Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Kunst als Hinführung zum Glauben

Rosmarie Schiestl, die neue Diözesankonservatorin, im SONNTAG-Gespräch

Die neue Diözesankonservatorin über sakrale Kunst als Glaubensvermittlung, die versteckten Kostbarkeiten in Kärntens Kirchen und die Schatzkammer Gurk.

Die neue Diözesankonservatorin Rosmarie Schiestl im SONNTAG-Interview über sakrale Kunst als Glaubensvermittlung, die versteckten Kostbarkeiten in Kärntens Kirchen und die Schatzkammer Gurk. (© Foto: Neuhold / Sonntag)
Die neue Diözesankonservatorin Rosmarie Schiestl im SONNTAG-Interview über sakrale Kunst als Glaubensvermittlung, die versteckten Kostbarkeiten in Kärntens Kirchen und die Schatzkammer Gurk. (© Foto: Neuhold / Sonntag)
Dr. Rosmarie Schiestl (© Foto: pressestelle/neuhold)
Dr. Rosmarie Schiestl (© Foto: pressestelle/neuhold)

Seit Kurzem sind Sie neue Diözesankonservatorin. Was ist Ihr Aufgabenbereich?
Schiestl: Ich verstehe mich als Beratungs- und Informationsstelle auch für Pfarren. Es geht darum, das kunsthistorische Erbe, das sich in den Kirchen und Pfarrhöfen befindet, zu erhalten und zu pflegen. Ich werde in nächster Zeit viel in den Pfarren unterwegs sein. Das beginnt etwa bei Bauverhandlungen, wo ich gemeinsam mit der diözesanen Bauabteilung auftreten werde. Wir sind die Ansprechpartner in der Diözese für alle Belange von Kunst und Architektur im weitesten Sinne.

Sie selbst sind aber keine Restauratorin?
Schiestl: Ich habe in Graz Kunstgeschichte und Volkskunde und Kulturanthropologie studiert. Meine Diplomarbeit verfasste ich über das Gottesplagenbild am Grazer Dom, das ja von Thomas von Villach stammt. Meine Dissertation behandelte die Wandmalereien der Westempore des Gurker Domes.

Kärnten ist ein Land voller Kulturschätze. Mit 1000 Kirchen und Glaubenszeugnissen von der Spätantike bis in die Moderne. Was fasziniert Sie persönlich am meisten?
Schiestl: Mich fasziniert vor allem die Vielfalt, die sich von Osten bis Westen, von Norden bis Süden zieht. Man entdeckt auf einer Fahrt durch Kärnten sakrale Kleinode, die man auf den ersten Blick gar nicht vermutet. Es sind Momente, die einen staunen lassen. Mich fasziniert, wie viel Zeit, Mühe und Herz in solche Kunstwerke eingeflossen sind. Das betrifft nicht nur die Werke vergangener Epochen, sondern auch die der Gegenwart.

In anderen Bundesländern werden solche Kunstschätze groß vermarktet. Sind wir in Kärnten zu bescheiden in der Bewerbung dieser Kunstwerke?  
Schiestl: Das sehe ich auch als einen Teil meiner Aufgaben. Ich möchte diese verborgenen Schätze bekannter und Menschen darauf aufmerksam machen. Das bedarf einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit. Ich möchte aber auch die Pfarrgemeinden für die Kunstschätze in den eigenen Kirchen oder Kapellen sensibilisieren und darauf hinweisen, dass sie darauf stolz sein können.

Ist Ihre Reise zu den Fastentüchern im März schon ein Schritt in diese Richtung?
Schiestl: Im Stift St. Georgen gibt es zunächst am 2. März einen Vortrag dazu und am 18. März eine Exkursion zu ausgewählten Fastentüchern. Für diese ist Kärnten ja weit bis über die Landesgrenzen hinaus bekannt.


Gerade die Fastentücher sind gemalter Glaube. Was macht den Unterschied aus zwischen einem sakralen und einem säkularen Kunstwerk?
Schiestl: Sakrale Kunst geht vielfach stärker in die Tiefe. Der Künstler, die Künstlerin muss sich mit Theologie, mit dem Glauben auseinandersetzen. Das ist etwas sehr Persönliches, was in einem Kunstwerk offenbar werden kann. Ich denke, dass dies auch für den Betrachter, die Betrachterin spürbar wird. So gesehen ist die sakrale Kunst eine Hinführung zum Glauben. Sie zeigt dem Menschen einen Weg auf, den Glauben zu leben.

