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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Mit Weihnachten hat die Liebe ein Gesicht bekommen

Großes Weihnachts-Interview mit Bischof Alois Schwarz

Im großen Weihnachtsinterview spricht der Kärntner Bischof über den eigentlichen Kern der Weihnachtsbotschaft, über Barmherzigkeit und im Hinblick auf das Jahr 2017 über die Pfarrgemeinderatswahl, Neustrukturierungen und die Zukunftsaufgaben von Evangelischer, Katholischer und Orthodoxer Kirche.

Im großen Weihnachtsinterview spricht der Kärntner Bischof über den eigentlichen Kern der Weihnachtsbotschaft, über Barmherzigkeit und im Hinblick auf das Jahr 2017 über die Pfarrgemeinderatswahl, Neustrukturierungen und die Zukunftsaufgaben von Evangelischer, Katholischer und Orthodoxer Kirche. (© Foto: pressestelle/helge bauer)
Im großen Weihnachtsinterview spricht der Kärntner Bischof über den eigentlichen Kern der Weihnachtsbotschaft, über Barmherzigkeit und im Hinblick auf das Jahr 2017 über die Pfarrgemeinderatswahl, Neustrukturierungen und die Zukunftsaufgaben von Evangelischer, Katholischer und Orthodoxer Kirche. (© Foto: pressestelle/helge bauer)
Bischof Schwarz: Ich meine, das Miteinander in und zwischen den Pfarrgemeinden soll sich organisch vor Ort entwickeln. (© Foto: pressestelle/helge bauer)
Bischof Schwarz: Ich meine, das Miteinander in und zwischen den Pfarrgemeinden soll sich organisch vor Ort entwickeln. (© Foto: pressestelle/helge bauer)

Weihnachten ist das Fest des Friedens. Doch weltweit leben viele Menschen in Krieg und Zerstörung; bei uns – so die Caritas – nimmt die Armut zu. Was wünschen Sie den Menschen in nah und fern zum Fest der Geburt Christi?
Bischof Schwarz: Ich wünsche heuer den Menschen, dass sie eine Spur der Hoffnung in ihrem Leben entdecken. Mit Weihnachten hat die Hoffnung ein Gesicht bekommen. Es gibt die kleinen Hoffnungen auf Arbeit, auf Beziehungen, auf Glück. Aber ich meine diese große Hoffnung, dass es ein Leben in einem guten Miteinander, in Frieden und Gerechtigkeit gibt. Das ist es, was uns zu Weihnachten geschenkt wird. Im Kolosserbrief heißt es: Christus ist die Hoffnung auf Herrlichkeit. Ich meine, Hoffnung ist für uns heute ein ganz großes Wort und ich wünsche allen, dass sie eine Spur zu dieser Hoffnung finden.

Hoffnung gerade in einer Zeit, die wieder stärker von Unsicherheit und Ängsten geprägt ist?
Bischof Schwarz: Erlöst wird der Mensch nicht durch die Wissenschaft oder durch Schlagzeilen, sondern durch die Liebe. Und diese Liebe ist Gott. Diese Liebe hat zu Weihnachten ein Gesicht bekommen.

Wenn Sie sich zurückerinnern an Ihre Kindheit, wie hat sich das Fest seither verändert? Ist es konsumorientierter geworden?
Bischof Schwarz: Es gibt viele, die heute definieren wollen, was Weihnachten ist. Sie sagen aber nicht dazu, dass das mit der Menschwerdung Gottes, mit dem Evangelium von der Geburt Jesu Christi zu tun hat. In der Werbung wird das Wort „Weihnachten“ von vielen lange vor dem eigentlichen Fest vereinnahmt. Unsere Aufgabe muss es sein, den ursprünglichen, religiösen Charakter des Weihnachtsfestes herauszulösen. Vielleicht ist das ja auch ein Ausdruck der Hilflosigkeit unserer Gesellschaft, die sich selbst keine Hoffnung zusprechen kann. Sie setzt deshalb Ersatzhandlungen und -zeichen für die Ursehnsucht des Menschen nach Liebe und Angenommen-Sein.

