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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Traditionelle Europäische Medizin

Karl-Heinz Steinmetz über das Heil-Wissen des Christentums

Der Theologe Karl-Heinz Steinmetz im SONNTAG-Gespräch über die traditionellen Heilmethoden des Christentums und ihre heutige Anwendung.

Jahrhunderte schlummerte sie im Verborgenen, jetzt wird sie wieder lebendig: die Traditionelle Europäische Medizin (TEM). Der Theologe Karl-Heinz Steinmetz im SONNTAG-Gespräch über Medizin, die aus dem Wissen von Jahrtausenden schöpft, wie sie heute angewendet wird und die TEM-Seminare im Stift St. Georgen/Längsee. (© Foto: TEM-Institut)
Jahrhunderte schlummerte sie im Verborgenen, jetzt wird sie wieder lebendig: die Traditionelle Europäische Medizin (TEM). Der Theologe Karl-Heinz Steinmetz im SONNTAG-Gespräch über Medizin, die aus dem Wissen von Jahrtausenden schöpft, wie sie heute angewendet wird und die TEM-Seminare im Stift St. Georgen/Längsee. (© Foto: TEM-Institut)
Dr. Karl-Heinz Steinmetz führt im Stift St. Georgen in TEM ein (© Foto: TEM-Akademie)
Dr. Karl-Heinz Steinmetz führt im Stift St. Georgen in TEM ein (© Foto: TEM-Akademie)

In St. Georgen finden am 23. und 24. Februar Einführungsabende zu „Traditioneller Europäischer Medizin“ – TEM –  statt. Was kann man sich darunter vorstellen?
Steinmetz: TEM ist der heutige Versuch, die europäischen Heiltraditionen für eine solide integrative Medizin fruchtbar zu machen. TEM ist etwas für moderne Menschen. Es ist der Versuch, Ressourcen aus der Vergangenheit zum Blühen zu bringen.

Welche geistigen und geistlichen Quellen werden in der Traditionellen Europäischen Medizin angezapft?
Steinmetz: Die zeitliche Abgrenzung kann man von Hippokrates um 500 vor Christus bis zu Hufeland um 1820 ziehen. Über diese 2300 Jahre haben wir eine einheitliche Tradition. Danach ist etwas verloren gegangen, das wir heute neu entdecken. Bis ins hohe Mittelalter ist TEM überhaupt nur Klostermedizin. Ich halte es daher fast schon für einen Skandal, wenn Klöster in Österreich Qi-Gong-Übungen anbieten und die uralten TEM-Bücher, die in ihrer Bibliothek stehen, links liegen lassen. Dabei ist diese Medizin ganzheitlich, spirituell. Man kann sagen, TEM ist eine getaufte Medizin.

Ab April gibt es dann in St. Georgen einen umfassenderen Workshop namens „TEM – Kompakt“ in vier Modulen. Ganz wichtig ist dabei das „Bauchzentrum“. Worauf soll man in der Ernährung achten? Was ist gesunde Ernährung?
Steinmetz: Die dogmatische Ernährungsberatung ist tot. Es gibt nicht die eine gesunde Küche für jeden, denn richtige Ernährung ist persönlich sehr unterschiedlich. Wir erarbeiten Bausteine, die jeder auf sein Leben anwenden kann. Es ist interessant, dass man in der Regel ja spürt, was einem guttut. Wir erlernen im Workshop also Wege für die jeweils richtige Küche, die vor allem temperamtenspezifisch ist.

Was versteht man darunter?
Steinmetz: Jeder Mensch ist natürlich verschieden, aber wir unterscheiden vier Temperamente: den Sanguiniker, den Choleriker, den Melancholiker und den Phlegmatiker. Als Choleriker weiß ich, dass ich nicht jeden Tag Chili con Carne oder andere scharfe Dinge essen kann, weil mir das nicht gut tut. Ähnliches gilt es für die anderen Temperamente zu beachten. In unserem Modul lernen wir dazu auch konkrete Rezepte kennen – etwa von Bartholomäus Gappi, einem vatikanischen Hofkoch der Renaissance.

Was sind die Geheimnisse dieser alten Küche oder der Klosterküche insgesamt?
Steinmetz: Wir leiden heute unter Ernährungsdiktaten, die aus der Industrie kommen. Unser Essen ist oft so unkreativ und daher auch meistens so ungesund. Anhand der Klosterküche kann man lernen, wie eine gesunde Genuss-Küche funktioniert. Klosterküche ist immer tierfreundlich, sie ist umweltfreundlich, sie ist immer regional und saisonal. Das wäre früher ja auch gar nicht anders gegangen. Ein spannendes Thema ist auch, wie sich die Küche auf das Kirchenjahr eingestellt hat. Ich sage dazu: Es ist Spiritualität zum Reinbeißen!

Ein weiteres Modul beschäftigt sich mit dem Herz. Darin geht es neben vielen Dingen auch um gesundes Wohnen. Wie wohnt man gesund?
Steinmetz: Wir Europäer haben eine alte Wohntradition, die leider auch weitgehend verloren gegangen ist. Sie orientiert sich im Grunde auch an den vier Temperamenten. Wir brauchen einen Platz, wo Kommunikation stattfindet. Dann einen Ort für´s Feiern, für die Repräsentation. Wir brauchen Kreativräume und dann Erholungs- oder Pflegeräume. Wenn diese vier Wohnfunktionen nicht vorkommen, ist die Wohnung nicht komplett. Wichtig sind auch die Farben und Materialien. Konkret kann das so ausschauen: Ich verabschiede mich jetzt jede Woche von drei Plastikdingen und ersetze sie durch Dinge aus Holz, Metall oder andere natürliche Stoffe.

Nach Bauch und Herz ist die dritte Ebene der Geist. Da bieten Sie spezielle Module für „Achtsamkeit“ an. Was lernt man da?
Steinmetz: Wir machen das sozusagen Qi-Gong-artig, jedoch nach den Regeln des hl. Dominikus. Er bietet neun Übungen an, die mindestens so effektiv sind wie Qi-Gong. Sie beeinflussen einmal die Körperflüssigkeiten, aber auch Knochen und Faszien, was ja heute wieder so modern ist. Das ist eine einzigartige, fast 1000 Jahre alte europäische Therapieform.

Welche Erwartungen knüpfen Sie an die Seminare?
Steinmetz: Dass wir dieses uralte Wissen an möglichst viele Menschen weitergeben. Ich finde es schade, dass es keinen jungen begabten Therapeuten gibt, der die eigenen Traditionen zum Leuchten bringt. Yoga ist ein alter Hut. Wenn also ein junger Therapeut eine wirksame christliche Therapie lernen will, ist er damit noch ein absoluter Vorreiter.

Sind die Seminare nur für Therapeuten und Therapeutinnen gedacht?
Steinmetz: Jeder ist herzlich willkommen, der an Gesundheit im weiten Sinne zwischen Heilung und Heiligung ein ernsthaftes Interesse hat. Natürlich Ärzte und Therapeuten, aber auch jeder Mensch, den Gesundheit interessiert. Es gibt bei uns aber keine therapeutische Qualifikation, die man nicht schon hat. Man wird nach dem Seminar also kein Therapeut oder Arzt. Laien können lernen, wie man seine Küche, sein Baden, Duschen, seinen Umgang mit sich selbst auf hohem Niveau optimiert. Wir machen ganz bodenständige, einfache Sachen und danach wieder streng medizinische Dinge. Unser Programm entspricht ärztlich und universitär abgesicherten Qualitätskriterien. Plumpe Esoterik hat hier nichts verloren.