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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Sich als Christen miteinander verbunden wissen

Der Wiener Jesuit über Respekt und herzliche Offenheit als Grundhaltungen der Ökumene

Der Wiener Jesuit über Respekt und herzliche Offenheit als Grundhaltungen der Ökumene

Der Wiener Jesuit Iwan Sokolowsky im SONNTAG-Interview über Respekt und herzliche Offenheit als Grundhaltungen der Ökumene (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
Der Wiener Jesuit Iwan Sokolowsky im SONNTAG-Interview über Respekt und herzliche Offenheit als Grundhaltungen der Ökumene (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
 (© Foto: Haab)
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Nach Ihrer Einschätzung: Wo steht die katholisch-evangelische Ökumene nach Ende des Luther-Jahres?
Sokolowsky: Es war ein Glück für die Ökumene, dass die Vorbereitungen  zum Luther-Jahr in einer Weise geführt wurden, dass man nicht etwas Konfrontatives herausgestellt hat und auch keine Glorifizierung Luthers als Heiler von allem Üblen. Es wurde Gemeinsames gefunden, so dass man mit Freude sehen kann, was die evangelische Reformation für das Christentum im Allgemeinen gebracht hat. Und ich hoffe, dass dies ein Impuls auch für den weiteren Weg ist: Gemeinsames zu erarbeiten. Das ist deshalb wichtig, weil sich z. B. durch gewisse Stellungnahmen eine neue Kluft entwickelt zwischen ethischen Ideen in der evangelischen Kirche und solchen für das moderne Leben, wie es von der katholischen Kirche beurteilt wird.

Wo sehen Sie Grenzen in diesem Bereich der Ökumene, wo sehen Sie Hoffnungen und Spielraum?
Sokolowsky: Eine Grenze ergibt sich sicherlich aus dem liturgischen Leben der jeweiligen Kirche: Sei das der Gottesdienst einer heiligen Messe oder der eines Abendmahles. Das sind würdige Weisen des Versuchs, dass Menschen sich spirituell gemäß dem Evangelium mit Jesus verbinden. Aber es gibt eine Grenze im sakramentalen Verständnis dafür. Gut ist, aufeinander zu schauen, die Gebete so zu formulieren, dass sie keinerlei Ecken und Kanten haben, die andere abstoßen müssten. Das war schon seit dem 2. Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche ein Bemühen, und auch die evangelische Tradition hat darauf Rücksicht genommen. Man hat auch Entwürfe gebracht, die meistens vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf ausgingen, so dass es heute vielerlei Formen gemeinsamen liturgischen Handelns gibt, sei das bei Taufen, Hochzeitsfeiern oder Begräbnissen. Immer wieder wird gewünscht, dass bei Mischehen oder in Familien, wo Mitglieder der einen oder anderen Konfession angehören, eine Beteiligung von beiden Konfessionen an solchen Feiern stattfinden kann. Dass die Gebete nicht einander ausschließen, sondern einander gut ergänzen – das ist ökumenisch sehr wichtig.

Die evangelischen Kirchen sind uns durch den gemeinsamen deutschsprachigen Kulturkreis vertrauter als die Ostkirchen. Welche Berührungspunkte gibt es mit letzteren?
Sokolowsky: Sicher ist wahr, dass die Menschen deutscher Muttersprache es leichter haben, sich über ein gemeinsames Liedgut mit der evangelischen Kirche zu verständigen. Sie können viele Kirchenlieder gemeinsam singen. Das geht mit den orientalischen Kirchen nicht, allein schon aufgrund der anders gearteten Melodie. Aber was ökumenisch von Wert und im Steigen begriffen ist, ist die Wertschätzung der Ikonen, so dass selbst evangelische Christen zu dieser Weise des spirituellen Arbeitens an Heiligenbildern einen Zugang finden. Ikonen richten sich ja nicht nach dem Kriterium der Kunst von schön und hässlich aus: schön, damit man sie eben lieblich findet, und hässlich, damit es herausfordert oder zum Denken anregt. Ikonen erinnern an die Kriterien von geistvoll und barmherzig. Dass also gleichsam der barmherzige Blick der Heiligen zum Gebet einlädt; dass dieses geistvolle Darstellen darauf hinweist, dass der Ewige ein Zuhörer ist, der nicht nur uninteressiert Gebete empfängt, sondern geistvoll mitdenkt und es mit seiner Gnade unterstützt.

Es ist nötig für Europa, dass die christlichen Konfessionen einander wertschätzen, so dass es ein Zeugnis des Miteinanders gibt.