Ein schönes Bild für dieses Wunder von Bethlehem ist die Krippe, die früher in jedem Haushalt zu finden war. Was bedeutet Ihnen die Krippe?
Bischof Schwarz: Die Krippe ist ein ganz starker Hinweis, was zu Weihnachten gefeiert wird. Die Krippe ist gebauter Weihnachtsglaube. Wenn man sie hinstellt, ist das schon eine Botschaft, die unübersehbar ist, die jeder versteht. Daher hoffe ich, dass jeder in irgendeiner Form eine Krippe zu Hause hat und sich selbst den Weihnachtsglauben baut.

Sie sind viel im Land unterwegs. In dieser Zeit werden Sie auch sehr oft von Chören begleitet. Haben Sie eigentlich ein liebstes Weihnachtslied?
Bischof Schwarz: Es gibt unter den Kärntner Adventliedern welche, die sehr deutlich die christliche Botschaft zum Ausdruck bringen. Die nicht nur vom Nebel, vom Schnee, vom Glitzern singen, sondern vom Kind in der Krippe. Ich muss sagen, dass mich jedes Jahr ein anderes Weihnachtslied anspricht. Das hängt wohl auch mit der Lebensentwicklung, mit der Lebensgeschichte zusammen. Es ist also nicht immer ein und dasselbe Lied. Jedes Jahr gibt es ein ganz bestimmtes Lied, das mich dann begleitet.

Der Papst hat Weihnachten auch als ein „Fest der Barmherzigkeit“ bezeichnet. Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ist kürzlich zu Ende gegangen. Was bedeutet für Sie „Barmherzigkeit“?
Bischof Schwarz: Barmherzigkeit ist ein ganz prophetisches Wort für unsere Zeit, in der es so viel Aggression, Auseinandersetzung, Krieg und Leiden gibt. Der Papst hat mit diesem Wort ein Weltthema eröffnet. Er hat mit diesem Thema aber auch der Bischofssynode für die Familie eine Überschrift gegeben. Barmherzigkeit ist gleichsam der Notenschlüssel, damit man die Botschaft des Papstes zu Ehe und Familie richtig versteht.

In Kärnten gab es mehrere Heilige Pforten, und es hat sich in diesem Heiligen Jahr viel ereignet. Wie sieht Ihre Bilanz dieses Jahres aus?
Bischof Schwarz: Für mich war das „Jahr der Barmherzigkeit“ mehr als ein Aktionsjahr. Es geht um die Grundausrichtung auf Gott und nicht auf bestimmte Werke. Barmherzigkeit meint, dass wir jedem Menschen sagen: Gott eröffnet dir eine Zukunft. Barmherzigkeit im Tun, im Reden, im Zuwenden, im Handeln ist Eröffnung einer neuen Lebensperspektive. Daher ist es ein entscheidendes Grundprogramm für die Kirche. Das II. Vatikanische Konzil sagt: „Freude und Hoffnung der Menschen sind auch Freude und Hoffnung der Kirche.“ Papst Franziskus hat das noch konkretisiert: „Die Freude der Liebe, die in der Familie gelebt wird, ist die Freude der Kirche.“ So beginnt das Dokument zu Ehe und Familie. Das ist die Verdichtung des Konzils am Beispiel der Familie.

Im Heiligen Jahr hat der Papst auch immer wieder einen neuen Zugang zu den Menschen, eine besonders sensible Seelsorge, sprich: Pastoral, eingefordert. Wie sieht dieser Weg aus?
Bischof Schwarz: Im Text des Papstes zur Bischofssynode, in „Amoris Laetitia“ finden wir dieses neue, herausfordernde Pastoralprogramm. Daran sollen alle, die in der Kirche arbeiten, Maß nehmen: Es geht um Verstehen, Verzeihen, Begleiten, Hoffen, Eingliedern. Das sind ganz große Begriffe. Da entsteht ein anderer Stil der Pastoral, der im Grunde zur Fülle des Lebens anleitet. Daher ist das Wort Barmherzigkeit die Eröffnung eines Grundprogramms, damit der Mensch zur Fülle des Lebens gelangen kann.

