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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Lebendige Reben am Weinstock, der Christus ist

Ehe- und Familienseelsorger Vital Vider SJ im "Sonntags"-Gespräch

Ehe- und Familienseelsorger Vital Vider SJ über "Amoris laetitia" und über den Reichtum, den Familien für eine lebendige Kirche bedeuten

Ehe- und Familienseelsorger Vital Vider SJ im SONNTAG-Gespräch über “Amoris laetitia“ und über den Reichtum, den Familien für eine lebendige Kirche bedeuten. (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
Ehe- und Familienseelsorger Vital Vider SJ im SONNTAG-Gespräch über “Amoris laetitia“ und über den Reichtum, den Familien für eine lebendige Kirche bedeuten. (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
 (© Foto: Haab)
(© Foto: Haab)

Sie zitieren gerne die Worte des Papstes in „Amoris laetitia“: „Vielleicht ist die größte Aufgabe eines Mannes und einer Frau in der Liebe die, einander mehr Mann oder mehr Frau werden zu lassen“ (AL 221). Was verstehen Sie darunter?
Vider: Ich zitiere diese Stelle gerne, weil Gott sich den Menschen hier in zwei Formen denkt, Mann und Frau. Nur als solche können sie ihre Rolle in der Ehe spielen. Wir sehen ja, was um uns herum in Bezug auf die Geschlechter geschieht und wie dabei das verzerrt wird, was dem Menschen wesenseigen ist. Mann und Frau tragen gegenseitig dazu bei, das zu werden, was sie außerordentlich macht, und entdecken ihre Sendung als Mann und Frau.

Mann und Frau gemeinsam sind nach der Bibel das Abbild Gottes. Was bedeutet das für das Leben zu zweit?
Vider: Der Mensch mit seiner Freiheit ist Abbild Gottes. Die Ehe als liebende Beziehung zwischen Mann und Frau ist „nach dem Abbild“ der unendlich liebenden Beziehung zwischen der Heiligen Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Was geben Sie jungen Menschen, die heiraten möchten, mit auf ihren Weg?
Vider: Wir können jungen Menschen, die heiraten möchten, nichts Besseres anbieten als sie gut vorzubereiten auf diese schwierigste aller Berufungen. Bei allen Berufungen müssen sich junge Menschen lange Jahre vorbereiten. Junge Männer, die eine geistliche Berufung verspüren, die sich auf das Sakrament der Priesterweihe vorbereiten, tun das auch nicht nur mit ein paar Vorlesungen über den priesterlichen Dienst. Wir alle in der Kirche, einschließlich der Bischöfe, sollten uns fragen, wie es sein kann, dass wir junge Menschen das Sakrament der Ehe empfangen lassen, obwohl sie sich kaum ein paar Tage darauf vorbereiten konnten. Und dann wundern wir uns, wie Ehen zerbrechen. Oder glauben wir, dass die Ehe ein geringeres Sakrament ist als das der Priesterweihe? Papst Franziskus sagt, ihnen „eine schon sehr früh ansetzende Vorbereitung anzubieten, welche die Liebe der beiden reifen lässt (...) Sehr hilfreich sind gewöhnlich die Gruppen für Verlobte (...)  Jemanden lieben zu lernen ist nicht etwas, das man improvisiert, noch kann es das Ziel eines kurzen Kurses vor der Feier der Trauung sein.“ (AL 208)

Der Platz der Ehepaare in der Kirche ist außerordentlich wichtig.
Christus ist der Weinstock, und sie sind die Mehrheit der Reben, die mit ihm verbunden sind.

Was ist neu für Sie in diesem Päpstlichen Schreiben?
Vider: Der erste Teil des Päpstlichen Schreibens ist eine außerordentlich schöne theologische Darstellung der Idee Gottes von der Ehe. Sie sollte jeder und jedem angeboten werden, um sie zu lesen und zu durchdenken. Für mich selbst kann ich sagen, dass ich die Inhalte und Vorschläge des Schreibens schon in meinen Büchern von 1980 bis heute angeboten habe. Es ist ja nicht wirklich neu: Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde über all das gesprochen wie nie in den 2.000 Jahren davor. Seit 40 Jahren leite ich eine ganzjährige Ehevorbereitung, die „Schule zur Ehe“. 1972 habe ich die Bewegung „Unser beider Weg“ ins Leben gerufen. Unter diesem Namen gibt es heute 59 Eherunden, in denen sich 450 Paare mit 1450 Kindern treffen. Aber für die universale Kirche, für alle, die diesen Bereich der Pastoral nicht als so ernst und notwendig angesehen haben, ist in diesem Päpstlichen Schreiben sehr viel Neues, für einige sogar Überraschendes.

Welche Gebiete der Ehepastoral könnte die Kirche noch ausbauen?
Vider: Genau in diesen Bereich fallen die schon erwähnten Eherunden, wo Ehepaare einander unterstützen können – mitten im gegenwärtigen Zerfall der Gesellschaft. Das sind Zellen des Lebens inmitten unserer Pfarren und Diözesen. Deshalb ist es wichtig, die Priester und vor allem die Priesteramtskandidaten auf diese neue Art von Apostolat vorzubereiten. Von all dem spricht auch der Papst im erwähnten Schreiben.

Sie begleiten jedes Jahr eine große Zahl von Paaren bei Exerzitien, die Sie speziell für Ehepaare anbieten. Welchen Bedarf nehmen Sie bei ihnen wahr? Sie sind im täglichen Leben großen Herausforderungen ausgesetzt. Wo können sie Kraft schöpfen?
Vider: Ich bewundere ihre Bereitschaft, um die Festigkeit und Schönheit ihrer Ehe zu ringen, und was sie alles bereit sind, dafür einzusetzen. Schon Darwin sagte: „Die Stärksten überleben.“ Ohne Pflege und Bemühen geht es nicht, und deshalb greifen diese Paare auf einen hervorragenden, 500 Jahre alten Weg der Kirche zurück – die Exerzitien, in denen gewöhnlich der Geist auf außergewöhnliche Weise arbeitet. Kraft gibt auch das Bewusstsein, dass sie lebendige Reben sind am Weinstock, der Christus ist. Deshalb sind sie auf unsichtbare Weise verbunden in ihrem Bemühen, eine Ehe nach dem Plan Gottes zu führen, und diese Idee Gottes ist etwas Wunderbares. Der Platz der Ehepaare in der Kirche ist außerordentlich wichtig, denn sie sind die Mehrheit der Reben an diesem Weinstock.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:
P. Vital Vider SJ, geb. 1929, trat 1946 in den Orden der Jesuiten ein. Er lebt in Slowenien, ist dort Ehe- und Familienseelsorger, Therapeut und Initiator von fast 60 Eherunden. 2016 haben 107 Paare bei ihm Exerzitien gemacht.

Ansprechpartner in Kärnten:
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Möchten Sie an Einkehrtagen oder Exerzitien für Ehepaare teilnehmen? Dann wenden Sie sich bitte an:
Michael Kopp, Ehe- und Familienseelsorger der Diözese Gurk,
Tel. 0676/8772-6770
E-Mail: michael.kopp@kath-pfarre-kaernten.at