Christbaum stellen wir schon im Advent auf. Wir singen viel, mehr als in Italien, singen „Stille Nacht“ in mehreren Sprachen und öffnen die Geschenke erst am Christtag. Weihnachten feiern wir einmal hier und einmal in Italien. Wir spielen – und wenn wir in Italien sind, ist es richtig lustig, dann können dabei auch 20 Personen zusammenkommen.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

Dr. Laura Rinaldi, geb. 1978 in Cerignola, Apulien, unterrichtet in Kärnten Italienisch und Englisch. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von drei und sechs Jahren.