In den Orten der Pastoral, den Pfarren, stehen nächstes Jahr ganz besondere Wahlen an: die Pfarrgemeinderatswahlen. Welche Bedeutung haben diese Wahlen für Sie als Bischof?
Bischof Schwarz: Wir zeigen damit, dass Wahlen als hohe Schule der Demokratie auch in gewisse Bereiche der Kirche gehören. Die Pfarrgemeinderatswahlen unterscheiden sich von anderen Wahlen jedoch dadurch, dass sie eine Wahl zur Erwählung sind. Wer da gewählt wird, wird erwählt, dem Gottesnamen ein Gesicht zu geben.

Besagt das schon das Motto?
Bischof Schwarz: So ist es. Das Motto heißt: „Ich bin da. für“. Darin steckt der Gottesname des Alten Bundes. Ich wünsche mir, dass die Menschen begreifen, dass es mehr ist als ein demokratischer Vorgang. Wer erwählt wird, kann sicher sein, er wurde vom Pfarrer, von Frauen, Männern und Jugendlichen gewählt. Die ganze Pfarre steht hinter ihm. Das ist ein enormer Zuspruch an Lebenskraft, die Dinge gut anzugehen. Es mag manchmal auch eine Last und eine Mühe sein, Dinge umzusetzen. Es ist aber vor allem ein Geschenk, weil die christliche Gemeinde hinter einer Person steht, die sie erwählt hat – nicht bloß gewählt.

Das ist ein hoher Anspruch ...
Bischof Schwarz: Damit zeigen wir auch der säkularen Gesellschaft: Wahlen allein sind noch nicht die große Errungenschaft der Demokratie. Es geht darum, wer in diesem sozialen Gefüge einer Gemeinschaft große Verantwortung für die anderen trägt. Wer mit seinen Qualifikationen, mit großer Konsequenz dafür einsteht, dass ein solidarisches, friedliches und zukunftsfähiges Miteinander möglich wird.

Die Besetzung von Pfarren mit Priestern ist zunehmend schwierig. Müsste es angesichts des Priestermangels zu einer Stärkung der Rolle von Laien kommen?
Bischof Schwarz: Ich bewundere die vielen engagierten Frauen und Männer in unseren Pfarrgemeinden. Sie leisten mit einer ganz großen Verlässlichkeit Dienste. Vielleicht sollten wir sie noch stärker ins Licht heben, sie vielleicht auch mit einer bischöflichen Sendung versehen, damit sie sich wirklich von der Kirche gesendet fühlen. Sie tun sehr viel, und unsere Pfarrgemeinden leben von den Laien, denen Kirche am Ort wichtig ist.

Österreichs Diözesen haben auf den Priestermangel unterschiedliche Antworten. Manche forcieren die Zusammenlegung von Pfarren in große Bereiche. Wie sieht der Kärntner Weg aus?
Bischof Schwarz: Ich meine, das Miteinander in und zwischen den Pfarrgemeinden soll sich organisch vor Ort entwickeln. Wir haben zum Beispiel politische Gemeinden, die auf mehrere Pfarren aufgeteilt sind. Da ist es sinnvoll, wenn auch diese Pfarren übergreifend zusammenarbeiten. Das wäre für mich eine harmonische Entwicklung. Wir haben 336 Pfarren und 132 politische Gemeinden. Aber das soll sich vor Ort in der Region entwickeln. Ich erwarte mir, dass mir die Pfarrgemeinden vorschlagen, wie diese Einheit pfarrübergreifend gestaltet wird. Das bestätige ich dann. Wir schreiben aber keine Papiere und erlassen Verordnungen, was alles aufgelöst, zusammengelegt oder neu organisiert werden muss. Ich bin für ein gemeinsames Wachstum, ein Aufeinander-Zugehen in überschaubareren Einheiten. So bleibt jede Pfarre bestehen, und die Menschen haben die Gewissheit, die Kirche bleibt mit uns am Ort.

