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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Vom Blut der Märtyrerinnen getränkt

Oper im Klagenfurter Stadttheater

Das Klagenfurter Stadttheater wartet mit einer kleinen Rarität auf. Die Oper „Dialoge der Karmeliterinnen“ von Francis Poulenc feiert am 12. Februar Premiere. von Ingeborg Jakl

Regisseur Richard Brunel (li): einen historischen Moment miterleben, in dem etwas entsteht. (© Foto: Jean-Louis Fernandez)
Regisseur Richard Brunel (li): einen historischen Moment miterleben, in dem etwas entsteht. (© Foto: Jean-Louis Fernandez)

Es ist eine Oper, die so ganz andere Zutaten hat, als die weithin geläufigen. Es geht nicht um Liebe und Leidenschaft, Sehnsucht und Verlangen, sondern um Angst. Um Todesangst.
Frankreich zur Zeit der Revolution: Ein Land im Chaos, der König, Ludwig XVI., hingerichtet, der Mob auf den Straßen, Massenverhaftungen und -erschießungen. Gegner des Regimes werden in Schauprozessen zum Tode durch die Guillotine verurteilt. Auch die Religion wurde zu dieser Zeit verboten. Anstelle von ihr sollte eine „Kultur der Vernunft“ treten. Den Tagen sowie Monaten gab man andere Namen, um sich vollends vom Papst und der Kirche loszusagen. Vor diesem historischen Hintergrund spielt die Oper „Dialoge der Karmeliterinnen“ des tiefgläubigen Katholiken Francis Poulenc, die er 1957 komponierte.
In innigen, schillernden Farben werden hier menschliche Regungen wie Ängste, seelische Bedrückung und die Sehnsucht nach Erlösung beschrieben und nicht zuletzt die Schrecken einer Revolution reflektiert.
Zur Geschichte: Das Kloster Compiègne in der Nähe von Paris bietet den dort lebenden Karmeliterinnen längst keinen Schutz mehr vor Übergriffen. Eine von ihnen, die ängstliche Blanche de la Force, hatte gehofft, hier ihre Ruhe und Frieden zu finden. Aber das war ein Irrtum, wie sich bald herausstellte.


Singend in den Tod
Gertrud von le Forts berühmte Novelle „Die Letzte am Schafott“ diente als Vorlage zu Poulencs Oper „Dialoge der Karmeliterinnen“ in drei Akten. Er verarbeitet in seinem Werk das Geschehen, das sich hier im Juli 1794 tatsächlich zugetragen hat. Damals ging eine Gruppe von Karmeliterinnen singend und betend in den Tod. Für ihr beispielgebendes Glaubensbekenntnis wurden die Klosterschwestern im Jahre 1906 von Papst Pius X. seliggesprochen.
So wie in dieser Geschichte sei die Kirche auch heute „vom Blut der Märtyrer getränkt“, sagte Papst Franziskus kürzlich mit Blick auf „so viele verfolgte Christen“, wobei er besonders auf den Nahen Osten verwies. Oft müssten Christen hier vor Verfolgungen flüchten und würden häufig sogar umgebracht. Christenverfolgung sei die „Vertreibung auf elegante Weise, mit weißen Handschuhen“, sagte Papst Franziskus.


In einer Zeit der Terrorangriffe, der Kriegsängste und Glaubenseiferer spiegelt dieses Märtyrerinnen-Drama aus den Tagen der Französischen Revolution mit geradezu erschreckender Brisanz aktuelle Bedrohungen und Befindlichkeiten wider. Der Opfergang der Nonne Blanche de la Force und ihrer Mitschwestern während des Schreckensregimes der Jakobiner lässt sich durchaus auf die heutige Christenverfolgung übertragen. Hier wie dort waren/sind die Opferzahlen groß.
Der französische Regisseur Richard Brunel betont denn auch, dass diese Oper mehr als außergewöhnlich sei. Das habe ihn angesprochen und auch gereizt, dieses Meisterwerk der Opernliteratur behutsam in Szene zu setzen. Allein schon von der Thematik her. Ein junges, adliges Mädchen verwandelt sich von einem durchschnittlichen Menschen quasi in eine Heldin. Anstatt die Dinge hinzunehmen, konfrontiert sie sich mit ihnen. „Anstatt vor dem Tod zu flüchten, sucht sie ihn“, so Brunel.


Emotionale Dichte
Diese Geschichte, so außergewöhnlich wie auch gewöhnlich zugleich, wird begleitet von einer beeindruckenden Musik, die sich vollständig in den Dienst der Worte stellt, betont er weiter. Das richtige Maß an Aktualität erlaube dem Zuschauer, in dieser Inszenierung seinen eigenen Referenzpunkt zu finden. Von ihm ausgehend kann er, der Zuschauer, sich ein politisches System, einen historischen Kontext, vorstellen, in dem eine friedliche Gruppe, – vereint aus Überzeugung oder Religionszugehörigkeit – sich zur Minderheit gemacht und verfolgt fühlt.


Obwohl das Libretto ohne klassische Liebesgeschichte auskommt, hebt es Emotionen und Beziehungen hervor, die Menschen in einem Moment der Krise erleben. Die emotionale Dichte entstehe dann aus dem Verhältnis eines Individuums zu einer Situation, führt Brunel weiter aus. Jeder Mensch kenne dieses Gefühl, einen historischen Moment mitzuerleben, in dem etwas entsteht oder zerstört werde. Schlussendlich sei jede Figur der Oper vor die Entscheidung gestellt: Wie reagiere ich auf Gewalt und jähe Veränderungen gesellschaftlicher Spielregeln? „Für mich ist es eines der schönsten Werke der Neuzeit“, charakterisiert Intendant Florian Scholz. Sein Anliegen ist es, in jeder Saison wenigsten eines des 20. Jahrhunderts aufzuführen. Denn wer sich neuen Werken stelle, der lerne, die bewährten mit ganz „neuen Ohren“ wahrzunehmen. Auf der Bühne stehen u. a. Laura Tatulescu, Heidi Brunner, Marianne Eklöf und Betsy Horne.
Übrigens: Wer heute den Weg hinaus nach Compiègne findet, um sich auf Spurensuche zu machen, sucht das Kloster vergebens. Dort, wo einmal Klosterschwestern lebten und arbeiteten, pulsiert heute der reine Kommerz. Anstelle des Klosters steht hier ein großer „Einkaufstempel“.

 

„Dialogues des Carmélites“, Oper in drei Akten (12 Bilder) von Francis Poulenc, Li-bretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Drama von Georges Bernanos in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln.
Premiere: 12. Februar, 19.30 Uhr,
weitere Aufführungen: 14., 18., 20., 21., 24., 26. Februar, 1., 4., 6. März
Theaterkasse: Tel. 0463/54064
Öffnungszeiten: Mo - Sa von 9 bis 18 Uhr