Voneinander wissen und sich wertschätzen – Eckpunkte der Ökumene?
Sokolowsky: Unter den Flüchtlingen, die zu uns gekommen sind, sind nicht nur Muslime, sondern auch orientalische Christen. Denen wird dankenwerterweise sowohl in der evangelischen wie in der katholischen Kirche Raum gegeben, ihre Weise des Gottesdienstes in den jeweiligen anderskonfessionellen Pfarren zu halten, so dass die Möglichkeit besteht, dass Menschen, die diese Tradition sonst nie gesehen und erlebt hätten, es miterleben dürfen. Somit wächst der Bekanntheitsgrad und auch ein Sich-Einfühlen in diese Mystik der Gesänge, der Art der Symbolik des Feierns im Gottesdienst. Das ist kein schneller Weg, aber ein friedvoll zurückhaltender, der auf Dauer mehr Verständnis zeitigt und möglicherweise einmal ergibt, dass man sich mit Freude als Christen im gemeinsamen Glauben erkennen kann.

Ein orthodoxer Priester hat einmal gesagt: „Dann lege ich dem Kranken die Hände auf, und sofort fühlt er sich schon besser.“ Gibt es nicht gerade im Verständnis von Gebet und Sakramenten und deren Wirkung auch große Unterschiede?
Sokolowsky: Was etwa die Krankensalbung betrifft: Gerade heute, wo es nicht mehr allgemein üblich ist, einen Priester zu holen, um eine Krankensalbung zu spenden, habe ich den Eindruck: Menschen, denen das Sakrament gespendet wird, sehen das als eine Hilfe zum Gesunden an. Nicht unbedingt hier auf Erden, aber zum Gesunden für einen guten Übergang in ein Leben, das ihnen nach dem Tod geschenkt wird. So heißt es in den Gebeten, im Orient ein wenig anders als im Westen: Mögen dir die Heiligen, die du auf Erden in ihrem Abbild, den Ikonen, geküsst hast, dir entgegenkommen und dich umarmen, damit du beheimatet bist im Paradies. Aber auch für viele Westchristen ist die Spendung der Krankensalbung ein Hinweis darauf, dass sie ohne Angst sterben können. Sie sind jetzt vorbereitet auf eine Begegnung mit einem barmherzigen Richter. Und das ist in abgewandelter Form das Gleiche, was der orthodoxe Priester erzählt hat. Was ich immer wieder erlebe: Wenn ich in ein Krankenzimmer komme, in dem auch evangelische Christen sind, und einem Katholiken die Krankensalbung spende, winkt dann der Evangelische, dass ich auch zu ihm komme, und er hat nichts dagegen, wenn ich ein freundliches Gebet für ihn spreche, damit es ihm nicht schwierig ist, das Leben in die Hand Gottes zu legen.

Der gegenseitige Respekt und das interessierte Aufeinanderzugehen sind wesentlich?
Sokolowsky: Ja, dass man z. B. bei evangelischen Kirchentagen vorbeikommt und sich etwas anhört.  Nicht immer bespricht man dort spirituelle Dinge, sondern auch politische und soziale, das ist in katholischen Gemeinden auch oft so. Aber ich kann auch die Frage stellen: Betest du gern? Wie merkst du, dass dieses Gebet dir eine Hilfe ist? Und ich kann mich freuen zu entdecken, dass wir durch dieselbe Bibel inspiriert sind, durch denselben Herrn Jesus, den wir ehren, dass wir dieselbe Freude des Gebets erleben und die Hilfe, die damit verbunden ist. Es ist nötig für Europa, dass die christlichen Konfessionen einander wertschätzen und einander auch vertreten können, so dass es ein Zeugnis des Miteinanders gibt.

Können Sie ein wenig ausführen, wie Sie das konkret meinen?
Sokolowsky: Wenn mich jemand fragt: Warum ist eigentlich Luther von Euch weggegangen? Dann könnte ich alles Mögliche sagen, was nicht so freundlich wäre, aber ich sage: Weil er uns zeigen wollte, dass es einige Dinge zu bereuen gibt. Und das wurde auch entsprechend eingeordnet, so dass es heute gar nicht mehr so viele Punkte gibt, die uns gegeneinander stellen. Auf diese Weise konnten wir ein Luther-Jahr miteinander feiern. Er ist weggegangen, gehört aber letztlich dazu, weil er ja als Christ wirken wollte, und hat zum Nachdenken auch bei uns angeregt, so dass wir jetzt vielleicht ein wenig besser geworden sind.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

Iwan Sokolowsky SJ ist griechisch-katholischer Christ, Jesuit und Ostkirchenexperte. Erst kürzlich weilte er im Bildungshaus Sodalitas/Tainach, um u. a. die Priestertage zu gestalten.