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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Fronleichnam: Öffentliches Bekenntnis zu Christus

Der Lavanttaler Stefan Kopp – Professor für Liturgiewissenschaft in Paderborn – im SONNTAG-Gespräch

Stefan Kopp, der jüngste Theologie-Professor des deutschsprachigen Raumes über das Fronleichnamsfest, das II. Vatikanische Konzil, Reformen und die große Bandbreite der Liturgie

Stefan Kopp, Professor für Liturgiewissenschaft in Paderborn, im SONNTAG-Gespräch über Fronleichnam, die Aktualität des II. Vaticanums und weitere Reformen. (© Foto: thf paderborn)
Stefan Kopp, Professor für Liturgiewissenschaft in Paderborn, im SONNTAG-Gespräch über Fronleichnam, die Aktualität des II. Vaticanums und weitere Reformen. (© Foto: thf paderborn)
Der jüngste Theologie-Professor des deutschsprachigen Raumes: der Lavanttaler Stefan Kopp (© Foto: thf paderborn)
Der jüngste Theologie-Professor des deutschsprachigen Raumes: der Lavanttaler Stefan Kopp (© Foto: thf paderborn)

Sie sind als Professor für Liturgiewissenschaft in Paderborn der jüngste Theologie-Professor des gesamten deutschsprachigen Raumes. Was ist das für ein Gefühl?
Kopp: Es ist ein sehr gutes Gefühl, seine Verpflichtungen in Forschung und Lehre nun eigenverantwortlich wahrnehmen zu dürfen. Ich wurde in Paderborn sehr herzlich aufgenommen.

Sie haben für Ihre wissenschaftliche Laufbahn die Liturgiewissenschaft gewählt. Was fasziniert Sie an diesem Fach?
Kopp: In Graz gab es eine hervorragende Dozentin, die an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Liturgie forschte und in mir das Interesse weckte. Jetzt ist es vor allem die Sakramentenliturgie, die mich fasziniert und auch forschungsmäßig beschäftigt.

Vor etwas mehr als 50 Jahren ist das II. Vatikanische Konzil zu Ende gegangen. Die Liturgiereform ist eines der prägendsten Ergebnisse dieses Konzils. Wie beurteilen Sie diese Veränderungen – die sich einmal in der Verwendung der Volkssprache, aber auch in der Architektur besonders bemerkbar gemacht haben?
Kopp: Diese Liturgiereform war ein wichtiger Startschuss für alle Reformen des II. Vatikanischen Konzils. Papst Johannes Paul II. hat darauf hingewiesen, dass die Liturgiereform ein Ausdruck der gesamten Kirchenreform ist. Der Gedanke des Volkes Gottes und der tätigen Teilnahme aller Gläubigen an der Liturgie (Participatio actuosa) wurden verstärkt wahrgenommen. Im nachkonziliaren Reformprozess wurde das konkretisiert und zeigt sich etwa in den liturgischen Diensten, aber auch in der Liturgiesprache oder in den architektonischen Veränderungen im Kirchenraum.

Erwarten Sie weitere Reformschritte in der Liturgie?
Kopp: Unter dem Vorzeichen, dass sich die Kirche immer erneuern muss, braucht es auf jeden Fall auch weitere Schritte in der Liturgie. Nostalgische oder ideologische Ansätze verhindern oft eine theologisch fundierte Reform in diesem Bereich. Es geht um Erneuerung und nicht um einen Bruch mit der Tradition. Papst Benedikt XVI. sprach mit Blick auf das Konzil von einer „Hermeneutik der Reform“. Wir müssen im Kern die Tradition bewahren, aber im Sinne der Verheutigung – des „Aggiornamento“ – weiterführen. Ich glaube, dass wir von einer „Hermeneutik der Reform“ weiterdenken und das Konzil als Erbe und Auftrag begreifen können.

In welche Richtung könnte es weitergehen?
Kopp: Das betrifft – auf der äußerlich sichtbaren Ebene – weitere Reformen im Bereich der liturgischen Bücher und Ordnungen. Inhaltlich ruft das Konzil in Erinnerung, dass Liturgie immer Vergegenwärtigung von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi ist, also im Pascha-Mysterium gipfelt. Vermutlich müsste das noch stärker in den Blick kommen und nicht durch andere Motive, seien sie in sich noch so ehrenwert, verdeckt werden. Gottesdienst ist weniger Event, sondern vor allem Feier des Christusereignisses.