In der Steiermark plant man für 2018 sogar, die Dekanate aufzulösen und die Diözese in größere Regionen einzuteilen. Für Kärnten mit seinen 23 Dekanaten kein Thema?
Bischof Schwarz: Es ist mein Weg, dies von den Menschen her wachsen zu lassen. Wenn es sich ergibt, wenn das Bedürfnis vor Ort besteht, dann ist es gut so. Wenn nicht, werden wir aber nichts erzwingen. Kirche soll sich vor Ort entwickeln. Die Menschen denken ja ohnehin über ihren Kirchturmschatten hinaus. Natürlich könnte es sich auch bei Dekanaten so entwickeln. Etwa auf manche Bezirksstädte hin oder innerhalb von Talschaften.

Gerade am Land erleben ja die Menschen, dass Institutionen weggehen. Kann da die Kirche eine Art Anker sein?
Bischof Schwarz: Die Kirche bleibt. Sie soll nicht nur mit ihren Gebäuden vor Ort bleiben, sondern auch mit Menschen, die in und mit dieser Kirche leben und sie als Ort ihres gefühlten und beheimateten Glaubens leben. Das ist eine Form der Beheimatung in unseren Dörfern. Denken Sie daran, dass rund um die Kirche oft ein Friedhof ist. Wenn die Leute zur Kirche kommen, gehen sie auf den Friedhof, zünden ein Licht an am Grab ihrer Verwandten. Kirche schafft es auch, jene, die vor uns gelebt haben, nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist eben eine ganz besondere Form der Beheimatung. Man würde den Leuten viel wegnehmen, wenn man ihnen das Bewusstsein, Pfarre zu sein, nimmt.

2017 ist das Gedenkjahr der Reformation. Kärnten setzt ein ganz besonderes Zeichen, indem Sie mit dem evangelischen Superintendenten nach Rom fahren. Was erwarten Sie sich von diesem Jahr?
Bischof Schwarz: Ich erwarte mir, dass wir als christliche Kirchen überlegen, was heute zur Reform des christlichen Glaubens konfessionsübergreifend notwendig ist. Es geht um die Zukunft des Christentums. Da braucht es die Begabungen der verschiedenen Kirchen als Ergänzung und Bereicherung. Wir brauchen das schriftkundige Festhalten am Wort Gottes von der Evangelischen Kirche. Wir brauchen das Sakramentale, Zeichenhafte, von Ritualen geprägte Katholischsein unserer Kirche. Und wir brauchen das Mystische der Orthodoxen Kirche. Ich sehe Ökumene nicht nur auf evangelische Christen hin, sondern auch in Einbeziehung der Orthodoxie. Es stellt sich die Frage, wo wir uns reformieren müssen, damit die Menschen das Evangelium und unseren Gott, auf den hin wir alle getauft sind, annehmen.

Was sind Ihre Wünsche für 2017? Für die Kirche in Kärnten und für die Gläubigen in diesem Land?
Bischof Schwarz: Dass wir alle nach dem Beispiel des guten Samariters gemeinsam Grenzen überschreiten und Grenzen setzen. Er überschreitet Grenzen, indem er hilft. Gleichzeitig setzt er Grenzen und nimmt sich zurück, indem er sagt: „Wirt, sorg du jetzt, dass es weitergeht.“ Wir brauchen beides, und das wünsche ich den Leserinnen und Lesern des „Sonntag“, denn es gibt uns die Kraft, Zukunft zu gestalten.