Ergibt sich daraus eine größere Verantwortung für eine Konservatorin in der Pflege und Bewahrung dieser Kunstwerke?
Schiestl: Das sehe ich schon so. Denken Sie daran, dass viele Menschen diese Kunstwerke aufsuchen – sei es als Pilger, Pilgerinnen oder Touristen, Touristinnen – und so mit Christus in Verbindung treten. In gewisser Weise ist man auf dem Weg der Kunst „Mit Jesus Christus den Menschen nahe“. Wenn man vor solchen Kunstwerken steht, ist man oftmals tief berührt und fühlt sich von ihnen angesprochen. Stellen Sie sich vor, wie mühevoll und arbeitsintensiv die Schaffung eines mittelalterlichen Kunstobjektes war. Das gilt natürlich für alle Epochen und Kunstgattungen, von der Architektur über die Malerei bis zur Skulptur.

In Kärntens Kirchen finden sich neben weltweit anerkannten Kunstschätzen auch viele Zeugnisse der Volksfrömmigkeit. Wie steht die Kunsthistorikerin diesen gegenüber?
Schiestl: Zeugnisse der Volksfrömmigkeit haben einen wichtigen Stellenwert. Der Volksglaube ist gelebter Glaube, der unbedingt seinen Platz haben muss. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht sind diese Ausdrucksformen auch zu akzeptieren.

Und wenn die Grenze zum Kitsch überschritten wird?
Schiestl: Dann ist respektvoll und behutsam darauf aufmerksam zu machen. Man muss im Blick haben, dass in sakralen Räumen die Liturgie im Vordergrund steht. Diese darf nicht durch kitschige Überladungen an den Rand gedrängt werden.

In Ihren wissenschaftlichen Arbeiten haben Sie sich dem Mittelalter gewidmet. Wie stehen Sie der modernen Kunst gegenüber?
Schiestl: Im Rahmen meiner Ausbildung hatte ich mit moderner wie mit mittelalterlicher Kunst zu tun. Das Besondere an moderner sakraler Kunst ist für mich, dass es heute für einen Künstler, eine Künstlerin ein bewusster Schritt ist, sich mit Glaubensthemen zu beschäftigen. Da braucht es noch einmal eine ganz besondere Auseinandersetzung mit Glauben und Religion. In Kärnten ist diesbezüglich ein ganz besonders großes Potenzial vorhanden.

Sie leiten auch die Schatzkammer Gurk, also das Diözesanmuseum. Gibt es diesbezüglich konkrete Pläne?
Schiestl: Die Schatzkammer ist wirklich etwas ganz Besonderes, an deren Realisierung mein Vorgänger entscheidend mitgewirkt hat. Sie ist ein modernes, sehr ansprechendes Museum. Eine Herausforderung und gleichzeitig eine Chance ist die Tatsache, dass sie sich im Stift Gurk, also nicht im zentralen Ballungsraum Kärntens, befindet. Es ist noch ein relativ junger Museumsstandort. Daher will ich die Schatzkammer noch bekannter machen und in der Kunst- und Kulturlandschaft Kärntens fix verankern. Dazu plane ich diverse Schwerpunkte in der Präsentation in Form von Sonderausstellungen und Kooperationen mit anderen Museen.

Die Erhaltung all dieser Werte kostet viel Geld. Ein beträchtlicher Teil davon wird von der Kirche selbst finanziert ...
Schiestl: Ein großer Teil des Kirchenbeitrages fließt in die Erhaltung unserer Kunst- und Kulturgüter. Die Instandhaltung von Altären, Fresken, ja ganzen Kirchengebäuden nach modernsten Standards kann nur so durchgeführt werden. Sie müssen bedenken, dass es sich dabei um enorme Werte handelt – nicht nur finanzielle, sondern vielmehr ideelle Werte, die nicht nur Gläubigen, sondern der gesamten Gesellschaft zugutekommen.