Verstehe ich es richtig, dass die Musik, der Raum, auch die Kunstwerke auf das Mysterium hinzielen sollen, ohne dass dieses von einem Element verdrängt wird?
Kopp: Genau so ist Liturgie grundgelegt. Wenn wir nun einen neuen Altar errichten, der im Zentrum steht und Christus im Kirchenraum darstellt, ist das zum Beispiel diese Fokussierung. Ebenso ist die Musik im Raum der Liturgie kein Selbstzweck, obwohl sie in sich wertvoll und schön sein darf, sondern sie soll den Menschen näher zu Christus führen.

Ganz besonders fokussiert wird der Leib Christi am bevorstehenden Fest Fronleichnam. Weil das Fest dem Volk oft schwer verständlich war, hat die Kirche dafür eigene liturgische Formen entwickelt. Wie würden Sie Fronleichnam deuten?
Kopp: Theologisch gesehen ist auch für dieses Fest das Pascha-Mysterium der Ausgangspunkt. Der gekreuzigte und auferstandene Herr Jesus Christus wird dabei in den eucharistischen Gaben verehrt.

Was ist der Ursprung des Fronleichnamsfestes?
Kopp: Fronleichnam hat sich 1246 auf Initiative der Mystikerin Juliane von Lüttich herausgebildet. Sie hatte einen direkten Zugang zu den kirchlichen Verantwortungsträgern. So hat Papst Urban IV. schon 1264 das Fest für die gesamte Kirche für verbindlich erklärt. Der mittelalterliche Mensch hatte in seiner Schau-Frömmigkeit einen ganz besonderen Zugang. Wenn man bedenkt, dass ein mittelalterlicher Mensch in seinem ganzen Leben weniger Bilder vor sich hatte, als wir an einem Tag, kann man sich vorstellen, wie intensiv der Anblick dieses Geschehens war.  

Und was bedeutet es uns heute?
Kopp: Das Fronleichnamsfest, also das Hochfest des Leibes und des Blutes Christi, wie es die Liturgie nennt, lebt theologisch vom österlichen Geschehen. Das, was wir zu Ostern feiern, findet darin seine Fortsetzung und seine Verehrung. Christus wird sozusagen zu den Menschen gebracht. Ich würde sagen, an Fronleichnam wird das Leitbild unserer Diözese „sichtbar“: „Mit Jesus Christus den Menschen nahe sein.“ Es ist ein öffentliches Bekenntnis zu Christus. Theologisch und vom Termin her bezieht es sich auf das Osterfest und macht deutlich, dass es eine Fortsetzung des Gründonnerstags ist als Fokussierung auf die Christus-Präsenz in der Eucharistie.

Nun gibt es neben der Eucharistie auch andere liturgische Feiern – ob Wort-Gottes-Feiern, ob Segnungsfeiern etc. Sind diese noch immer in einer Art Dornröschenschlaf und wäre es nicht an der Zeit, deren Wert deutlicher zu machen?
Kopp: Wenn wir die Eucharistie Quelle und Höhepunkt unseres christlichen Lebens nennen, dann lebt ein Mittelpunkt sehr stark davon, dass es ein Umfeld gibt. Wir haben manchmal eine eucharistische Monokultur. Da wäre es wichtig, deutlich zu machen, dass es eine größere Vielfalt an liturgischen Feiern gibt, dass auch die Wort-Gottes-Feiern oder Segnungen Formen der kirchlichen Liturgie sind.

Rund um Wort-Gottes-Feiern gibt es immer wieder Diskussionen.
Kopp: Diskussionen können sich bei der Frage von Wort-Gottes-Feiern mit Kommunionspendung ergeben, da sie häufig als Ersatz für die Eucharistie gesehen werden. Eine Beobachtung ist in diesem Zusammenhang, dass wir zum Teil mehr eine Kommunion- als eine Eucharistiefrömmigkeit haben, was zu Schieflagen in der Wahrnehmung führen kann. Demgegenüber ist aber auch die Wort-Gottes-Feier eine eigenständige liturgische Feierform, die noch mehr in ihrem Eigenwert erkannt werden könnte.

Wie könnten weitere liturgische Feiern in den Gemeinden aussehen?
Kopp: Dass sich etwa die Gemeinde zum Gebet, zum gemeinsamen Gottesdienst versammelt, ohne dass ein Priester jedes Mal zwingend dabei sein muss. Früher war zum Beispiel der Rosenkranz eine solche Gebetsform. Ich denke, auch die Tagzeitenliturgie wäre so ein Beitrag zur Verlebendigung des gottesdienstlichen Lebens in den Gemeinden.