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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Vor dem Schulunterricht wartete erst noch die Stallarbeit

Auf Spurensuche haben sich die Kinder der Pfarre St. Theresia in Klagenfurt mit ihrem Pfarrer Johannes Pichler gemacht. Ein Filmdokument über das Bauernleben vor 100 Jahren ist dabei entstanden. Ingeborg Jakl

Verschnaufpause vor der Almütte der Familie Thaler in 1800 Meter Seehöhe (© Foto: Pfarre St. Theresia/Klagenfurt)
Verschnaufpause vor der Almütte der Familie Thaler in 1800 Meter Seehöhe (© Foto: Pfarre St. Theresia/Klagenfurt)

Das ist Alltag, besonders für unsere Jugend: ein Leben vor dem Mobiltelefon, vor der Playstation und vor dem Laptop. Ältere Mitmenschen registrieren erstaunt die Hochgeschwindigkeit der Technologievielfalt in unserer Zeit. Doch die Jugend macht Staunen, wie es früher einmal war. Dass es ein Leben jenseits moderner Technik tatsächlich einmal gab, erfuhren zum Beispiel die Kinder der Pfarre St. Theresia in Klagenfurt an einem besonderen Ort am eigenen Leib.
Eine Zeitreise, die es wahrlich in sich hatte. Für das Filmprojekt „Bauernleben – Leben wie vor 100 Jahren“ zogen sich Mädchen und Buben der Pfarre St. Theresia im vergangenen Sommer auf den Augustinhof oberhalb von Rangersdorf in 1300 Meter Seehöhe im Mölltal zurück. Gemeinsam mit Pfarrer Johannes Pichler wollten sie hier, fernab aller modernistischen Ablenkungen, ein ehrgeiziges Filmprojekt umsetzen. „Und das alles ohne Fernsehen und Internet“, erklärt Verena Kristof. „Und das hat sogar gut geklappt“, sagt sie rückblickend nicht ohne Stolz.


Ohne Bad und warmes Wasser
Bei dem Projekt ging es darum, das Leben der Kinder auf einem Bauernhof vor 100 Jahren lebendig werden zu lassen, ergänzt Pichler. Mittels Film sollte dargestellt werden, wie das damals war, als es noch keinen Strom, keine funktionale Winterbekleidung, keine Schuhe, keine asphaltierte Straße, geschweige denn ein Auto oder einen Traktor gab. Kurzum: Die Kinder von heute sollten auf Spurensuche gehen und am eigenen Leib feststellen, was es heißt, ohne ein Bad mit heißem Wasser, Föhn, einer Küche ohne Strom, ohne Fernseher und sonstigen Hilfsmitteln auf einem Bauernhof zu leben.
Kein leichtes Unterfangen, aber der Hof und die Almhütte der Familie Thaler auf dem Wenneberg boten sich geradezu ideal an. Außerdem lebte im Sommer 2014 noch Großmutter Maria Thaler (+ Dezember 2014), die sich in geistiger Frische an alle die Dinge erinnerte, die heute fast schon vergessen sind.
„Wir wollten ein Zeitdokument schaffen, mit Interviews von Zeitzeugen, mit Spielsequenzen der Kinder“, so Pichler. Dazu wurde in Schwarz-Weiß gedreht, um die Zeit Revue passieren zu lassen. Aktuelle Interviews wiederum wurden in Farbe aufgenommen.


„Die Anforderungen damals an die Erwachsenen, aber besonders an die Kinder waren ganz anders als heute“, stellt Magdalena Lang nach den intensiven Dreharbeiten fest. „Trotzdem oder gerade deshalb glaube ich, dass die Menschen in ihrer uns so fernen Welt glücklich waren“, resümiert Alena Kristof.
„Wir hatten nichts, aber wir hatten alles“, hat die 87-jährige Maria Thaler vom Augustinhof den Kindern im Interview noch erzählt. Sie war für die kleine Filmcrew Ansprechpartnerin und ideale Erzählerin. Nicht nur an ihre Schulzeit konnte sie sich genau erinnern, sondern auch an all jene Kleinigkeiten, die im Laufe eines Lebens fast in Vergessenheit geraten.


Leben wie vor 100 Jahren
„Deshalb haben wir uns aufgemacht, diese Zeit filmisch festzuhalten. Einfach darstellen, wie das damals war, in der guten alten Zeit“, sagt Pichler. Denn so gut war längst nicht alles. Vor allem die Schulzeit.
Maria Thaler erinnert sich im Film genau, wie sie nach Stallarbeit und eineinhalb Stunden Fußweg endlich in der Schulkasse ankam. In einem einzigen Klassenzimmer wurden Schüler aller Klassen unterrichtet. „Wer da nicht die richtigen Antworten wusste, bekam Schläge mit dem Rohrstock oder musste Scheitelknien.“
Verena Kristof ist die Schilderung der harten Erziehung sowohl in der Schule als auch daheim im Gedächtnis geblieben. „Gut, dass diese Zeiten vorbei sind“, stellt sie geradezu erleichtert fest. In Bezug auf die Erziehung der Kinder war das nicht unbedingt eine glückliche Zeit. Die Filmarbeiten, bei denen die Kinder in die Rollen von Bauernkindern schlüpften und Schritt für Schritt das damalige Alltagsleben erkundeten, gaben auch viel Wissenswertes preis.
Die Akteure entdeckten, wie die Kinder vor 100 Jahren gekleidet waren, wie sie gelebt, gewohnt, was sie gegessen und welche Spiele sie gespielt haben. „Wir haben nicht nur Neues entdeckt, angefasst und ausprobiert, sondern auch Altes liebgewonnen“, sagt Maxi Pajer. Er hat im Film fleißig mit der Hand Kartoffeln geernet und bei den kurzen Drehminuten gelernt, wie hart und mühsam diese Arbeit ist.


In besonders guter Erinnerung ist der gesamten Filmcrew das gemeinschaftliche Essen am reich gedeckten Bauerntisch. „Selbst gebackenes Brot, die Butter und die heimischen Produkte waren einfach köstlich“, klingt es da im Chor. Das wissen auch heute noch die Enkelinnen von Maria Thaler, Stefanie, Sonja und Nicole sowie Bruder Markus, zu schätzen. Auch sie haben tief in den eigenen Erinnerungen und den Geschichtsbüchern gekramt und konnten den Kindern nicht nur nüchternes Faktenwissen vermitteln, sondern auch so manche Anekdote erzählen.
Film ist immer auch Erlebnis und Erfahrung, bringt es Pichler auf den Punkt. Nach den Dreharbeiten tauschten die Kinder ihre Meinungen aus, spielten Szenen noch einmal nach, stellten Fragen. Im Gespräch und Spiel verarbeiteten sie ihre Eindrücke. Die Kinder machten zusammen mit Pfarrer Pichler einen Zeitsprung ins ländliche Kärnten des vorigen Jahrhunderts. Dabei schlüpften sie in die Rollen von Bauernkindern und entdeckten Schritt für Schritt auf lebendige Weise deren damaliges Alltagsleben.

 

Am Augustinhof im Mölltal, im Freilichtmuseum Maria Saal und im Heimatmuseum Spittal haben die Kinder der Pfarre St. Theresia mit Pfarrer Johannes Pichler eine 55-Minuten Dokumentation gedreht: „Bauernleben wie vor 100 Jahren“.
Die CD gibt es in der Pfarre St. Theresia Klagenfurt, Auer-von-Welsbach-Straße 15, Tel.: 0463/42244, E-Mail: klagenfurt-sttheresia@kath-pfarre-kaernten.at